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Jin

Seit einer Stunde sitze ich nun in dem Café in Incheon, in dem ich auf Namjoons Schwester warte. Laut verschiedenster Quellen (also hauptsächlich das Telefonbuch und Yon) arbeitet Kim Kyungmin in diesem Café, Montag bis Freitag von acht Uhr bis dreizehn dreißig. Es ist Mittwoch, halb neun. Heute ist Namjoons Geburtstag. Ich hab mich von der Schule krankmelden lassen und hoffe inständig, dass er mich nicht dafür hasst, dass ich an seinem Geburtstag nicht da bin. Immer, wenn ich daran denke, muss ich mich daran erinnern, dass ich versuche seinen Geburtstag dieses Jahr unvergesslich zu machen und ihm seine Schwester zurückzubringen.
In Gedanken versunken verpasse ich beinahe, wie die Tür sich öffnet und eine junge Frau das Café betritt. Sie sieht dem Bild auf meinem Handy, das ich von Frau Kim bekommen habe, sehr ähnlich. Nur, dass die Kyungmin auf dem Display sieben Jahre jünger ist. Die reale Kyungmin begrüßt die Barista und verschwindet dann durch eine unscheinbare Tür ins Hinterzimmer.
Als sie wieder auftaucht, diesmal mit weißer Bluse und kaffeebrauner Schürze, und sich zu ihrer Kollegin hinter die Kaffeemaschine stellt, stehe ich auf und laufe zur Bar.
„Guten Tag, was darf es sein?", fragt Kyungmin, ohne wirklich aufzusehen. „Kim Kyungmin?" Jetzt hebt sie den Kopf und sieht mich irritiert an. „Tut mir leid, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten", meine ich schnell und verbeuge mich respektvoll. Sie blinzelt verwirrt und legt dann den Kopf schief. „Was möchtest du?" „Ich habe mich gefragt, ob Sie Zeit für ein Gespräch hätten. Es ist wichtig." Mit abwägendem Blick mustert sie mich. Dann nickt sie. „Gut, ich bin in fünf Minuten bei dir."
Als ich zurück zum Tisch gehe, atme ich tief durch und wische meine vor Nervosität schwitzigen Hände an meiner Hose ab. Das lief doch schon mal gut. Jetzt muss ich ihr nur irgendwie beibringen, dass ich ein Freund (leider nur das) ihres Bruders bin, den sie seit sieben Jahren nicht gesehen hat. Und das am Besten, ohne sie zu schocken.

Sie setzt sich zu mir und sieht mich abwartend an. „Also?" Ich atme durch. Jetzt versau es nicht. „Mein Name ist Kim Seokjin, ich bin ein guter Freund Ihres Bruders..Namjoon." Aufmerksam sehe ich sie an, warte auf eine Reaktion. Aber ihr Gesicht wird lediglich ein wenig blasser. Also weiter. „Ich weiß nicht, ob Sie noch wissen, dass er heute Geburtstag hat. Ist an sich aber auch egal, denn er freut sich gar nicht darüber. Er erzählte mir, er tue das nicht mehr, seit Sie weggegangen sind. Ich..mag Ihren Bruder sehr und möchte, dass er glücklich ist. Können Sie mir dabei helfen und mit mir kommen? Ich plane mit ein paar Freunden eine Party am Wochenende für ihn. Sie wären unser Ehrengast."
Mit angehaltenem Atem sehe ich sie an. Ihre Augen huschen unruhig hin und her, gefüllt mit Tränen. Ich sage nichts, sitze ruhig da und warte ab. Sie wischt sich über die Wange und sieht mich dann endlich mit zitterndem Kinn an. „Seokjin, danke. Dass du..meinen Bruder..glücklich machen willst. I-ich finde es schön, zu wissen, dass er jemanden hat, der ein wenig auf ihn aufpasst. Neben Hoseok natürlich." Kyungmin lacht kurz und traurig. Dann sieht sie wieder ernst aus. „Ich weiß nicht, ob ich deinem Wunsch folgen kann, Seokjin. Ich..bin damals nicht ohne Grund weggegangen aber glaube mir, wenn ich dir sage, dass es der härteste Moment meines ganzen Lebens war- als Namjoon" -sie stockt kurz und es fällt ihr wohl schwer, den nächsten Satz zu sagen- „mich darum anflehte, ich möge doch bleiben. Und trotzdem bin ich gegangen." Traurig höre ich ihr zu. Es ist so schade, dass die Beiden getrennt wurden. Aus welchem Grund auch immer.
„Weißt du was? Ich mache heute Urlaub. Gehen wir spazieren und reden." Entschlossen steht sie auf und als sie zurückkommt, sitze ich immer noch überrascht an Ort und Stelle. Hätte nicht gedacht, dass es so „einfach" wird.
„Los, wir gehen", ordnet sie an und sieht mich abwartend an. „Es gibt viel, über das wir reden müssen."

Wir spazieren Richtung Park, durch den ich vorhin schon gelaufen bin als ich auf der Suche nach dem Café war, das Frau Kim mir beschrieben hat.
Ich warte darauf, dass Kyungmin anfängt zu sprechen, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll. „Wo fange ich an..", seufzt sie schließlich und ich muss leicht grinsen. „Am Besten: Vorne."

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Hey, übrigens: Ich weiß, dass Joonie nicht um diese Jahreszeit Geburtstag hat aber es hat einfach so gut in die Story gepasst ;)

𝕊𝕔𝕙𝕠𝕠𝕝 𝕃𝕦𝕧 ~ 𝔽𝕚𝕣𝕤𝕥 𝕃𝕦𝕧 ⁿᵃᵐʲⁱⁿ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt