Die Zeit des Wartens

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Die darauffolgende Nacht war dunkel, ungemütlich und kalt. Es gab kein natürliches Licht, welches von außerhalb den Weg nach innen fand. Lediglich die vereinzelten Fackeln, welche an den Wänden des langen Ganges angebracht waren, ließen ein wenig Licht in die Zelle dieses Kerkers fallen. Gerade so viel, dass ich erkennen konnte, wie sich Jurians Brust beim Atmen langsam hob und senkte. Das einzige woran ich erkannte, dass er noch am Leben war. Der König hatte mein Herz beinahe in Stücke gerissen, als er Jurian niedergestreckt hatte.

Die Zeit verging irrational zu dem, was ich wahrnahm. Womöglich saßen wir bereits seit Stunden in diesem Loch, es könnte sich allerdings auch lediglich um ein paar Minuten handeln. Ich war froh darüber, dass ich in diesen dunklen Gemäuern nicht von Jurian getrennt worden war. Nun spielte es ohnehin keine Rolle mehr, ob wir miteinander sprachen oder nicht. Das Urteil einer Strafe war bereits verhängt worden und ich war mir sicher, dass sich der König nicht umstimmen lassen würde. „Cami.." kam es murmelnd von Jurian, was meine Aufmerksamkeit sofort auf ihn lenkte.

Sein Kopf ruhte in meinem Schoß, was dafür sorgte, dass ich jedes leiseste Wort von ihm verstand und mir zugleich stetig vor Augen hielt, wie es ihm ging. Seine Augen öffneten sich blinzelnd und ich nahm an, dass die plötzliche Dunkelheit um uns herum ihn verwirrte. „Was..?" sprach er lediglich, ehe er sich eine Hand an den Kopf hielt und sich mit Mühe versuchte aufzurichten. „Dieser Bastard.." „Juri.. es ist alles in Ordnung." Versuchte ich ihn zu beruhigen, was jedoch das Gegenteil verursachte. „In Ordnung?! Hast du dich hier einmal umgesehen, Cami?" Er wurde nicht laut, dazu war er eindeutig zu schwach. An seinem Tonfall erkannte ich, dass er alles andere als begeistert über unsere jetzige Situation war.

Bevor er weitersprach, ließ er seinen Blick prüfend über mich gleiten, auf der Suche nach Auffälligkeiten. „Hat er dir etwas angetan?" fragte er mich und musterte dabei meine Arme etwas genauer, bis zu meiner Hand, die bis vor Kurzem noch verbunden gewesen war. Nun war die Narbe, die der Schnitt durch Kiyan dort hinterlassen hatte, auch für Jurian sichtbar. Trotz des geringen Lichtes, sah ich an seinem Gesichtsausdruck, dass er diese durchaus entdeckt hatte. „Nein. Es tut mir unendlich leid, Juri. Ich hätte verhindern müssen.." begann ich, doch er ließ mich mit einem einfachen Kopfschütteln verstummen.

Schließlich hob er seinen Blick wieder an und kreuzte somit den Meinen. „Es ist meine Schuld. Ich hätte mich nicht so naiv verhalten sollen." Er berührte mit einer Hand die Stelle über seiner Augenbraue, an der sich die kleine Platzwunde befand. Es sah nicht äußerst schlimm aus, das Blut war bereits getrocknet und klebte nun lediglich wie Farbe auf seiner rechten Gesichtshälfte. Die dunklen Flecken in seinem Gesicht, genauer konnte ich es bei diesem Licht nicht erkennen, bereiteten mir deutlich mehr Sorgen. „Nur meinetwegen bist du nun in dieser Situation, Cami. Das habe ich nicht gewollt."

Seine Stimme schien zu brechen, als er die letzten Worte aussprach. In solch einer Verfassung hatte ich ihn bisher nur sehr selten erlebt. Es schmerzte allein schon, ihn auf diese Weise zu sehen. „Das ist nicht richtig. Wir hätten beide vorsichtiger sein sollen." Dass ich dabei nicht nur über die Nähe zwischen ihm und mir sprach, sondern auch über die Zeit, die ich zusammen mit den Prinzen verbracht hatte, ließ ich unerwähnt. Jurian schien jedoch vollkommen von seiner Ansicht überzeugt zu sein. „Wir werden eine Lösung dafür finden, das verspreche ich dir. Wir kommen hier raus."

Ich war mir ziemlich sicher, dass wir diesen Ort, im dunkelsten Gemäuer des Schlosses, wieder verlassen würden. Doch nicht, weil Jurian einen Weg fand, uns hier raus zu holen oder weil die Prinzen dafür sorgen würden, dass wir verschwinden konnten. Wir würden diese Zelle erst dann wieder verlassen, wenn unsere Strafe feststand und der König entschieden hatte, dass diese nun ausgeübt werden sollte. Aus keinem anderen Grund, würden wir dieses Schloss jemals wieder verlassen können. Dieser Gedanke trieb mir Tränen in die Augen und das leichte Beben, welches von Jurians Körper ausging, deutete darauf hin, dass wir an das selbe gedacht hatten.

Nach all der Zeit, in der ich darauf achten musste, ihm nicht zu nahe zu kommen, geschweige denn, ein Wort mit ihm zu wechseln, war es nun äußerst ungewohnt, genau dies wieder problemlos tun zu können. Ich legte vorsichtig meine Arme um Jurian, darauf bedacht, ihm nicht weh zu tun. Schließlich wusste ich nicht genau, wie schlimm die Wachen ihn wirklich getroffen hatten. Wir konnten ab sofort nur hoffen, dass unsere Strafe nicht ausfiel, wie wir sie uns vorstellten. Bei den mehr als fragwürdigen Gedankengängen des Königs, mussten wir mit allem rechnen. Die Prinzen würden hierbei sicherlich kein Mitspracherecht haben.

„Er wird uns hinrichten lassen, Cami." Kam es unter Schluchzen von Jurian, was mir bestätigte, dass wir erneut die selben Gedanken gehegt hatten. So gerne wir es uns wünschten und so sehr wir auch hofften, dass alles wieder gut werden würde. Wir würden das Schloss mit Sicherheit nicht mehr lebend verlassen. „So grausam wird er nicht sein." Bei den Dingen, die ich bereits über den König wusste, war mir durchaus bewusst, dass meine Aussage falsch war. Wenn der König etwas wahrhaftig wollte, war er unberechenbar. Jurian antwortete mir nicht darauf, denn auch er wusste, dass er recht hatte. 

Die ZofeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt