Namjoon
„Jin?", rufe ich zaghaft nach ihm und gehe langsam hinein. Leise schließe ich die Haustüre und schleiche anschließend ins Wohnzimmer. Kein Jin, nur zerwühlte Decken und die Fernbedienung. Auf dem Tisch liegen leere Chips- und Gummibärchenpackungen, garniert mit Getränkedosen und zerknüllten Zetteln. Ich drehe mich langsam um mich selbst und sehe mich suchend um. „Wo ist er nur?", murmle ich zu mir selber und gehe leise auf die nächstbeste Tür zu. Badezimmer. Schnell wieder zu. Gut, dann kann es ja nur noch die letzte Tür sein. Nervös drücke ich die Klinke runter und öffne die Tür einen Spalt. Bingo.
Mir schießt das Blut in die Wangen, als ich ihn sehe. Er liegt, mit dem Gesicht zur Tür, in seinem Bett und schläft friedlich. Auf seiner Schläfe liegt ein Kühlkissen und seine lachsfarbene Decke liegt nur halb auf seinem nackten Oberkörper. Nackter Oberkörper- Ach du scheiße. Schnell schließe ich die Tür wieder, lehne mich gegenüber an die Wand und atme durch. Nervös lege ich mir meine Hände an die heißen Wangen und versuche, sie irgendwie runterzukühlen. „Wehe, du kommst jetzt raus", warne ich Jin leise und husche wieder zur Küche. Meine Schuhe quietschen auf den marmorierten Fliesen, also lasse ich sie an der Haustür stehen. Meine Jacke lasse ich an.
Ich hole mir ein Glas Wasser und setze mich dann auf die Couch. Ganz ans Fußende, nur auf die Kante. Nach drei Minuten, die sich wie mindestens zwanzig anfühlen, angle ich umsichtig nach der Fernbedienung, ständig mit dem Gedanken, dass ich mich gut benehmen muss, weil das nicht meine Wohnung ist. Als ich sie erwische, schalte ich den Flachbild an und „Wish you", mein absoluter Lieblingsfilm auf Netflix ploppt auf. „Was zum Teufel-" Überrascht starre ich auf den Bildschirm. „Wieso? Kann ich den keine BLs anschauen?" Ich zucke heftig zusammen, als Jin ins Wohnzimmer kommt. Sein Oberkörper ist immer noch frei. „Zieh dir was an", fordere ich ihn auf und merke in der gleichen Sekunde, wie harsch das klang. „Sorry, ich meine-" Er grinst. „Kein Ding. Ja, Chef." Ich werde rot und er dreht sich grinsend um und holt sich hoffentlich ein T-Shirt.
Zehn Sekunden später kommt er wieder und lässt sich auf sein Sofa fallen. Lächelnd schaltet er den Fernseher wieder aus und dreht sich dann zu mir. „Also, du hast meine Frage noch nicht beantwortet." Ich bekomme kurz Panik, meint er jetzt die Frage von letztem Mal oder die, die er gerade eben gestellt hat? „Warum kann ich keine BLs anschauen?", wiederholt er zum Glück und ich entspanne mich etwas. „Kannst du natürlich machen, ich hätte nur ehrlich gesagt nicht erwartet, meinen Lieblingsfilm auf deinem Fernseher zu sehen", murmle ich verlegen. „Huh, dein Lieblingsfilm?", fragt er überrascht und ich nicke unsicher. Dann fange ich an, wieder an meinem Nagel herumzuknibbeln. „Wow, das überrascht mich jetzt. Passt aber zu meiner Theorie mit den Persönlichkeiten." Sofort verkrampfe ich mich und hoffe einfach, dass er unser letztes Treffen vergessen hat. „Du bist komplett anders, als du dich gibst. Aber manchmal frage ich mich, wer bist du bei mir? Oder wer versuchst du, bei mir zu sein?" Shibal, das ist ja noch schlimmer! Erneut schießt mir das Blut ins Gesicht. Wie kann der eigene Körper so gegen dich sein!? „Schau sogar dein Körper sagt dir, dass du es ihm sagen sollst!", stelle ich mir Hobi vor. Ich fahre mir durch die Haare und sehe ihn unsicher an. „H-hör auf", flüstere ich. Tatsächlich finde ich das mega gruselig, wie er mich beobachtet und analysiert. „Mit was denn? Dich zu beobachten? Zu versuchen, Muster in deinem Verhalten zu erkennen?", triezt er mich weiter und lächelt mich an, mit einer Mischung aus Sanftheit und purer Frechheit. Ich fahre mir erneut durch die Haare und wippe unsicher mit dem Fuß. „Okay, okay, tut mir leid, ich wollte dich nicht verunsichern", zieht er endlich zurück und ich seufze erleichtert. „Aber ich finde, du bist eine wirklich interessante Person. Du- okay ich hör auf", weist er sich lachend selbst zurecht, als ich ihn mit einem warnenden Blick ansehe. „Hast du noch Zeit oder musst du weg?" Ich schüttle leicht den Kopf. „Meine Eltern wissen, dass ich in so circa zwei Stunden komme." „Nice, dann zieh doch deine Jacke aus, ich häng sie auf", sagt er und steht auf, schwankt aber ziemlich. „Nix da", wehre ich ab und lege meine Jacke im Gang auf meine Schuhe. Dann setze ich mich zehn Zentimeter näher zu Jin. Er verdreht die Augen, nimmt mich am Oberarm und zieht mich näher zu sich. Erschrocken keuche ich auf, als unsere Oberkörper aneinander knallen und ich plötzlich fast auf ihm liege. Mein Gesicht fühlt sich zum dritten Mal heute an, wie eine Herdplatte und ich schwöre, wenn jetzt jemand ein Ei über meinem Kopf aufschlagen würde, nh, es würde gebraten werden.
Zaghaft bringe ich wieder etwas Abstand zwischen uns und lehne mich an der Lehne an. Denn dazu ist sie auch da. Und nicht, um den Arm drauf zu legen, Jin.
Apropos Jin, der hat sich inzwischen ebenfalls normal angelehnt. Mit dem Unterschied, dass, wie gesagt, sein Arm auf der Lehne liegt und damit fast um meine Schultern. Ich lege hoffentlich unauffällig meine Hände in meinen Schoß, um die Beule zu vertuschen. Oh Gott, bitte, schau mich nicht an, du wundervollster aller Menschen, bete ich still und kneife kurz die Augen zusammen.
„Was wollen wir machen?", fragt Jin und sieht mich von der Seite an. Ich drehe meinen Kopf zu ihm und zucke mit einer Schulter. „Wie du magst." „Oke, dann lass einfach reden.." „Wenn du nicht wieder von deinen Beobachtungen erzählst." Er muss lachen und ich sauge jeden Ton in mir auf. Mein Herz springt gegen meine Brust und ich muss mich beherrschen, nicht zu quieken. „Versprochen." „Gut...Wie gehts dir?", beginne ich mit Smalltalk und sehe wieder geradeaus. „Gut und dir?", fragt er zurück und verzieht leicht das Gesicht. „Hm, irgendwie nehm ich dir das nicht ab.." „Können wir uns nicht irgendwie anders hinsetzen?", murmelt er und ich sehe ihn überrascht an. „Es ist antsrengend, die ganze Zeit den Arm da oben zu haben." Ich muss leicht lächeln und tauche unter seinem Arm weg, als er diesen zu sich zieht. Jin lehnt sich in die Ecke und klopft neben sich auf das Eckstück. Ich zögere lange, doch schließlich krabble ich vorsichtig zu ihm und setze mich mit rasendem Herzen direkt neben ihn. Kein Scheiß, so nah waren wir uns noch nie. Er lächelt und legt seinen Kopf auf meine Schulter. Schicksal, was machst du mit mir!? „Ist doch nicht so schwer, oder?", murmelt er leise und ich höre, das er zufrieden lächelt. Ich zögere erneut, diesmal aber nur kurz. Dann drücke ich ihn sanft etwas nach vorne, um einen Arm um ihn zu legen. Er lacht leise. „Nun tauen wir langsam auf, hm?" Schon wieder wird mir warm und ich verfluche meinen Körper. „Also, wie gehts dir?", wiederholt er seine Frage. „Ganz okay, zuhause ist gerade viel los", antworte ich und er nickt leicht. „Magst du mir davon erzählen?" „Gerade nicht", kommt es aus mir und ich wundere mich selber. Scheint wirklich so, als würde ich bei Jin langsam auftauen. Trotzdem werde ich ihn nie so behandeln können, wir zum Beispiel Tae. Dafür liebe ich ihn einfach zu sehr.
„Hier, der ist für dich, Namjoon", sagt Jin plötzlich und richtet sich auf. Er greift nach etwas flachem auf dem Tisch und hält mir anschließend einen beigen Briefumschlag mit meinem Namen darauf hin. „Du darfst ihn erst aufmachen, wenn ich es dir explizit sage, okay? Versprochen?", bittet er mich und hält mir den kleinen Finger für pinky Promise hin. Überrascht und etwas verunsichert hake ich meinen kleinen Finger in seinen. Er lächelt leicht und umarmt mich dann kurz. Manchmal hasse ich ihn. Wieso muss ausgerechnet er meinen Körper immer so zum Glühen bringen!?
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𝕊𝕔𝕙𝕠𝕠𝕝 𝕃𝕦𝕧 ~ 𝔽𝕚𝕣𝕤𝕥 𝕃𝕦𝕧 ⁿᵃᵐʲⁱⁿ
FanfictionNamjoon, ein eher zurückhaltender Junge aus einer chaotischen Familie, ist seit zwei Jahren in den bekannten Seokjin aus seiner Stufe verliebt. Aber erst, als sie in eine Klasse kommen, bietet sich ihnen die Möglichkeit, einander kennenzulernen und...