Das Ende der Blutlinie

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„Ich werde nicht tatenlos hier sitzen und abwarten, was geschieht, Kiyan." Sprach ich aus, damit er endlich verstand, dass ich auf keinen Fall zulassen würde, dass Jurian ohne mich in diesen Krieg zog. Entweder blieben wir beide hier im Schloss oder wir zogen gemeinsam auf das Schlachtfeld. Es folgte ein erneutes Kopfschütteln seitens des Königs, ehe er sich in Bewegung setzte und erst direkt neben meinem Stuhl stehen blieb. Kiyan griff nach meiner Hand und sein Blick zeigte unmissverständlich, welch eine Sorge um sein Königreich er in sich trug.

„Dein Wunsch ist sehr ehrenvoll, Camilla. Doch weder du, noch Jurian verfügt über die notwendige Ausbildung für den Kampf. Ihr würdet geradewegs in euren Tod laufen und dies könnte ich mir niemals verzeihen." Seine Stimme war wieder etwas ruhiger als zuvor und er drückte meine Hand sanft, um seine Worte zu bekräftigen. „In Ordnung, wir werden hier bleiben und auf euch warten.." gab ich schließlich nach und senkte betrübt den Kopf. Er war der König, somit war ich gezwungen seinem Wort zu gehorchen. Mir blieb keine andere Wahl.

„Denk bitte einmal darüber nach, Kiyan. Solltest du auf dem Schlachtfeld fallen, werden wir dem Westen schutzlos ausgeliefert sein. Das dürfen wir nicht riskieren." Wagte Phileas den erneuten Versuch, seinen Bruder umzustimmen. Doch es war hoffnungslos. Kiyan entfernte sich wieder von mir und blieb schließlich hinter dem Stuhl am Kopfende des Tisches stehen. Nachdenklich lehnte er seine Arme auf die Rückenlehne dessen und blickte in die Runde. "Dann sollten wir hoffen, dass dies nicht geschieht." Ich vermied daraufhin den Blickkontakt mit ihm. Die Entschlossenheit die darin lag, bereitete mir Unbehagen. Auch er konnte geradewegs in seinen Tod laufen. Warum war er sich so sicher, dass dies nicht geschehen würde?

„Ruf die Soldaten und Wachmänner zusammen, Phileas, sie sollen sich vorbereiten. Morgen bei Sonnenaufgang ziehen wir los." Schon Morgen? Mein Innerstes zog sich allein bei dem Gedanken, Kiyan bereits am morgigen Tage verlieren zu können, schmerzvoll zusammen. Jurian wollte zu Sprechen beginnen, doch der amtierende König schnitt ihm augenblicklich das Wort ab. „Ich danke euch für euren Rat, doch dies ist mein letztes Wort." Daraufhin schob Phileas seinen Stuhl lautstark zurück und verließ mit schnellen Schritten den Raum. Die Flügeltür ließ er mit einem lauten Knall hinter sich ins Schloss fallen, was mich erschrocken zusammenzucken ließ.

Auch Amalia und Jurian erhoben sich nun von ihren Plätzen. Betont ruhiger, als es Phileas zuvor getan hatte. „Ich werde versuchen die Zeit des Wartens für Camilla so angenehm wir möglich zu gestalten, eure Majestät." Förmlicher, als ich es von ihr gewohnt war, deutete sie dabei sogar eine leichte Verbeugung in Richtung Kiyan an, der dies lediglich mit einem schlichten Nicken quittierte. Jurian schwieg. Er musste eingesehen haben, dass es keine Möglichkeit gab, Kiyan umzustimmen. Nach allem, was wir miteinander erlebt hatten, war ich froh über sein Schweigen.

Seit der Wachmann Kiyan über den Tumult im Dorf informiert hatte, wirkte er zunehmend gereizt. Es schmerzte, ihn auf diese Weise zu sehen. Doch er hatte seine Entscheidung getroffen. Ihn nun weiterhin darauf anzusprechen, würde ihn nur kopflos handeln lassen. Amalia schien zu erwarten, dass auch ich mich von meinem Platz erhob und ihnen aus dem Raum hinaus folgte. Doch dies tat ich nicht. Jurian legte daraufhin eine Hand an ihren Rücken und schob sie schweigend vor sich in Richtung der Tür.

Sobald auch sie den Raum verlassen hatten und ich mit Kiyan allein darin zurückblieb, drehte dieser sich in meine Richtung. „Sollte das ein Scherz sein, Camilla? Wenn ja, war er alles andere als amüsant." Sein düsterer Blick lag schwer auf mir und ich bereute sofort, diesen Vorschlag überhaupt in die Runde gebracht zu haben. „Hast du wahrhaftig geglaubt, ich würde zulassen, dass du mit ihnen gehst?" Er schüttelte ungläubig den Kopf. Schien nicht fassen zu können, dass ich diesen Gedanken überhaupt hatte aufbringen können.

Wissend, dass es nicht unbedingt die beste Idee gewesen war, schrumpfte ich bei seinen Worten förmlich in mir zusammen. Um seinem vorwurfsvollen Blick zu entgehen, lenkte ich meine Aufmerksamkeit auf meine Hände, die nervös mit dem Saum meines Kleides spielten. „Dich zu verlieren, wäre das Schlimmste, was mir zustoßen könnte, Camilla. Siehst du denn nicht, dass ich nur versuche, dich in Sicherheit zu wiegen?" Ich hatte nicht einmal wahrgenommen, dass er sich mir wieder genähert hatte, doch nun hob ich meinen Blick an und spürte die Verständnislosigkeit, die in mir aufkam.

Die ZofeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt