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Namjoonie

Wir sitzen zusammen am Esstisch, Eomma hat Reis mit Bohnen gemacht, das „Wir müssen etwas besprechen"-Essen. Das weiß auch Appa, denn er wirft uns ständig komische Blicke zu. Es geht um mein Outing. Eomma hat gesagt, es wäre gut, wenn ich es Dad auch erzähle. Natürlich sei das meine Entscheidung, aber es wäre besser für das Familienklima. Also erzähle ich es ihm. Einmal war ich sowieso schon kurz davor, hab es dann aber doch gelassen.
Hier sitze ich jetzt also, ein blankes Nervenbündel, und stochere in meinem Reis herum. „Okay, was ist los?", fragt Appa irgendwann und legt seine Stäbchen zur Seite. Hobi hält mir unter dem Tisch sein Hand hin, die ich nehme und fest drücke. „Naja...Appa...ich bin eventuell verliebt..?", sage ich zögerlich und mit vor Aufregung und Nervosität zitternder Stimme. „Echt? Wie cool!", ruft er laut und strahlt mich begeistert an. Ich muss fest schlucken, bevor ich weiter spreche. „Naja...er heißt Jin." Seine Mundwinkel sacken überrascht nach unten. Sofort drückt Hobi aufbauend meine Hand. „O-okay, das kam jetzt sehr unerwartet", sagt Appa leise und sieht mich an. In meinem Kopf explodieren die wildesten Ideen: Er will keinen schwulen Sohn und verstößt mich, er schickt mich in eine geschlossene Psychiatrie oder in ein Kloster, damit ich meine Besinnung wiederfinde und wenn er das doch nicht macht, wird er mich ekelhaft finden, nicht mehr mit mir sprechen und- Hobi, der meine aufsteigende Panik bemerkt, streicht mir sanft über den Handrücken. Ich schließe kurz due Augen und atme durch. Er verschränkt unsere Hände und hört nicht auf, leicht über meine Haut zu fahren. Okay, bleib einfach ruhig und warte ab, was als Nächstes passiert, Namjoon. Als ich meine Augen wieder öffne, hat Appa sein Gesicht wieder unter Kontrolle. Leise räuspert er sich und legt die Hände aneinander. Oh nein. „Joonie, ich bin mir gerade nicht sicher, wie ich reagieren soll", sagt er ernst und sieht mich an. Ich schlucke unsicher und sehe zu Eomma, die mir auffordernd zunickt. „Naja...vielleicht kannst du es einfach...abnicken?" „Hm, das finde ich nicht so gut. Immer hin ist das eine große Sache, oder?", fragt er und legt den Kopf schief. „Ja, das ist es", bestätige ich nervös und wische meine freie Hand an meiner Hose ab. „Dann würde ich gerne so reagieren, wie es für dich angenehm ist." Stille. Irgendwann zucke ich zögerlich mit einer Schulter. „Ich weiß nicht", gebe ich zögerlich zu. Kurz herrscht wieder Schweigen, dann steht Appa auf und umarmt mich. „Ich hab dich lieb, mein Sohn. Genauso, wie du bist." Jetzt hat er's geschafft. Meine Augen laufen über und ich kralle mich in sein Shirt. Drücke mein Gesicht an seine Schulter und genieße das Gefühl von Geborgenheit mit seinen kräftigen Armen um meine Schultern. „Danke", bringe ich erstickt heraus und Appa lacht sanft. Plötzlich legen sich weitere zwei Paar starker Arme um uns. Hobi und Eomma. Und auch Minnies kleine Ärmchen liegen um unsere Beine. „Ich hab euch so lieb", murmle ich, unter Tränen und trotzdem lachend. „Wir dich auch", schallt es vierstimmig zurück und wir alle fangen an, zu lachen.

Später sitzen wir vier großen Familienmitglieder auf dem Sofa, Hobi schreibt noch Hausaufgaben von mir ab und Appa und Eomma schauen Tennis. „Alte-Leute-Sport" nennen die Beiden das immer. „Aber eine Frage noch, Joon", wendet Appa sich plötzlich an mich. „Oder eher zwei: Bist du schwul, bi oder etwas anderes? Und wie hast du es rausgefunden?" Überrascht sehe ich ihn an. Ich wusste nicht mal, dass er den Begriff „Bi" kennt. „Schwul", antworte ich und er nickt leicht. „Und...naja irgendwann, vermutlich, nachdem Hoseok mir das erste Mal von der LGBTQ-Community erzählt hat, habe ich angefangen, nachzudenken. Hab meine ganzen Mädelsabneigungen in der Schule untersucht, Tests gemacht, Videos darüber angeschaut..naja und irgendwann hab ich dann Hobi alles erzählt. Und er meinte, das passt zusammen...", erzähle ich verlegen und Hobi grinst überlegen. „Okay, klingt sehr erwachsen", meint Appa nickend. „Danke." Dann wendet er sich wider dem  „Alte-Leute-Sport" zu. Hobi und ich werfen uns einen „Was genau war das"-Blick zu und Hobi deutet mit dem Kinn nach oben. Ich nicke und wir stehen auf. „Wir verziehen uns", gibt Hobi Bescheid und die Erwachsenen nicken. „Macht euch schon mal bettfein, wir kommen gleich nochmal hoch", sagt Eomma lächelnd und mit einem kurzen Nicken verschwinden wir.

𝕊𝕔𝕙𝕠𝕠𝕝 𝕃𝕦𝕧 ~ 𝔽𝕚𝕣𝕤𝕥 𝕃𝕦𝕧 ⁿᵃᵐʲⁱⁿ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt