Ein Versprechen

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P.o.V. Jurian

Camilla schien mir aus dem Weg zu gehen. Ich wusste nicht recht, woher dieser Gedanke kam. Es bereitete mir ein wenig Sorgen und mir kam der Gedanke auf, dass es ihr womöglich schlechter ging und sie mir daher aus dem Weg ging, damit ich davon nichts erfuhr. Bis zum späten Abend hatte ich in den Stallungen ausgeholfen, was nach den Tagen ohne Beschäftigung einer deutlichen Abwechslung gleichkam. Die Arbeit dort lenkte mich ein wenig von Camilla ab und auch die Menschen dort sorgten dafür, dass ich genug beschäftigt war, um mich von meinen Gedanken nicht mitreißen zu lassen.

Nun wanderte ich durch die unzähligen Gänge des Schlosses, in denen ich mich noch immer kaum zurechtfand und suchte nach dem Schlafsaal, in dem Camilla nun wieder ihre Nächte verbrachte. Ich hoffte nur, auf dem Weg keinen anderen Personen zu begegnen, um nicht in Not zu geraten, sollte ich erklären müssen, wohin ich unterwegs war. Aus diesem Grund achtete ich sehr darauf, meine Schritte mit Bedacht zu setzen und nicht zu auffällig durch diese Gänge zu huschen.

„Jurian? Ich habe dich bereits den halben Tag gesucht." Erklang eine Stimme hinter mir und ich blieb schlagartig stehen, ehe ich mich zu der Person umdrehte. Die in dem dämmrigen Licht dunkelgrün schimmernden Augen von Phileas waren direkt auf mich gerichtet, während er näher zu mir trat. Mein Vorhaben, unauffällig durch diese Gänge zu Camilla zu schleichen, war damit wohl gescheitert. „Aus welchem Grund?" fragte ich ihn, wobei ich ihn einen Augenblick skeptisch musterte.

„Es hat eine Weile gedauert, doch wir haben eine Lösung für euer Problem gefunden. Es ist dir gestattet, hier im Schloss zu bleiben." Es dauerte einen Moment bis ich diese Information verstanden hatte, doch dann fiel mir regelrecht ein Stein vom Herzen. Ich musste Camilla nicht verlassen. „Wie ist das möglich? Ich war überzeugt, dass der König etwas dagegen haben würde." Phileas bestätigte dies mit einem langsamen Nicken. „Er war nicht sonderlich erfreut darüber. Deiner Anwesenheit hat er jedoch nur zugestimmt, wenn du als Wache außerhalb der Tore eingesetzt wirst."

Der erfreute Ausdruck auf meinem Gesicht verschwand langsam. Das war nicht unbedingt das, was ich mir darunter vorgestellt hatte. „Dies ist bedauerlicherweise die einzige Möglichkeit. Mir ist bewusst, dass du in Camillas Nähe bleiben wolltest, doch näher heran, können wir dich nicht bringen." Phileas war aufrichtig, auch er schien nicht begeistert über dieses Ergebnis zu sein. „Ich werde meinen Eltern einen Brief schreiben müssen, damit sie sich keine Sorgen machen." Dies war ein Punkt, den ich beinahe vergessen hatte. Es war nicht meine Absicht gewesen, so lange fort zu sein. Womöglich machten sie sich bereits Sorgen.

„Das können wir einrichten, ich werde dir etwas Briefpapier in dein Zimmer bringen lassen." Erklärte er mir, was mich wieder ein wenig erleichterte. „Da wir im Augenblick darüber sprechen, du wirst eine Entlohnung für deine Dienste erhalten. Einige der Wachen, senden diese an ihre Familien. Was du damit machen willst, ist dir daher selbst überlassen." Phileas gab ein Lachen von sich, als er meinen verwunderten Gesichtsausdruck sah. „Wir sind keine Unmenschen, Jurian." Ich legte den Kopf ein wenig schief, da ich dies noch nicht gänzlich verstand. „Was ist mit Camilla? Sie hat keine Familie, die diese Entlohnung erhalten könnte."

Phileas nickte bestätigend. „Camilla weiß nichts von einer Entlohnung. Darüber haben wir sie nicht informiert, sie wird diese über einen anderen Weg erhalten." Genaueres erklärte er mir nicht, weshalb ich mir die Frage stellte, wie er dies meinte. Auf welchen Weg würde Camilla diese Entlohnung erhalten, wenn sie diese nicht ausgezahlt bekommen würde? Es verwirrte mich. „Bei Sonnenaufgang wirst du in deine Arbeit eingewiesen. Länger wollte ich dich nicht aufhalten, Jurian."

Er blickte einmal in den Gang hinter mir, der zum Schlafsaal der Zofen führte und zu dem ich in diesem Moment unterwegs gewesen war, als er mich abgefangen hatte. „Bleib nicht zu lange bei ihr. Sie hat im Augenblick viel Arbeit vor sich und sollte sich daher ausruhen, wenn sie die Zeit dazu findet." Phileas musste bereits zu Beginn gewusst haben, wohin mein Weg mich führte. Es war mir ein wenig unangenehm, dass dies so offensichtlich zu erkennen war. „Ich bin dir zutiefst zu Dank verpflichtet, Phileas." „Es war nicht mehr als ein kleiner Gefallen."

Daraufhin wandte er sich wieder von mir ab und war nach kurzer Zeit bereits in einem der angrenzenden Gänge verschwunden. Noch einen Moment blieb ich an dieser Stelle stehen und versuchte zu realisieren, dass ich wirklich hier bleiben konnte. Ich würde weiterhin auf Camilla aufpassen können, auch wenn ich nicht immer direkt in ihrer Nähe sein konnte. Deutlich gelassener setzte ich mich wieder in Bewegung, diesmal mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, voller Vorfreude, was Camilla wohl dazu sagen würde, sobald ich ihr die guten Neuigkeiten überbrachte.

Ich musste ein wenig suchen, bis ich die Tür zum Schlafsaal fand, klopfte einmal und betrat schließlich den Raum, ohne auf eine Antwort zu warten. Es war nur Camilla, die ich dort antreffen würde. Sie war es auch, die ein wenig irritiert zu mir hinüberblickte, als ich plötzlich im Schlafsaal auftauchte und die Tür wieder hinter mir schloss. „Ist etwas geschehen?" fragte sie mich und erhob sich von ihrem Bett, auf dem sie bis zu diesem Zeitpunkt gesessen und hinaus aus dem Fenster geblickt hatte. Ihre Arbeitskleidung hatte sie bereits abgelegt, lediglich ein lockeres, weißes Schlafgewand, bedeckte noch ihren Körper. Zudem hatte Phileas Recht behalten, sie wirkte ziemlich erschöpft. Unter ihren Augen lagen leichte, dunkle Schatten.

Sie blieb nur wenige Schritte von mir entfernt stehen und ihr Blick flog für einen Moment über mich, als würde sie überprüfen wollen, dass es mir gut ging. „Es gibt Neuigkeiten." Erwähnte ich schließlich, woraufhin sie direkt ein wenig aufmerksamer wurde. „Du darfst bleiben?" fragte sie mich augenblicklich, da sie schon zu ahnen schien, was ich ansprechen wollte. Ich musste nur ein Nicken als Antwort geben, woraufhin sich ein breites Lächeln auf ihren Lippen ausbreitete und sie mir regelrecht in die Arme sprang.

Die Umarmung die daraufhin folgte, erwiderte ich nur all zu gerne. Seit einer gefühlten Ewigkeit waren wir uns nicht mehr so nah gewesen und ich hatte es sehnlichst vermisst. „Wie ist es dazu gekommen? Ich dachte, der König würde dich sofort hinauswerfen, sobald du auch nur einen Fuß in seine Nähe setzt." Hörte ich sie sagen, nachdem sie ihren Kopf an meiner Schulter abgelegt hatte. Sie fühlte sich noch zerbrechlicher an, als ich es in Erinnerung hatte, weshalb ich meine Arme schützend noch ein wenig enger um sie legte. 

„Damit liegst du nicht weit daneben. Laut Phileas schien er nicht sehr erfreut darüber zu sein. Sie haben eine mögliche Arbeitsstelle für mich gefunden, daher ist es mir gestattet zu bleiben." Sie hob den Kopf, wodurch sich ihr Blick mit meinem kreuzte. „Wo wirst du eingesetzt?" fragte sie mich. Die Unsicherheit in ihrer Stimme, war deutlich herauszuhören. Ich wusste, woran sie dachte. Nicht jede Arbeit hier im Schloss würde angenehm sein und ich hatte Glück gehabt. Jedenfalls war ich im Augenblick noch davon überzeugt.

„Als Wache vor den Toren." Antwortete ich ihr, was zur Folge hatte, dass sich eine kleine Sorgenfalte auf Camilla's Stirn bildete. „Ist das nicht gefährlich, Juri? Hier sind bereits Einige unschöne Dinge geschehen, du solltest nicht direkt an der Front stehen, wenn so etwas noch einmal vorkommt." Versuchte sie mir zu erklären und auch ich wusste, dass es nicht einfach werden würde, diese Position auf Dauer halten zu können. Ich hob eine Hand, als eine ihrer blonden Strähnen vor ihr Gesicht fiel und schob dies zurück hinter ihr Ohr. „Es ist mir alles recht, solange ich weiterhin in deiner Nähe sein kann, Cami."

Die Sorgenfalte auf ihrer Stirn legte sich langsam, obwohl ich wusste, dass diese Bedenken auch weiterhin in ihrem Kopf umherschwirren würde. Ein gewisses Risiko bestand, das konnte ich nicht abstreiten. Die Entlohnung die ich für diese Arbeit erhalten würde, erwähnte ich allerdings nicht. Da ich nicht genau wusste, wie Phileas dies bei ihr verrichtete, wollte ich dieses Thema nur ungerne ansprechen. „Bitte pass dort auf dich auf, Juri. Das gefällt mir nicht."

Ich schenkte ihr ein zuversichtliches Lächeln, ehe ich aus einem unerklärlichen Impuls heraus, einen sanften Kuss auf ihrer Stirn hinterließ. „Mir wird nichts geschehen, das verspreche ich dir." Ich würde mein Wort halten können. Kurz bevor Camilla's Mutter verstorben war, hatte sie mich darum gebeten, auf ihre Tochter aufzupassen. Darauf Acht zu geben, dass sie ein gutes Leben haben würde. Ich hätte mich schuldig gefühlt, wenn ich sie hier alleine lassen müsste. Nun würde ich alles dafür geben, um meinem Versprechen von damals gerecht zu werden.

Die ZofeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt