Das beinahe panische Schlagen des Herzens in meiner Brust. Das unregelmäßige Atmen, welches ich wieder unter Kontrolle zu bringen versuchte. Das leise Zwitschern der letzten Vögel, die ihren Weg in den Süden noch nicht angetreten hatten. Ich versuchte, mich der Ruhe um mich herum anzupassen. An einen der Bäume angelehnt, mit Blick auf den Horizont außerhalb des Gartens gerichtet, konzentrierte ich mich darauf, diese Unruhe in meinem Körper verschwinden zu lassen. Zu meinem Pech, mit eher geringem Erfolg.
Meine Finger krallten sich regelrecht krampfhaft in die Rinde des Baumes, um mir genug Halt zu geben. Der Kampf gegen Jurians Griff, hatte mich einiges an Kraft gekostet. Glücklicherweise nicht so viel, dass ich mich, wie in einer der letzten Nächte, ihm kraftlos hingegeben hatte. Ich spürte die kalte Herbstluft in meinen Lungen. Wie sie in diese hinein und wieder hinaus strömte. Nur wenige Grad kälter und mein Atem würde eine kaum sichtbare Wolke in der Luft erzeugen.
Plötzlich legte sich etwas angenehm Schweres über meine Schultern und ich richtete meinen Blick auf diese. Es war mein weißer Mantel, das konnte ich an den einzelnen Verzierungen darauf problemlos erkennen. „Es mag luxuriös sein und voller Möglichkeiten stecken, doch im Großen und Ganzen wird es nie mehr sein, als ein großer, goldener Käfig." Mir lief ein Schauer über den Rücken, so nah erklang Kiyans raue Stimme an meinem Ohr. Ich hatte ihn nicht sofort entdeckt, doch als ich den Mantel gesehen hatte, war mir bereits die Vermutung gekommen, dass er es war.
Ich antwortete ihm allerdings nicht darauf, sondern richtete meinen Blick wieder auf den Horizont vor mir. Die dunklen Wolken lagen noch immer über uns und gaben der Sonne nun keine Chance mehr, hindurchzutreten. Womöglich irrte ich mich auch, doch ich nahm an, dass es schon sehr bald zu regnen beginnen würde. Kiyan trat hinter mir hervor und somit in mein Sichtfeld. Seine Aufmerksamkeit galt jedoch voll und ganz meinen Armen, nach welchen er schließlich vorsichtig griff. Ich hinderte ihn nicht daran und ließ kommentarlos geschehen, dass sein Blick prüfend über diese wanderte.
Kiyan sprach nicht. Vollkommen anders, als es Jurian getan hatte. Er begann nicht, mich mit Fragen zu überhäufen, sondern ließ mich vollkommen in diesem Moment alleine. Trotz seiner Berührungen, schien er sich nicht aufdrängen zu wollen. Ich wusste, er würde wieder gehen, wenn ich ihn darum bitten würde. Das würde ich nicht tun. Ich war froh über seine Anwesenheit. Mein Plan, mich von ihm fernhalten zu wollen, wäre ohnehin irgendwann gescheitert. Wir waren wohl beide zu sehr aneinander gebunden, als das dies auf irgendeine Weise hätte funktionieren können.
„Tut es weh?" fragte er schließlich leise. Vorsichtig, als hätte er Angst, mich damit genauso zu verschrecken, wie es bei Jurian der Fall gewesen war. Ich schüttelte langsam den Kopf. Der Schmerz war vergangen, doch allein, dass Jurian mir gegenüber nicht vor solch einer Tat zurückscheute, hatte sich in meinem Kopf festgesetzt. „Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll. Es ist zu viel." Gab ich murmelnd von mir. Ein Versuch zu erklären, was in mir vorging. Er hatte eine Erklärung verdient. Wenigstens einen Hinweis darauf, was geschehen war.
Es war keine Antwort auf seine Frage, dennoch schienen ihm meine Worte bereits zu genügen. „Erzähl mir von deinen Gedanken." Daraufhin schüttelte ich lediglich langsam den Kopf. Das konnte ich nicht. Meine Gedanken würden ihm zu gleichen Zeit sowohl Hoffnung, als auch pure Enttäuschung schenken. Es lag an mir, dies zu verhindern. Kiyan hatte ohnehin bereits zu viele andere Dinge, die ihm im Kopf umhergeistern mussten. „Ich sehe dass du leidest, Camilla. Das ertrage ich nicht."
Ich drehte meinen Kopf nun doch in seine Richtung, wodurch sich unsere Blicke miteinander kreuzten. Er sprach die Wahrheit, der Schmerz war ihm förmlich von seinen Augen abzulesen. „Das kann ich nicht, Kiyan. Ich möchte dich nicht verletzen.." Er wollte mir wohl bereits ein Gegenargument entgegenbringen, als ich ihn durch mein Weitersprechen zum Schweigen brachte. „.. und ich weiß, dass dies der Fall sein wird. Ich kann nicht zulassen, dass wieder jemand.." „Camilla." Ich nahm nicht einmal wahr, dass er gesprochen hatte, so sehr zogen mich meine Gedanken wieder in ihren Bann. Meine Stimme überschlug sich regelrecht. „.. verletzt wird, der mir von Bedeutung ist. Nicht erneut. Nicht bei dir und Phileas, das kann ich nicht.."
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Die Zofe
Novela JuvenilIn einer Welt einige Jahre vor unserer Zeit, im alten Mittelalter, kämpft ein Mädchen gegen ihr Schicksal. Dazu bestimmt, den Rest Ihres Lebens gemeinsam mit ihrer Mutter auf dem Land zu verbringen und von dem wenigen Geld zu leben, welches sie auf...