Kapitel 75

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>>> Maarja Nuut - Kuud Kuulama <<<

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Ich erzählte Anne alles.

Alles, was mich geprägt hatte.

Dass ich als Einzelkind aufwuchs, obwohl ich das niemals wollte.

Dass ich vielleicht niemals wirklich über ihren Tod hinweg gekommen war, weil ich sie noch immer schrecklich vermisste und mir nicht verzeihen konnte, was passiert war.

Ich erzählte ihr auch von Harry und mir. Wie es für mich war, als er mich betrogen hatte.

Ich redete über Judys Verhalten und dass ich meinen Job verloren hatte, aber dennoch nicht mit Harry auf die Tour gekommen bin, weil ich mein Studium endlich durchziehen wollte.

Doch mein Studium war gerade wieder in weite Ferne gerückt.

Unter Tränen sah ich Anne an, welche ihre Arme um mich geschlungen hatte und mich festhielt.

"Meine Mum hatte Gebärmutterkrebs und jetzt... besteht der Verdacht, dass ich es auch habe"

Anne hob ihren Kopf, den sie sanft auf meinen Kopf gelegt hatte, um mich anzusehen.

"Ich habe so Angst. Ich bin doch noch jung und wollte irgendwann Kinder, aber-", ich schluckte und bekam kaum Luft, weil meine Tränen mir diese nahmen.

"Oh Ava", flüsterte Anne und zog mich wieder in eine Umarmung. Sie wiegte mich langsam in ihren Armen.

"Und was ist, wenn Harry mich deshalb-", ich sprach den Satz nicht zu Ende, weil eine weitere Welle der Traurigkeit mich überfiel und ich nach Luft schnappte, während die heißen Tränen über meine Wangen liefen.

"Pscht", macht Anne sofort, "es geht um deine Gesundheit und um nichts anderes. Ich kenne meinen Sohn und weiß, dass deine Gesundheit ihm wichtiger ist, als irgendwelche Wenns und Abers"

Ich zitterte am ganzen Körper, während ich über ihre Worte nachdachte.

"Darf ich dir eine Geschichte erzählen? Die habe ich Harry immer vorgelesen, wenn er nicht schlafen konnte. Ich denke, du musst erst einmal wieder etwas zur Ruhe kommen"

Ich nickte nur. Ich fühlte so viel Traurigkeit in mir, dass mir alles egal war. Gerade fühlte ich mich klein und zerbrechlich.

Anne richtete sich etwas auf und legte ein Kissen in ihren Schoß. Sie deutete mir an, dass ich mich darauf legen sollte. Sie deckte mich zu und strich langsam durch meine Haare, während ich in ihrem Schoß lag.

"Es waren einmal vier kleine Hasen, die hießen Flopsi, Mopsi, Wuschelpuschel und Peter. Sie wohnten mit ihrer Mutter in einer Sandgrube unter der Wurzel einer sehr großen Tanne", erzählte Anne mit sanfter Stimme und ich schloss die Augen, als sie begann, mir die Geschichte von Peter Hase zu erzählen.


Niemand von uns sagte etwas. Wir schwiegen, während Anne mir noch immer durch die Haare strich. Sie war sicherlich schon seit einer Viertelstunde fertig mit der Geschichte, doch sie schwieg.

Es war kein unangenehmes Schweigen.

Ich hing in meinen Gedanken noch bei Peter Hase.

"Ich weiß, es geht hierbei nicht um mich", begann Anne schließlich, "aber mein langjähriger Partner ist an Krebs gestorben"

Ich drehte mich um, sodass ich zu Anne hochsah.

"Leider weiß ich, wie schrecklich diese Krankheit ist. Ich kann nur mit dir hoffen, dass es sich nicht bewahrheitet oder dass du zumindest an einem Punkt bist, an dem es für dich keinen größeren Einfluss hat"

"Morgen habe ich den Termin, bei dem die Probe genommen wird", sagte ich mit kratziger Stimme. Es war einige Zeit her, dass ich gesprochen hatte, weshalb meine Stimme fremd vom Weinen klang.

