44. Der Brief

193 7 0
                                    

16.06.2020

Sicht Ben
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war irgendwas anders. Ich fühlte mich nicht wie sonst. Das konnte aber auch am Wetter liegen. Es regnete in Strömen und auch Lola war immer noch nicht gut drauf. Leyla war schon im JTK und so frühstückte ich mit Lola alleine und zog ihr danach ihre Regenklamotten an. Ich nahm sie an die Hand und mit der anderen Hand ihre Tasche und ging mit ihr nach unten. Dort hatten sich schon einige Pfützen abgebildet und ich ließ Lola runter,,Möchtest du in den Pfützen rumspielen Lola? Wir haben noch etwas Zeit" meinte ich aber Lola blieb stehen. Sie guckte nach unten und war total bedröppelt und setzte sich still ins Auto. Langsam begann ich mir Sorgen zu machen und fuhr sie zum Kindergarten. Dort setzte sie sich sofort in die Ruhe Ecke,,Was ist denn mit Lola los? Sie ist doch sonst immer so fröhlich" meinte Natascha. Eine Kindergärtnerin,,Ich habe auch keine Ahnung. Sie ist seit gestern Abend so. Aber sie hat keine Symptome für eine Erkrankung aber wenn etwas sein sollte,dann rufen Sie mich bitte an" bat ich Natascha und sie nickte. Ich verließ wieder den Kindergarten und fuhr mit dem Auto ins Krankenhaus wo ich mich schnell umzog und dann zu den anderen ging. Die Besprechung hatte schon angefangen,,Entschuldigung. Lola war heute morgen ein wenig schlecht gelaunt" erklärte ich mich und hörte anschließend aufmerksam zu,,Also ich würde gerne den nächsten Schritt in Richtung Facharztprüfung machen. Das bedeutet,unsere alten Assistenzärzte werden jetzt weitestgehend alleine Operationen durchführen. Die Oberärzte oder Paula werden dann der 2. Operateur sein und euch in den Notfällen unterstützen. Außerdem haben wir für Frau Kling noch keinen Ersatz gefunden. Nächste Woche gibt es ein Vorstellungsgespräch mit mehreren Ärzten" meinte Leyla und gerade wollte Theresa etwas fragen als Professor Doktor Patzelt angerannt kam,,Sie müssen bitte ALLE SOFORT ins Ärztezimmer kommen. Das ist ein Notfall" meinte sie im Vorbeigehen und wir sahen alle Leyla an,,Ja auf. Husch husch" scheuchte sie uns ins Ärztezimmer. Dort waren schon einige Ärzte und auch Herr Berger. Doktor Moreau saß auf einem Tisch und sah so aus wie immer. Nachdenklich oder Desinteressiert. Herr Berger jedoch ging auf und ab und hatte sein Handy an den Lippen und die Arme vor der Brust verschrenkt. Als sich die Tür schloss,sahen Herr Berger und alle anderen Ärzte auf. Nervös rieb sich Herr Berger die Hände. Ihm fehlten die Worte. Das merkte man ihm deutlich an. Schlussendlich begann er doch etwas zu stottern,,Also...Es ist etwas passiert. Etwas schlimmes. Wie Sie ja alle wissen...ist Herr Ahrend sehr krank. Und die Flitterwochen sind wunderbar gewesen. Doch vor wenigen Minuten rief mich Frau Ahrend an um mir mitzuteilen,Dass...dass Herr Ahrend seinem Krebs um 2:30 Uhr Ortszeit erlegen ist. Die Todesursache war Herzversagen. Frau Ahrend ist schon mit dem Leichnam zurück unterwegs" meinte Herr Berger und wir waren alle geschockt. Ein paar Kollegen verloren sogar ein paar Tränen. Wir waren es gewohnt. Der Tod war täglich bei uns aber so nahe tat es schon weh,,Das erklärt Lolas Verhalten. Als Niklas gestorben ist,war es bei uns die Zeit wo sie angefangen hat zu weinen" begann Leyla und ich nickte,,Ich hole sie sofort von der Kita ab. Der armen geht es bestimmt alles andere als gut" meinte ich und stürmte nach draußen. Ich zog mich wieder um und fuhr zum Kindergarten und holte Lola ab. Und fuhr mit ihr nach Hause.

Sicht Leyla
Ich ließ die Assistenzärzte auf ihre Stationen und auch die Oberärzte waren schon gegangen. Nun wollte auch ich gehen aber Herr Berger hielt mich zurück,,Doktor Sherbaz,könnten Sie noch eine Weile hier bleiben?" fragte Herr Berger und ich drehte mich um,,Was kann ich für Sie tun?" fragte ich und hielt inne,,Ja was gibt es denn?" fragte ich,,Es gibt immer noch keinen Ausbilder und Karin und ich sind der Meinung,dass Sie die beste Wahl sind" sprach Herr Berger,,Aber ich kann nicht. Ich bin 4. Monat schwanger" meinte ich,,Bis Sie in Mutterschutz gehen,haben die älteren bestimmt schon ihren Facharzt und danach kann es bestimmt jemand anderes übernehmen" meinte Herr Berger und ich rang kurz mit mir selbst. Doch dann sagte ich zu. Doktor Patzelt überreichte mir einen Brief,,Ich soll Ihnen diesen Brief geben wenn Sie sich hierfür entschieden haben sollten" meinte sie und gab mir den Brief.
Ich setzte mich draußen auf eine Bank und begann zu lesen. Mittlerweile hatte der Regen aufgehört.

Meine Liebe Leyla,
Danke dass du deinen Zweifel überwunden hast. Harald hat immer gesagt,dass Geheimnis guter Lehre ist Augenhöhe und gegenseitiger Respekt. Das mit der Augenhöhe ist manchmal schwieriger als man denkt. Sie ist kein Muskel und man kann sie antrainieren oder sie fehlt. Zuviel und man wird nicht gehört. Zuwenig und man wird nicht verstanden. Dass es bei mir und Paula so gut klappt,hätte ich nie für möglich gehalten. Auf dem gegenseitigen Respekt wiederum muss man vertrauen. Wer vertrauen gibt,bekommt ihn auch. Und deshalb werden die Assistenzärzte in dir die beste Ausbilderin finden weil du die Menschen siehst. Siehst was Sie leisten,Sie bewegt und motiviert. Leyla vergiss dabei bitte nicht dich selbst. Denk daran wer du bist und was du brauchst. Hör auf dein Herz und verliere deine Familie nicht aus den Augen. Aber darin warst du schon immer besser als ich. Ich kann mir für die Betreuung unserer jungen Ärzte keinen besseren Ersatz vorstellen. Und bitte denke jetzt nicht dass ich mich darauf freue tot zu sein. Ich habe es immer nach außen verdrängt aber ich hatte wahnsinnige Angst. Ich habe immerhin auch eine wunderbare Tochter. Gerade schläft sie neben mir und ich könnte sie 24 Stunden anschauen. Lola ist mein größtes Glück und Paula die schönste Frau. Deswegen fällt es mir auch schwer zu gehen aber du bist noch da. Bitte pass auf Paula auf. Sie wird dich brauchen. Auch wenn sie es nicht zugeben will. Ich hab dich lieb.
Viel Erfolg. Ich glaub an dich
                    Dein Niklas


Diese Zeilen waren voller Emotionen. Liebe,Trauer und Angst waren in diesem Brief zu lesen und langsam fiel eine Träne auf das Blatt Papier. Es begann wieder zu donnern und zu regnen

Wer hatte heute auch wegen dem Glatteis keine Schule?

Me ☺️

In aller Freundschaft-Forever Love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt