Es war bezaubernd. Ein breiter, mit golden Ornamenten verzierter Spiegel, zeigte mir nun mein Spiegelbild. Die drei jungen Frauen hatten fabelhafte Arbeit geleistet. Ich konnte mich an keinen einzigen Tag erinnern, an dem ich mich jemals so sauber und rein gefühlt hatte. Für viele Menschen denen ein Leben in einem winzigen Dorf nicht einmal vorstellbar war, würde mein Empfinden wohl ein wenig übertrieben wirken. Ich fühlte mich wohl. Der Stoff des einfachen, schwarzen Kleides war samtig weich und die weiße Schürze lag federleicht darauf. Das Gesamtbild entsprach nicht vollkommen den Kleidern, welche die anderen drei jungen Frauen trugen. Wie bereits vermutet, waren selbst bei der kleinsten Größe ein paar Abänderungen notwendig gewesen. Diese deutlich sichtbaren Handgriffe wurden durch die ein wenig veränderte Schürze bedeckt.
„Amalia, hast du daran gedacht den Tee für die Königin aufzusetzen?" hörte ich die sanfte Stimme von Thekla, die mich damit aus diesem kurzen Moment der Zufriedenheit riss. Ich erinnerte mich wieder daran, aus welchem Grund ich mich überhaupt hier befand. Noch während ich mich zu ihnen umdrehte, trat die Angesprochene mit eiligen Schritten den Weg Richtung Tür des Schlafsaals an. „Es war mir eine Freude dich kennenzulernen, Camilla!" Nach diesem Satz war sie auch schon aus der Tür verschwunden und sowohl ich, als auch Thekla und Layana begannen zu lachen. „Sie würde sicherlich noch ihren eigenen Kopf vergessen, wenn er nicht angewachsen wäre." Gab Layana von sich, ehe sie sich mir zuwandte.
„Das war bestimmt alles etwas viel für einen einzigen Tag. Man wird es dir mit Sicherheit verzeihen, wenn du dich die nächsten Stunden noch ein wenig ausruhst." Thekla nickte daraufhin zustimmend und ich konnte ihr empfundenes Mitgefühl regelrecht in ihren Augen erkennen. „Die untere Etage steht den Bediensteten zur Verfügung. Nimm dir so viel Zeit wie du brauchst und sieh dich in Ruhe um." „Ich danke euch von Herzen. Nicht nur für dieses fabelhafte Kleid." Erwiderte ich mit einem wahrhaft ehrlich gemeinten Lächeln. Wären diese drei jungen Frauen nicht hier, würde es mir wohl deutlich schwerer fallen, auch nur einen einzigen Tag hier zu verbringen,
Nach diesen Worte wandte auch ich mich zur Tür. Doch genau in dem Moment als ich die Türklinke dieser erfasste, widmete mir Layana noch einmal ihre Worte. „Sollte dir jemand zu nahe treten, jagen wir ihn mit Messer und Gabel bis in die Hölle." Das Grinsen auf ihren Lippen war bemerkbar, ohne dass ich dabei in ihre Richtung blicken musste. Ich schloss die Tür mit einem amüsierten Schmunzeln auf den Lippen hinter mir, wodurch das erneut aufgekommene Lachen in dem Raum augenblicklich verstummte. Im nächsten Augenblick stoppte ich bereits wieder, da mir der Weg zur Eingangshalle nur noch flüchtig in Erinnerung lag. Ich beschloss, mich auf meinen Instinkt zu verlassen, mit der Erwartung, dadurch schon irgendwie zu meinem Ziel zu gelangen.
Ich kam an den selben Türen vorbei, die mir bereits auf dem Weg in Richtung Schlafsaal begegnet waren und ich wusste, dass ich bisher auf dem richtigen Weg sein musste. Obwohl so gut wie jede Tür all den anderen glich. Ich hatte Glück. Mein Unterbewusstsein schien sich noch bruchstückhaft an die verwinkelten Gänge zu erinnern, in denen ich zuvor herumgewandert war. Alles um mich herum war still, als ich die Eingangshalle betrat und mir direkt die große Flügeltür in die Augen stach, welche mich von der Welt außerhalb abschnitt. Ich wandte dieser jedoch den Rücken zu, wodurch mein Blick auf die breite Treppe fiel, die den Aufgang in die oberen Etagen ermöglichte.
Ich zögerte. Meine Neugier war groß, das spürte ich in jeder einzelnen Faser meines Körpers. Phileas musste irgendwo dort oben sein und ich vermutete stark, dass auch sein Bruder nicht weit entfernt war. Ich entschied mich jedoch dagegen, meiner Neugier nachzugehen und trat stattdessen in die Richtung, die auf die andere Seite des großen Gebäudes führte. Bis zum jetzigen Zeitpunkt war mir noch immer nicht bewusst, in wessen Gegenwart ich mich hier befand. Sie mussten Adelige sein. Ein anderer Gedanke hatte diesbezüglich keinen Platz in meinem Kopf. Ich verließ daraufhin wieder die Eingangshalle und lief mit langsamen, aufmerksamen Schritten die Gänge entlang die sich vor mir erstreckten.
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Die Zofe
Ficção AdolescenteIn einer Welt einige Jahre vor unserer Zeit, im alten Mittelalter, kämpft ein Mädchen gegen ihr Schicksal. Dazu bestimmt, den Rest Ihres Lebens gemeinsam mit ihrer Mutter auf dem Land zu verbringen und von dem wenigen Geld zu leben, welches sie auf...