"Es ist gut, dass du dich darum kümmerst", sicherte sie mir zu.

"Anne?", fragte ich und richtete mich auf.

"Ja?"

"Kannst du... Ist das in Ordnung, wenn du mitkommst? Ich habe so viel Angst und bräuchte jemanden an meiner Seite", fragte ich sie mit brüchiger Stimme.

"Natürlich", antwortete sie sofort. "Wenn du das möchtest, werde ich bei dir sein und deine Hand halten"

"Ist das komisch?", fragte ich sie, doch Anne schüttelte sofort den Kopf.

"Nein, überhaupt nicht. Das ist eine beängstigende Situation, in der du dich gerade befindest und es ist gut, wenn man jemanden an seiner Seite hat. Danke, dass du mir dabei so sehr vertraust"

Ich lächelte leicht und meine Wangen spannten.

"Danke"

Im gleichen Moment vibrierte mein Handy.

Ich griff danach und sah auf mein Display.

"Es ist Harry", informierte ich Anne. Als ich Harrys Namen nannte, erhellte sich ihr Gesicht etwas, auch wenn man ihre Sorge noch immer sehen konnte.

"Na los, geh ran und grüß ihn von mir. Ich räume in der Zwischenzeit das Geschirr in die Küche"

Ich nickte und nahm Harrys Anruf entgegen.

"Hey"

"Hey Baby. Wie geht es dir? Ist Mum schon da?", fragte er.

"Ja ist sie. Mir geht es nicht gut, aber Anne hilft mir, dass ich mich ein wenig besser fühle", antwortete ich ihm. "Und wie geht es dir?"

"Auch nicht gut. Ich habe kaum schlafen können", erzählte Harry.

"Es tut mir Leid"

"Ava... Das ist nicht deine Schuld"

Wir schwiegen einen kurzen Moment.

"Deine Mum kommt morgen mit zu meinem Termin", sagte ich schließlich.

"Ich bin froh, dass du nicht alleine dort sein musst. Rufst du mich direkt an, wenn du damit fertig bist?", fragte er mich.

"Mein Termin ist um 10, Harry. Das ist mitten in der Nacht bei dir"

"Das ist mir egal. Bitte ruf mich danach an, okay?"

Ich dachte kurz nach.

"Okay", gab ich schließlich nach.

Wieder schwiegen wir.

"Ich soll dich von deiner Mum grüßen"

"Danke. Ist sie in der Nähe? Ich würde gerne kurz mit ihr sprechen"

"Ja... Klar, ich gebe sie dir. Wir sprechen uns morgen, ja?"

"Versprochen. Du schaffst das. Ich denke die ganze Zeit an dich und bewundere dich für deine Stärke. Ich liebe dich, Ava"

Ich schluckte.

"Ich liebe dich auch"

Nachdem ich in die Küche gegangen und Anne mein Handy gereicht hatte, ließ ich mich im Wohnzimmer auf das Sofa fallen. Anne telefonierte lange mit Harry, aber ich hörte nicht wirklich zu, weil ich sie nicht belauschen wollte.

Nach einiger Zeit kam Anne zurück ins Wohnzimmer und reichte mir mein Handy.

"Alles in Ordnung?", fragte ich sie und Anne nickte.

"Er macht sich große Sorgen um dich und brauchte Zuspruch von seiner Mutter", antwortete Anne und lachte leise. "Es ist lange her, dass ich ihn so aufgelöst erlebt habe", sagte sie mehr zu sich selbst.

Ich schluckte und sah auf meine Hände.

"Hätte ich es ihm nicht sagen sollen?", fragte ich.

"Doch natürlich! Bitte mach dir keine Vorwürfe deshalb"

"Harry wollte die Tour absagen"

"Das wäre auch nicht die richtige Entscheidung gewesen", antwortete Anne sofort und ich nickte.

"Ich weiß"

We should open up [Harry Styles Fanfiction H.S. deutsch I German]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt