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Kyungmin

„Ihr Americano." Ein junger Kellner stellt mir eine große Tasse auf den Tisch. Ich neige leicht den Kopf und lächle ihn an. „Vielen Dank." In der Vermutung, dass ich in der nächsten Stunde eher weniger zum Trinken zum kommen werden, nehme ich die randvoll mit dunkler Flüssigkeit gefüllte Tasse und trinke einen Schluck. Der frische, bittere Kaffe verbrennt mir den Rachen, doch der Schmerz rüttelt mich ein wenig auf. Nervös sehe ich auf die Uhr. Zehn vor vier. Bald tauchen meine Eltern hier auf und ich habe mir immer noch nicht überlegt, was ich eigentlich sagen möchte. Zehn Jahre sind vergangen, was sagt man da zu seinen Eltern? „Hi, ich bins, ihr kennt mich eigentlich schon gar nicht mehr aber ich bin jetzt wieder hier um euer Leben erneut auf den Kopf zu stellen"? Ich bin nicht überzeugt.
Jetzt, wo das Treffen so unmittelbar bevor steht, könnte ich allein beim Gedanken an sie heulen. In den zehn Minuten, in denen ich warte, muss ich mich sieben Mal davon abhalten, einfach wegzurennen.
Noch ein Blick auf die Uhr, noch acht Minuten. Ich beschließe mit einem Seufzen, mein Handy anzuschalten und ein Spiel zu spielen, um mich abzulenken und die Zeit zu vergessen.
Als ich wieder auf die Uhr sehe, ist es 15:58 Uhr. Die Ladenglocke bimmelt. Sie ist selbst im Alter wunderschön. Das ist das Erste, was ich denke, als ich meine Eomeoni nach zehn Jahren sehe. Ihre dunklen Haare sind von hellgrauen Strähnen durchzogen, sie ist geschrumpft und ihr Gesicht hat Furchen der Anstrengung.
Langsam und wie in Trance stehe ich auf. Als sie sich umsieht und ihr Blick schließlich an mir haften bleibt, greift sie haltsuchend nach dem Arm ihres Mannes. Mein Abeoji. Unauffällig stütze ich mich mit einer Hand am Sessel ab. Ich möchte nicht, dass sie bemerken, wie sehr auch mir es zusetzt, die beiden zu sehen.
Erst stehen wir eine gefühlte Ewigkeit da und starren uns an. Dann mache ich einen winzigen Schritt auf die beiden zu. Eommeoni versteht und läuft zu mir, breitet ihre Arme aus und bremst vor mir ab. Unsicher sieht sie mich an, doch als ich ebenfalls vorsichtig die Arme öffne, wirft sie sich hinein. Meine Eomma. Hier ist sie. Nach zehn Jahren halte ich sie endlich wieder in den Armen. Die Maske fällt. Ich bin wieder ihre Tochter.

Dohyung
Kyungmin ist hier, sie ist wirklich hier. Mit diesem Satz versuche ich immer wieder, mich in die Gegenwart zu holen. Meine Tochter ist gewachsen. Ihre dunkelbraunen Haare sind von blonden Strähnen durchzogen, ihre Augen sind tiefbraun und glitzern. Abgesehen von ihrer Mutter ist sie die schönste Frau der Welt.
„Kyungminie", flüstere ich. So lange konnte ich den Namen nicht aussprechen. Zu viel Schuld kam mit ihm. Als meine Tochter ging, war ich Alkoholiker. Ich war kein Vater für sie, ich war der Albtraum von einem Erzeuger. Ich war unfähig, auf meine Familie zu achten, doch um diese Schul abzuschütteln, benutzte ich Alkohol. Damit schloss sich der Teufelskreis. Aber ihr Auszug machte mir klar, was ich da tat, doch es war bereits zu spät, um sie zurückzuholen.
„Abeoji." Wunderschöne Rehaugen richten sich auf mich und ich blinzle schnell, um die Tränen zu verdrängen. „Darf ich meine Tochter in den Arm nehmen?", frage ich mit zitternder Stimme. Kyungmin schluchzt und nickt schnell. Ich gehe auf sie zu und lege vorsichtig meine Arme um sie. „Appa", schluchzt sie und ich spüre, wie sie ihr Gesicht an meiner Schulter vergräbt. „Es- es tut mir so unfassbar leid, Kyungminie. Ich bin so ein schrecklicher Vater gewesen, ich habe meine Familie nicht beschützt, ich habe DICH nicht beschützt. Ich war so unfassbar blind und es tut mir so unglaublich leid", sage ich mit brüchiger Stimme. Der zierliche Körper in meinen Armen bebt vor unterdrückten Tränen. „Aber wer bin ich, meine Tochter um Vergebung zu bitten, wenn ich sie doch zehn Jahre und länger im Stich gelassen habe.." Ich löse mich von ihr und sehe sie an. Mit verlaufener Schminke sieht sie zu mir hoch. „Appa, hör auf..bitte." Mit versagender Stimme fährt sie fort: „Ich habe mich einfach aus dem Staub gemacht ohne euch irgendeinen Anhaltspunkt zu hinterlassen. Die letzten Jahre hatte niemand die Möglichkeit, mich zu finden." Yon räuspert sich leise. „Das stimmt nicht ganz." Ihre Wangen sind gerötet und nass und weitere Tränen laufen unentwegt über ihr Gesicht. „Ich habe dich vor drei Jahr nach langer Recherche über das Einwohnermeldeamt in verschiedenen Städten gesucht. In Incheon bin ich dann fündig geworden." Überrascht lässt Kyungmin den Blick zu ihrer Mutter wandern. „Wollen wir uns erst einmal setzen?", schlage ich vor und beide nicken. Kyungmin lässt sich auf den Sessel fallen, von dem sie eben aufgestanden ist und Yon und ich setzen uns ihr gegenüber. „Was willst du damit sagen, du hast mich gefunden?", greift meine Erstgeborene das Thema wieder auf und meine Frau beißt sich auf die Lippe. „Ich habe lange dafür gebraucht. Nachdem du weg warst, musste ich mich eine Zeit lang alleine um Namjoon und auch Hoseok kümmern, da dein Vater direkt nach deinem Auszug für drei Jahre in eine Klinik ging. Namjoon war fix und fertig, er hat, glaube ich, am Meisten gelitten." Kyungmin schließt kurz die Augen. „Also brauchte er viel Aufmerksamkeit und Zeit. Zeit, die ich ihm aber nicht geben konnte. Ich musste ja nach wie vor Vollzeit arbeiten. Er hat viel gelernt, ist ein schlauer Junge geworden. Aber er hat sich jahrelang von Instantnudeln zum Mittag ernährt, mit der Küche ist er nie ein wirklicher Freund geworden." Kyungmin lacht kurz auf, doch es klingt traurig. Auch Yon muss etwas lächeln. „Nachdem dein Vater zurückkam, war er wie ausgewechselt. Er fing in einem neuen Job an und half mir abends im Haushalt." Ich sehe beschämt zu Boden. Das alles hätte von Anfang an so laufen sollen. „Also hatte ich mehr Zeit. Da begann ich meine Suche. Vier Jahre lang habe ich versucht, an Informationen über dich zu gelangen. Habe Leute in der Stadtverwaltung bestochen, bin auf unseren Reisen in die anderen Städte mit deinem Bild herumgelaufen und habe Menschen gefragt, ob sie dich kennen. Aber nirgends war Hoffnung." Yon muss schlucken und sieht zur Seite. Also übernehme ich. „Deine Mutter hat die Suche nach dir zu ihrer Arbeit gemacht. Man könnte meinen, es sollte nicht so schwer sein, seine eigene Tochter zu finden. Aber keine Polizeistation wollte eine Vermisstensuche starten, schließlich warst du volljährig. Wir hatten keine Möglichkeit." „Aber wie habt ihr es dann geschafft?", fragt Kyungmin verwirrt. Yon lächelt ein wenig als sie sagt: „Du liebst lernen und servieren. Von meiner Zeit als Oberschülerin habe ich gute Lehrer- und Mitschülerkontakte. Kim Junhyo, ein ehemaliger Klassenkamerad, war dein Lehrer an der Oberschule im letzten Jahr. Und das Café in dem du davor gearbeitet hast, gehört der Enkelin meiner Lehrerin aus der Highschool." Kyungmin schnappt nach Luft. Ein paar Sekunden lang herrscht Schweigen. „Warum hast du mich nicht kontaktiert?" Mein wunderbare Frau fängt leise an, zu weinen. „Ich hatte Angst, mein Schatz. Dass ich dich wieder verscheuche und du dann nach Europa gehst, wo ich dich erst recht nicht mehr finde. Ich war ein paar Mal in Incheon aber nie zur richtigen Zeit am richtigen Ort." „Ich dachte, es wäre euch egal..", flüstert Kyungmin und sieht bekümmert zu Boden. „Das hätte gar nicht passieren können. Du bist unsere Tochter. Unsere Kyungmin. Egal, wo hin du gehst, wie lange du weg bist oder was du machst, du wirst unsere Tochter bleiben."

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Hallo meine fleißigen Leser*innen,
Hier ENDLICH ein neues Kapitel, es tut mir echt leid, dass jetzt so ewig nichts kam T-T
Ich versuche, in den nächsten Tagen die anderen vorgeschriebenen Kapitel endlich auch hochzuladen und dann schreibe ich das Ende xD
Danke, dass ihr immer noch mit dabei seid :))
Tazerface ^^

𝕊𝕔𝕙𝕠𝕠𝕝 𝕃𝕦𝕧 ~ 𝔽𝕚𝕣𝕤𝕥 𝕃𝕦𝕧 ⁿᵃᵐʲⁱⁿ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt