037 WHERE HE'S CLOSEST TO US

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Stöhnend knüllte ich das Papier zusammen und schmiss es in den nächsten Papierkorb. Seit gefühlten Stunden saß ich an meinen Schreibtisch und versuchte meine Gedanken in Worte umzuschreiben. Jimana, Noel und Yoels Mutter, bat mich eine Rede in der Kirche zu halten. Sie bat nicht nur mich darum, sondern auch Yoels Freundin Ricarda und Noel. Für mich war dies eine sehr große Ehre und natürlich wollte ich, dass meine Rede perfekt wurde. Somit durfte ich mir keinen Fehler erlauben.

Leider funktionierte mein Kopf nach einer Staffel Jane The Virgin mit Mason nicht mehr und schrieb immer ein paar Wörter hin, um sie anschließend wieder in den Papierkorb zu werfen. Und selbst um Zehn nach Zwölf hatte ich nichts auf meinem Blatt stehen. Immer mehr steigerte sich mein Frust bis ich dann endgültig die Geduld mit mir selbst verlor und meinen Stift ebenfalls in den Papierkorb warf.

»Celia?«, ertönte die verschlafene Stimme von Mason, der schon während der vorletzten Jane The Virgin Folge eingeschlafen war und sich in die Decke einkuschelte. »Wie lange hast du geschlafen?«

»Keine Sekunde.«, antwortete ich ihm und fuhr mir durch die Haare. »Seit zwei Tagen ist klar, dass ich eine Rede halten muss und ich hab selbst jetzt nichts, was ich in ein paar Stunden sagen könnte.«, teilte ich meinen Frust mit ihm und ärgerte mich über mich selbst.

»Liegt wahrscheinlich auch daran, dass du seit ein paar Tagen nicht mehr durchschläfst.«, entgegnete er und lachte leicht, als ich nach meinem Federmäppchen griff und nach ihm warf. »Leg dich hin und schlaf ein bisschen. Im Schlaf fällt dir dann ein, was du schreiben könntest.«

»Oder du legst dich wieder schlafen und lässt mich das noch zu Ende machen.«

»Celia.«, sagte er in einem leicht mahnenden Ton.

»Mason.«, sagte ich in dem selben Ton zurück und stand auf. »Sobald ich durch bin, lege ich mich zu dir. Versprochen.«, versprach ich ihm und nahm mein Handy vom Nachttisch, bevor ich mich wieder auf meinen Stuhl setzte und meine Nachrichten der letzten Stunden checkte. Bevor ich dann überhaupt WhatsApp öffnen konnte, vibrierte mein Handy in meiner Hand und der Name »Noel« erschien. »Noel?«

»Schau aus deinem Fenster.«, sagte er und verwirrte mich leicht. So stand ich wieder auf, ignorierte die verwirrten Blicke von Mason und stellte mich ans Fenster. Selbst aus dem obersten Stock erkannte ich Noel unten. Durch die Lichter der Laternen bemerkte ich sein Fahrrad und auf dem Gepäckträger ein Beutel. »Schnapp dir deinen Schlafsack, dein Fahrrad und dann komm runter.«

»Warum? Wohin willst du?«, fragte ich ihn und öffnete das Fenster, um mich leicht herauslehnen zu können.

»Kanal. Die Anderen holen wir ab. Kommst du oder kneifst du?«, fragte er mich und es kam für mich auf gar keinen Fall in Frage, dass ich ihn nun hängen ließ.

Demnach seufzte ich auf und überlegte, wie ich mich aus der Wohnung herausschleichen konnte. »Mason ist hier. Soll ich ihn hier lassen oder mitnehmen?«, fragte ich ihn und sah, wie er seinen Daumen hob. »Dein Signal ist nicht sehr eindeutig. Deshalb nehme ich jetzt einfach an, dass ich ihn mitnehmen kann.«, lachte ich leicht.

»Nimm ihn mit. Je mehr Leute, die Yoel gemocht hat, desto besser. Ach, und ihr solltet euch etwas dicker anziehen. Es ist echt kühl.«, gab er mir noch einen Tipp, bevor er auflegte. Ich machte das Fenster wieder zu und sah zu Mason, der mich fragend ansah.

»Hast du Lust auf einen spontanen Trip?«, fragte ich ihn ubd schnappte mir den Chelsea Hoodie, den er mir zu Weihnachten gegeben hatte, von meinem anderen Stuhl und zog ihn über meinen Top. »Noel steht unten und will sich mit ein paar Leuten treffen, die Yoel gemocht hat.«, klärte ich ihn auf und nahm mir noch meine Jogginghose, die ich über meine kurze Pyjamahose überzog. »Wenn du nicht mitmöchtest, kannst du ruhig hier bleiben.«, sagte ich und suchte im Anschluss in meinem Kleiderschrank nach einem Schlafsack.

»Und mich hier zu Tode langweilen? Nah, ich komm mit.«, entschied er sich dafür und stieg aus meinem Bett.

