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Hobi (*aufgeregt*)

Ich sitze auf der Couch und starre vor mich hin. Joonie hat seinen Kopf auf meine Schulter gelegt und spielt nun sanft mit meinen Fingern. Mein Herz fühlt sich an, als hätte mir jemand zwanzig Dartpfeile hineingeworfen und war kurz vorm Splittern. Zum Glück hatte ich die Nachricht durch..wie soll ich sie nennen..Mom und Dad..bekommen und nicht von meinen leiblichen Eltern. Sonst stände ich jetzt vielleicht auf einer Brücke. Aber dadurch, dass diese wundervollen Menschen mich aufgefangen haben, sitze ich hier mit meinem besten Freund und habe mich fürs erste beruhigt. Eomma ist irgendwann aufgestanden und hat sich wieder an den Esstisch gesetzt, Appa fährt gerade meine Sachen holen. Ich hoffe für diese Säcke, dass sie alles eingepackt haben, sonst fahr ich zu ihnen und schlag sie zusammen. Namjoon hebt den Kopf und streicht mir mit dem Zeigefinger sanft über die Wange. Ich lockere die Fäuste wieder, die ich unbewusst angespannt habe, und sehe ihn an. „Sollen wir trainieren? Dann kannst du alles raus lassen", schlägt er leise vor und ich nicke. Dann stehen wir auf, verabschieden uns und verschwinden. Die Straße runter, rechts, Treppe hoch, rechts, geradeaus, links und wir sind da. Namjoon hält mir die Tür auf und wir betreten die Sporthalle. Ein paar Jungs und Mädchen kommen grölend auf uns zu gerannt und werfen uns fast um. Ich entdecke Jimin, den nach außen schüchtern wirkenden Zwerg aus der Neunten, und als er mich ebenfalls entdeckt, grinst er breit. „Leute, lasst die Mädels doch mal atmen!", ruft er bossy und sofort lassen die anderen von uns ab. „Immer noch das Kommando, Kleiner?", fragt Joonie und schnippst ihm leicht gegen die Stirn. „Immer", grinst der zurück und bergrüßt ihn. „Dann zieht euch mal um, wir sehen uns nachher. Viel Spaß beim Aggressionen loswerden", wünscht er uns und dreht sich dann um. Ich lache leicht und Joonie sieht mich erfreut an. „Hey, du kannst ja schon wieder lachen. Na komm, gehen wir uns umziehen." Ich nicke und gehe in die Umkleide. Dort stehen, an der Wand aufgereiht, locker fünfzig Spinde, Joonie und meinen erkennt man an den Namensschildern und den Stickern, die wir aufgeklebt haben. Zudem habe ich auf meiner Büchse Farbe wahllos verteilt. Ich ziehe meinen Schlüssel raus und öffne meinen Spind. Sofort hüllt mich der Duft nach Gummi und Deo ein, das ich wohl gründlich verteilt habe, bevor ich das letzte Mal gegangen bin. Etwas grinsend ziehe ich ein Shirt und eine kurze Sporthose heraus, ziehe meinen Hoodie aus und die Sachen an. Die Sportschuhe sind mir zu klein, also leihe ich mir welche. Dann sehe ich zu Namjoon, der ebenfalls in kurzer Sporthose und weißem T-Shirt unterwegs ist. Ich nicke, er nickt und zusammen verlassen wir die Umkleide.

Kaum betreten wir die Halle, springt Eunji uns an und quietscht glücklich. Ich lache auf und umarme sie fest. Eunji kann nicht sprechen, ihr Kehlkopf ist nicht vollständig ausgebildet, weswegen sie immer Geräusche macht, um auszudrücken, wie sie sich fühlt. Mit ihr ist es immer angenehm, sie hört einem zu, bis man fertig ist und danach nimmt sie dich in den Arm. Als Joonie und ich hier noch öfter waren, kam sie immer sofort zu uns und wir laberten sie voll. Sie strahlte dann immer und obwohl sie unglaublich nett ist, hatte sie außer uns keinen richtigen Anschluss in der J-Gang gefunden. Warum wir uns so nennen? Weil Jimin unser Anführer ist. Ich weiß nicht, ob die Verrückten immer noch so heißen, wäre aber mal lustig, zu fragen.
Naja, jedenfalls, waren Namjoon und ich mit dreizehn, vierzehn fast jeden Tag inoffiziell hier. Da dieses Treffen und diese Halle gut versteckt und von Anfang an geheim ist, mussten wir gute Ausreden erfinden, warum wir schon wieder den ganzen Tag weg waren. Heimlich haben wir uns dann oft mit vierzig Leuten hier getroffen, geboxt, schaugekämpft, trainiert oder gefeiert. In einem abgegrenzten Sofabereich konnte man  Musik hören und ein bisschen was trinken, allerdings nur geduscht. Ich muss schon sagen, Jimin hat den ganzen Laden hier echt gut organisiert. Natürlich nicht alleine, aber niemand weiß, wer ihm dabei geholfen hat. Zum einen war die Frage, woher er das Geld hatte, so eine Anlage zu kaufen und auszubauen, die andere Frage war, wer ihm beim Strukturieren geholfen hat. Für einen zur Entstehungszeit elfjährigen Nerd ist das hier nämlich sehr heftig.

Joonie zieht mich zu den Boxsäcken und Eunji quietscht überrascht, ich lächle zaghaft und ziehe mir die Handschuhe an. „Lass alles raus, Hobi. Schäm dich für keinen Schrei, hörst du?", schärft Joonie mit unser Motto ein und ich nicke ihm dankbar zu. Er ist so toll, ich liebe ihn.
Er und Eunji gehen zum Ring und lassen mich alleine. Ich stehe einige Minuten mit gesenktem Kopf vor dem Boxsack und atme durch. Konzentriert versuche ich, mir die Szene im Wohnzimmer zurück zu rufen, um die ganzen Emotionen nicht zu schlucken, sondern sie an diesem beschissenen Boxsack auszulassen. Mit eiskaltem Blick sehe ich das rote Teil an und stelle mir vor, wie es das arschkalte und gleichgültige Gesicht meines Vaters ist, als ich mir den Arm gebrochen hatte und er sich einen Scheiß gekümmert hat. Dann hebe ich die Fäuste.

𝕊𝕔𝕙𝕠𝕠𝕝 𝕃𝕦𝕧 ~ 𝔽𝕚𝕣𝕤𝕥 𝕃𝕦𝕧 ⁿᵃᵐʲⁱⁿ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt