029, URN OF DESTINY

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Für meine Familie und Verwandtschaft in Spanien bedeutete das Weihnachtsfest sehr viel und es gab kein Jahr, in dem wir uns in Deutschland nicht an die spanischen Traditionen hielten und die Zeit mit meiner Familie genoss. Wie auch in den letzten Jahren, verbrachten wir das Fest erneut bei uns und luden dabei die Familie der Zwillinge Yoel und Noel ein, die mehr oder weniger auch zu der Familie dazugehörten. Und obwohl Aaliyah und ihre Familie an Heiligabend nicht wirklich viel machte, außer mit der Familie zu Essen, machten sie seit ein paar Jahren bei unserer Tradition mit und wenn ich ehrlich bin, wäre es ohne sie auch kein Familienfest mehr.

Immer nach dem gemeinsamen Essen stellten meine Eltern eine Urne auf den Tisch, in dem sich kleine Geschenke befanden. Da es die Geschenke erst im Januar gab, schenkten wir uns gegenseitig Kleinigkeit. Es gab für niemanden bestimmte Geschenke, weshalb hatte niemand wirklich allzu große Erwartungen gehabt.

»La Urna del Destino.«, entkam es aus Yoel, der nach einem Schere-Stein-Papier Match als Erster aus der Urne des Schicksals ein kleines Geschenk herausziehen durfte. »Wenn ich dieses Jahr wieder ein Labello ziehe, dann ist es das dritte Mal in Folge. Will mir das Schicksal damit eine Botschaft überbringen oder wie soll ich das verstehen?«, sagte er scherzhaft und steckte seine Hand in die Urne.

»Du solltest dankbar sein, dass du keine Nieten ziehst. Das Gefühl ist echt nicht toll.«, entgegnete Antoine, der aus Erfahrung sprach und beim Essen schon deutlich gemacht hatte, dass er weitere Nieten in diesem Jahr nicht auf die leichte Schulter nahm. Dafür hatte er sich das Jahr über vorbildhaft – seine Worte – verhalten. Nieten hätte er gar nicht verdient, glaubte er.

»Ich glaube eher, dass das ein Zeichen ist.«, lachte sein Zwillingsbruder Noel ihn aus. »Du hast manchmal echt trockene Lippen und wer auch immer die Labellos in die Urne schmeißt, möchte wohl gerne, dass du endlich was dagegen unternimmst.«, kommentierte er und wich zur Seite, als Yoel ausholte und ihn mit seiner Faust am Oberarm treffen wollte.

»Beeil dich! Ich will hier nicht bis Januar sitzen.« setzte Evita ihn ungeduldig unter Druck und stupste ihn an.

»Ich muss mich konzentrieren und–«

»Zieh einfach aus dem Ding, hijo!«, meldete sich sein Vater auch zu Wort und schien mit seinem Sohn keine Geduld mehr zu haben.

Die vielen Nieten sammelte statt Antoine diesmal ich und durfte mich über einen Schlüsselanhänger freuen, was ich auch echt tat. Ich war dem Schicksal dankbar, dass ich überhaupt ein Geschenk bekam und nicht leer ausging.

Gegen Mitternacht änderten wir unsere kleine Tradition, wegen Aalyiah und ihrer Familie, die Geschenke oft um Mitternacht öffneten, und durften nur ein Geschenk öffnen. Der Rest dann am Tag der drei heiligen Könige im Januar.

»Nimm das hier.«, drückte mir meine Mutter mit einem kleinen Grinsen auf den Lippen das Geschenk in die Hände, dass sie aus ihrem Schlafzimmer holte. Im Augenwinkel sah ich, wie Tante Gloria ihr Handy in meine Richtung hielt und ebenfalls wie eine Verrückte grinste. »Vertrau mir.«, zwinkerte sie mich noch an, bevor sie sich hinterher mit Angelique wieder auf die Couch setzte.

»Woher kommt das Geschenk?«, hörte ich mein Vater fragen.

Neugierig riss ich das Geschenkpapier auf und hielt im nächsten Moment einen blauen Hoodie in meinen Händen. Sofort stieg mir Masons Parfüm in die Nase und ich merkte, wie nah ich den Tränen stand. Erst als ich den Hoodie ausfaltete und das Logo auf der Brustseite erkannte – Chelsea.

»Warum hab ich kein Chelsea Hoodie bekommen?«, fragte mein Cousin und schaute mir über die Schulter.

»Weil du keinen Freund hast, der Mason Mount heißt.«, hörte ich die Antwort von Evita, während ich die kurze Notiz durchlas.

Falls du mich mal zu sehr vermissen solltest, schenke ich dir mein Lieblingshoodie ❤️
Frohe Weihnachten, nugget.
Ich liebe dich ❤️
- Mason

»Er sollte echt an seine Schrift arbeiten.«, kommentierte Aaliyah und lachte, als sie seine Schrift sah. »Spielt er nicht für irgendeine andere Mannschaft?«

»Er wurde ausgeliehen und wenn Derby ihn nicht möchte, geht es für ihn wieder zurück nach Chelsea.«, antwortete Antoine und stöhnte auf. »Weißt du überhaupt was?«

»Die Nieten hättest du dieses Jahr echt verdient.«, konterte sie.




»Hab ich dich geweckt?«, fragte ich Mason, als er meinen FaceTime Anruf annahm.

»Selbst wenn, ist es egal.«, lachte er schwach und schaltete das Licht bei ihm im Zimmer an. »Frohe Weihnachten, nugget.«, wünschte er mir. »Hast du mein Geschenk bekommen?«, fragte er mich dann anschließend.

»Ich hab es bekommen und ich liebe es wirklich. Danke, Mason.«, bedankte ich mich bei ihm und lächelte. »Hast du meins–«

»Es liegt schon unter dem Weihnachtsbaum. Geschenke gibt es bei uns erst am Morgen.«, beantwortete er meine Frage, die ich noch nicht einmal ausgesprochen hatte, und schmunzelte. »Ich hab irgendwie das Gefühl, dass ich auch ein Hoodie kriege.«

»Nicht nur ein Hoodie. Der Hoodie.«, betonte ich und war gerade echt stolz auf mich, dass ich ihm nicht nur einen einfachen Hoodie schenkte.

»Jetzt hast du mir die Überraschung verdorben.«

»Du hattest doch eh Recht.«, lachte ich und verdrehte dabei meine Augen. »Entschuldigung, aber du bekommst echt nicht nur den Hoodie.«, entschuldigte ich mich und versichert ihm anschließend, dass es nicht nur bei dem Hoodie blieb. »Ich muss dir etwas erzählen. Aber es kann auch warten, wenn du jetzt lieber schlafen möchtest.«, wechselte ich das Thema und wollte ihm von meinem Gespräch mit Señora Erika und Antoine Griezmann erzählen, die meinen Abend noch schöner gemacht haben.

»Erzähl es mir. Gerade kann ich kaum an Schlaf denken.«, erwiderte er daraufhin und hörte sich in den nächsten Minuten an, wie ich über Señora Erika schwärmte und nicht glauben konnte, dass ich mich wirklich mit dem diesjährigen Weltmeister für vielleicht fünfzehn Sekunden unterhalten hatte. Meine Erzählung hörte erst auf, als mein Gähnen unterbrach und mich darauf hinwies, dass es schon ziemlich spät war.

»Ich glaube, ich sollte jetzt schlafen gehen. Und du auch, weil deine Augen ständig zu fallen.«, merkte ich an und lachte leise auf, als er seine Augen wieder öffnete und mich etwas leicht verwirrt ansah. »Gute Nacht und frohe Weihnachten, Mase.«, wünschte ich ihm und verabschiedete mich gleichzeitig auch.

»Ich liebe und vermisse dich.«, sagte er und formte mit seinem Lippen ein Kussmund.

»Ich liebe und vermisse dich auch.«, erwiderte ich und tippte auf den roten Button auf meinem Display.

Ich starrte Masons Kontakt an, ehe ich meinen Freunden noch schnell fröhliche Weihnacht wünschte und mein Handy anschließend auf mein Nachttisch legte. In meinen neuen Chelsea Hoodie kuschelte ich mich in meine Decke. Der Hoodie ersetzte leider den Menschen, den ich gerade neben mir liegen haben wollte, was mir durch die Distanz und seinen Terminkalender verwehrt blieb.

𝐘𝐎𝐔𝐍𝐆 & 𝐍𝐀𝐈𝐕𝐄 ⇝ 𝑚. 𝑚𝑜𝑢𝑛𝑡Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt