Für einen Moment lang, lag sein Blick schweigend auf mir. Dann gab er ein leises Seufzen von sich und deutete an mir vorbei zur Tür. „Phileas wird durchdrehen, wenn er das mitbekommt." Brummte er leise und kaum verständlich mit dieser rauen Stimme, die mir zuvor einen Schauer über den Rücken gejagt hatte. „Könntest du bitte die Tür schließen?" Ein wenig verwundert schloss ich, wie gebeten, die Tür hinter mir und trat daraufhin noch ein wenig weiter in den Raum hinein, während mein Blick weiter auf ihm lag. „Wenn er was mitbekommt?" fragte ich nach, da ich nicht ganz verstand, auf welche Weise Phileas etwas damit zu tun haben sollte.
„Dass du nicht genügend Schlaf bekommst." Antwortete Kiyan mir und schien daraufhin einen Augenblick lang über etwas nachzudenken. „Du kannst hier bleiben und noch ein wenig Schlaf nachholen. Zumindest so lange, bis die Sonne aufgeht." Sagte er schließlich in meine Richtung gewandt, woraufhin ich ihm lediglich einen verwirrten Blick entgegenbrachte „Sollte mein Vater nach dir suchen, werde ich ihn sicherlich ablenken können." Die letzten Worte murmelte er eher in sich hinein, dann deutete er auf das große Bett am Ende des Raumes.
Ich folgte seinem Blick, schüttelte dann jedoch entschlossen den Kopf. Warum war er plötzlich so nett zu mir? Er wirkte wie ausgewechselt. „Kiyan.. ich verstehe nicht-.. warum tust du das?" fragte ich ihn und war mittlerweile so irritiert von seinem Verhalten, dass ich völlig vergaß, seinen Titel dabei zu verwenden, obwohl mir bewusst war, dass er darauf viel Wert legte.
Er korrigierte mich allerdings nicht. Stattdessen trat er ein paar Schritte näher an mich heran, wobei sich unsere Blicke kreuzten. Selbst in dieser Dunkelheit, war das leichte Schimmern in seinen grauen Augen deutlich zu erkennen. „Du bist meinem Bruder sehr ans Herz gewachsen, Camilla. Phileas hat sich verändert, seit er dich zum ersten Mal in der Stadt gesehen hat. Das will ich ihm nicht zerstören. Er hat es verdient, wieder glücklich zu sein." Womöglich täuschte ich mich aufgrund der nicht ganz so optimalen Lichtverhältnisse in diesem Raum, doch ich konnte sehen, wie sich bei diesen Worten seine Mundwinkel ein klein wenig hoben.
Ich hatte ihn nie wirklich lächeln sehen, daran erkannte ich, dass ihm dies wohl von großer Bedeutung sein musste. Er wollte es sich mit seinem Bruder nicht verscherzen und ich verstand auch recht gut, warum. Es war nicht gewiss, wie lange seine Mutter noch unter den Lebenden weilen würde, geschweige denn, ob sie jemals wieder gesund werden würde. Phileas würde demnach der Einzige in dieser Familie sein, der noch ein wenig Menschlichkeit in sich besaß. So hatte ich es jedenfalls wahrgenommen. Wie Kiyan wirklich darüber dachte, würde ich allerdings niemals in Erfahrung bringen können. Dieser Einblick blieb mir verwehrt.
Da ich mich ungerne gegen Kiyan wenden wollte, ich wusste schließlich, dass er seinem Vater in dieser Hinsicht sehr ähnlich war, gab ich schließlich mit einem Nicken nach, ließ mich allerdings auf dem kleinen Sofa nieder, welches in der Mitte des Raumes, zusammen mit ein paar Sesseln und einem Tisch stand. Zwar vernahm ich ein erneutes, leises Seufzen aus Kiyan's Richtung, er beließ es jedoch dabei und schwieg. Er war zwar Phileas' Bruder, doch er war noch immer ein Kronprinz und ich wusste nicht recht, ob ich ihm gänzlich vertrauen konnte und wollte. Wenn ich seinem Wunsch nachging und hierbleib, um mich noch ein wenig auszuruhen, wollte ich wenigstens selbst entscheiden, wo ich dies tat. Und das Bett dieses Kronprinzen war keine Option.
Es war ein durchaus beklemmendes Gefühl, in diesem Raum zu liegen und noch etwas Schlaf nachholen zu wollen, während mir bewusst war, dass sich Kiyan nur wenige Meter von mir entfernt befand. Ich hörte nur, wie er sich wohl an den Schreibtisch an der Wand des Raumes setzte, sehen konnte ich ihn allerdings nicht. In den ersten Minuten fiel es mir daher ziemlich schwer, seine Anwesenheit zu ignorieren. Letztendlich gab mein leicht paranoides Unterbewusstsein nach und ich verlor den Kampf gegen die Müdigkeit. Das letzte was ich sah, bevor meine Augen zufielen, war ein kleiner schon recht alt aussehender Teddybär, der sich in der Ecke des Raumes, auf einer Kommode befand und mich mit seinen kleinen, dunklen Augen zu beobachten schien.
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Die Zofe
Teen FictionIn einer Welt einige Jahre vor unserer Zeit, im alten Mittelalter, kämpft ein Mädchen gegen ihr Schicksal. Dazu bestimmt, den Rest Ihres Lebens gemeinsam mit ihrer Mutter auf dem Land zu verbringen und von dem wenigen Geld zu leben, welches sie auf...