Winter in Berlin

Kapitel 12

Ich atme tief ein. Gott tut es gut zu spazieren. Heute habe ich vor zu Fuß Nachhause zu gehen. Ich richte meine Mütze und schaue nach hinten. Man kann ja mal sichergehen. Immerhin ist es schon spät. Man weiß nie, was passieren kann. Ich setze meine Airpods auf und öffne mein Handy. Danach öffne ich Spotify. Ich mache Liebe und Hass von Kez feat. Nimo an. Ich habe das Gefühl, dass Azman bekannt ist. Ich dachte ich bilde mir das nur ein, aber es ist wirklich so. Jeder kennt ihn. Überall höre ich seinen Namen. Zwei Mädchen haben letztens über ihn gesprochen. Das hat mich sauer gemacht. Ich wollte fast auf sie losgehen, aber dann spielte ich an meinem Ring, den ich mir vor kurzem bestellt habe. Eine Blume, die man drehen kann. Man nennt diese Ringe „Anexiety Ringe". Ich verbinde mit diesen Ring Angst und Wut. Es lenkt mich ab. Es tut gut. Immer wenn ich jemanden zuhöre, brauche ich etwas in der Hand. Ein Stift zum Beispiel. Ich habe es früher gehasst, wenn man in der Grundschule die Stifte zur Seite legen musste, da man zuhören soll. Wie soll ich zuhören, wenn ich nichts in der Hand habe. Geht es euch genauso?

Ich hätte Handschuhe anziehen sollen. „Gott ich friere", hauche ich. Ich muss noch zwanzig Minuten gehen. Ich glaube ich schaffe das nicht. Sogar in meiner Jackentasche frieren meine Hände. Ich erkenne ein Autogeräusch. Wieso kommt er mir so bekannt vor? Ist es Azman? Bmw fährt an mir vorbei. Azmans Kennzeichen. Ich seuftze. Nach der Hochtzeit werde ich meine Therapeutin besuchen. Ich habe schon einen Termin mit ihr abgemacht. Am Valentienstag, also Februar. Azmans Auto ist schon weg. Das enttäuscht mich. Aber er hat doch selber gesagt, dass er unnötige Diskussionen mit mir ausweichen wird und das ist unnötig. Alles weil er raucht. Ich schließe meine Augen und mache eine kleine Pause. Wieder höre ich Autogeräusche. Meine Lippen bilden sich kurz zu einem Schmunzeln.

„Los, steig ein." Ich schaue nach hinten und nicke dann, ehe ich einsteige. Ich atme seufzend ein, weswegen er mir die Sitzheizung anstellt. Sehr großzügig. Ich versuche meine Hände zu erwärmen, indem ich sie unter meinen Schenkeln lege, doch es bringt nichts. Ich hole meine Hände seufzend auf und sehe sie an. Sie sind schon fast weiß. Azman bleibt nachdem er umgedreht hat stehen und nimmt meine beiden Hände. Er schaut mich an, als sei ich dumm. Oh wow, es tut gut seine warme Handfläche zu spüren. Ich schließe erleichert meine Augen, während seine Hände an meinen angereibt werden. „Kannst du dir keine Handschuhe leisten?" „Ich habe sie vergessen." „Natürlich hast du das." Ich schaue ihn an. „Wo soll ich dich hinfahren?", fragt Azman mich. „Nachhause."

„Willst du Musik hören?" Ich schnalze mit meiner Zunge. „Ich habe Kopfschmerzen." Er nickt. Es ist still. Ich würde so gerne mit ihn reden wollen, aber mein Stolz verbietet es mir.
„Deine Haare sind glatt", sagt er. Ich Blicke zu meinem Haar und fasse eine Strähne an. „Ja." „Warum glättest du deine Locken?", fragt er mich. „Naja, morgen kommt eine Stylistin, damit sie meine Haare machen kann. „Du glättest deine Locken, damit sie dir welche macht?" „Das ist was anderes!" „Nein." „Doch, weil Dauerwellen eine andere Struktur haben." Er schüttelt nur seinen Kopf als ausdruck, dass ich verrückt sei. Männer verstehen es einfach nicht.

„Freust du dich auf nächste Woche?", frage ich ihn dann doch. Ich sehne mich nach ihm. „Ja..du?" „Mhm" sage ich. Wir werden irgendwas sezieren. Was genau durfte man uns nicht sagen, damit man uns testet, ob man wir uns ekeln oder nicht, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, da man in Biochemie sonst nicht qualifiziert ist. Beziehungsweise wärst du dann am falschen Platz. „Kommst du zu Hadis Hochtzeit? Morgen?" Er schnalzt mit der Zunge und bleibt bei der roten Ampel stehen, schaut nach links und hebt kurz seine Hand als begrüßung. Er schmunzelt sogar. Wer bringt ihn zum schmunzeln? Ich hebe meinen Kopf zu seiner Seite und sehe ein Mädchen, welche ihn anschmunzelt. Wer ist sie? Wieso kennen sie sich? Wieso schmunzelt er sie an, er schmunzelt und lächelt sonst nie.

„Meine Tante, entspann dich." „Ich hab doch nichtmal was gesagt." „Du würdest." „Du auch." „Sie sieht so jung aus." „Ist sie auch." „Wie alt ist sie denn? Wenn ich fragen darf." „5-6 Jahre älter als wir." „Oh wow, wieso willst du nicht zu Hadis Hochtzeit?" Er schließt seufzend seine Augen. „Das weißt du." „Scheiß mal auf mich, ihr kennt euch anscheinend schon lange. Du bist ein Arschloch wenn du nicht hingehst." Er blickt zu mir. „Fahr, die Ampel ist grün", murmele ich und hole mein Handy hervor. Kadiz nervt mich mal wieder mit den Bildern seiner Anzüge. Während ich Kadiz Nachrichten lese, frage ich mich ob ich der Tante nicht unhöflich rüber gekommen bin. Aber woher sollte ich wissen, dass sie seine Tante ist.