»Gut. Zieh dich warm an. Es ist echt kalt draußen. Und stell dich darauf ein, dass wir unter den Sternen schlafen.«, ließ ich ihn wissen und dachte im nächsten Moment darüber nach, wie wir uns aus der Wohnung herausschleichen könnten.

Als ich dann auch schon einen Plan hatte und Mason sich fertig angezogen hatte, nahm ich meine restlichen Sachen und schlich mich mit Mason aus meinem Zimmer. Innerlich betete ich, dass meine Mutter die Haustür nicht abgeschlossen hatte und wir einfach herauslaufen konnten. Und das hatte sie zum Glück nicht und ermöglichte uns eine perfekte Flucht. Mit dem Fahrstuhl fuhren wir in den Keller, wo unsere Fahrräder standen. Da ich Mason niemals auf meinem Gepäckträger transportieren konnte, gab ich ihm Antoines Fahrrad und seinen Helm, den er zuletzt vor ungefähr einem Jahr an hatte.

»Hier wird auf der rechten Seite gefahren.«, erinnerte ich Mason an das Rechtsfahrgebot in Deutschland und wollte nicht Schuld daran sein, wenn er auf der linken Seite fuhr.

»Danke für die Info.«, lachte er leise auf und folgte mir anschließend aus dem Gebäude.

An einer Laterne angelehnt stand Noel und stieß sich davon ab, als er uns bemerkte.

»Hi.«, flüsterte ich und legte einen Arm um seinen Nacken, während ich mit meiner freien Hand mein Fahrrad festhielt. In letzter Zeit hatte ich ihn kaum zu Gesicht bekommen, was auch verständlich war. Seine Verwandte aus Spanien waren zu Besuch und somit war bei ihm volles Haus.

»Hi.«, flüsterte er zurück und gab mir eine kurze Umarmung. Als wir uns zeitgleich aus der Position lösten, schaute er hinter mich und bemerkte Mason. Sie gaben sich eine ebenso kurze brüderliche Umarmung und ich konnte hören, wie Mason sein Beileid aussprach. Noel löste sich räuspernd aus der Umarmung und steckte seine Hände in seine Jackentasche. »Ich weiß, dass du nicht sehr glimpflich davon kommen wirst, wenn deine Eltern erfahren, dass du dich mitten in der Nacht herausgeschlichen hast, aber mir ist vor einer halben Stunde eine Idee gekommen.«, und somit erzählte er uns - wohl eher mir, da Mason kein Wort Deutsch verstand - seine Idee.

Im Sommer hingen wir oft am Kanal ab. Manchmal trafen wir uns auch direkt nach der Schule und schwammen sogar darin. Ich m sowas echt ekelhaft fand, da im Kanal mehr als nur Blätter herumschwammen. Daher mied ich eher das Wasser und beobachtete alles von der Plattform aus. Da Yoel die Zeit am Kanal am meisten genossen hatte, beschloss Noel dort noch die letzten Stunden vor der Beerdigung seines Bruders zu verbringen. Dort fühlte er sich ihm nah. Und da ich seine Idee gar nicht verkehrt fand, fuhren wir im nächsten Moment durch unser Viertel und sammelten ein paar Freunde ein, die die Idee ebenfalls gut fand.

In einer Dreiviertelstunde schafften wir es acht Leute abzuholen, wobei vier von ihnen schon mit ihren Motorrädern vorgefahren waren. Unser letzter Halt war anschließend bei Sebi, der mit seinem Motorrad die halbe Nachbarschaft aufwecken musste. Am Kanal angekommen, trafen wir auf die fünf Motorradfahrer und ein paar gemeinsame Freunde von Noel und Yoel, die in der Zwischenzeit ein Lagerfeuer

Unter ihnen Danny, den ich nach unserem Gespräch in der Schule am wenigsten hier erwartet hatte.

»Ziemlich unheimlich der Ort hier. Sicher, dass ihr euren Sommer auch hier verbracht habt?«, fragte Mason mich und stellte Antoines Fahrrad neben meinem ab.

»Nachts ist er unheimlich, aber im Sommer einfach perfekt. Mal gucken, ob ich dich mal im Sommer hierher bringe.«, erwiderte ich daraufhin und umarmte ihn. »Danke, dass du mitgekommen bist.«, bedankte ich mich bei ihm.

»Wie schon gesagt, nugget. Ich lasse dich nicht alleine.«, antwortete er darauf. »Kriege ich für meine Heldentaten vielleicht ein Kuss, der länger als nur zwei Sekunden geht?«, fragte er mich und formte seine Lippen zu einem Kussmund.

»Vielleicht.«, schmunzelte ich leicht und legte meine Lippen auf seine und gab ihm einen Kuss, der tatsächlich länger als zwei Sekunden ging. »Ich liebe dich.«

𝐘𝐎𝐔𝐍𝐆 & 𝐍𝐀𝐈𝐕𝐄 ⇝ 𝑚. 𝑚𝑜𝑢𝑛𝑡Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt