Morgendlicher Nebel

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P.o.V. Kiyan

Meine Aufmerksamkeit richtete sich auf die Tür, als Geräusche von außerhalb zu mir hineindrangen. Ich hatte die halbe Nacht wachgelegen, wie schon so oft in den vergangenen Jahren. Bereits vor einer Weile hätte ich im Speisesaal erscheinen müssen, doch an diesem Tag war mir nicht danach. Vater würde sicherlich nach dem Frühstück zu mir hinauf kommen und mich für mein Verhalten tadeln. Wenn ich Glück hatte, würde er lediglich eine der Zofen nach mir schicken, das wäre mir deutlich angenehmer. Die aufkommenden Geräusche vor der Tür lenkten mich allerdings von diesen Gedanken ab.

Mein Blick wanderte zu den noch immer mit Vorhängen abgedeckten Fenstern, die nur winzige Strahlen der Sonne in diesen Raum fielen ließen. Gerade so viel, dass ich die groben Umrisse der Sessel und Schränke erkennen konnte. Es war nicht ungewöhnlich, dass die Bediensteten bereits um diese Zeit im Schloss umherirrten und ihrer Arbeit nachgingen. Dennoch waren diese Geräusche ein wenig ungewöhnlich. Ein Klopfen an der Tür riss meine Aufmerksamkeit wieder auf diese und ich zuckte sogar ein wenig vor Schreck zusammen. Nach meiner anfänglichen Erwartung, musste es wohl Vater sein.

„Herein!" gab ich mit einer noch etwas kratzigen Stimme von mir und erhob mich im selben Moment aus dem Bett, in dem ich die halbe Nacht schlaflos verbracht und an die Decke gestarrt hatte. Mental bereitete ich mich bereits auf die durchdringende Stimme meines Vaters vor, wie er mir erklären würde, dass mein Verhalten nicht akzeptabel war. Während ich mir allerdings eines der herumliegenden Hemden überzog – ich hatte seit einer Ewigkeit nicht aufgeräumt, Bediensteten war das Betreten dieses Raumes nur nach Aufforderung gestattet – öffnete sich die Tür meines Schlafgemachs und Schritte waren zu hören.

Ich schloss die oberen Knöpfe des Hemdes, ehe ich mich schließlich der nun geöffneten Tür zuwandte und anstatt, wie anfangs angenommen, meinen Vater dort zu sehen, Camilla entdeckte, die ihren Blick gesenkt hielt und sich keinen Zentimeter weiter zu bewegen schien. Nicht nur ihr Auftauchen um diese Zeit irritierte mich, auch ihr Verhalten schien nicht gänzlich mit ihrer Art übereinzustimmen. Ich trat ein paar Schritte näher zu ihr, sie schien allerdings vermeiden zu wollen, mich anzusehen. „Gibt es ein Problem, Camilla? Hat Vater nach mir gesandt?"

Meiner Ansicht nach, keine schwierige Frage. Es musste schließlich einen Grund dafür geben, warum sie hier auftauchte. Dass Vater mich sehen wollte, war eine sinnvolle Vermutung. Noch immer hob sie ihren Blick nicht an. „Sie werden im Zimmer Ihrer Mutter erwartet, eure Hoheit." Sie sprach leise, doch das war es nicht, was mir in diesem Moment ein wenig Sorgen bereitete. Es war die Art und Weise, wie sie mit mir sprach. Vor einer Weile hatte ich ihr gestattet, den Titel 'eure Hoheit' in meiner Gegenwart nicht mehr nennen zu müssen. Phileas hatte mir dazu geraten und sie schien sich damit sichtlich wohler zu fühlen. Warum hatte sie nun wieder damit begonnen?

Ich runzelte die Stirn und trat noch ein Stück näher an sie heran. Irgendetwas stimmte nicht. „Camilla? Sieh mich an.. ist etwas passiert?" Doch auch darauf folgte keine Reaktion. Sie verschränkte lediglich die Hände hinter ihrem Rücken und hielt ihren Blick weiterhin gesenkt. So kannte ich es von den anderen Bediensteten, wenn ein Teil der Königsfamilie mit ihnen sprach. Es sollte Demut ausdrücken. Ein Zeichen von Respekt. Bei Camilla verunsicherte mich dieses Verhalten allerdings. Langsam beschlichen mich Zweifel an meiner Vermutung, dass Vater sie geschickt haben musste. Bevor ich zu meiner Mutter gehen würde, musste ich herausfinden, was mit ihr los war. Mutter würde mir die Verspätung sicherlich verzeihen. Also legte ich eine Hand an Camilla's Kinn und hob ihren Kopf dadurch ein wenig an. Mit der anderen Hand strich ich ihr die Haare aus dem Gesicht. Nun war es ihr nicht mehr möglich, meinem Blick auszuweichen und für einen Sekundenbruchteil kreuzten sich ihre blauen Augen mit dem Grau der Meinen. Bereits im nächsten Moment verstand ich allerdings, warum sie mich nicht hatte ansehen wollen. Warum sie ihr Gesicht vor mir verbergen wollte.

Die ZofeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt