Zu viel

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Tim ließ sich kurzer Hand zu Stegi auf den Boden sinken und setzte sich so hin, dass Stegi ihn ansehen müsste, wenn er den Kopf hob. Kurz haderte Tim mit sich, entschloss sich dann aber dazu, da er sonst nie zu Stegi durchdringen würde. Mit gewisser Vorsicht legte er einen Arm um Stegi und zog ihn daran so dicht an sich, dass sich ihre Körper minimal berührten und legte Stegis Kopf auf seine Schulter.
„ Es ist in Ordnung Stegi. Wenn du das mit Absicht machen würdest, okay aber versteh doch, dass du noch nicht kannst. Du würdest alles tun, um normal zu sein, die selben minimalen Ansprüche zu stellen wie wir. Aber es ist ein verdammt großer Unterschied, ob man nicht kann, oder nicht will. Du kannst einfach noch nicht. Ich lass dich jetzt los. Versuch zu kämpfen und deine Erinnerungen zu besiegen. Beruhig dich einen Moment und dann gehen wir rein. Kein Druck, du hast Zeit." Langsam Schritt für Schritt gab er Stegi wieder frei für den Fall, dass er jetzt nach den ganzen Berührungen umkippte. Doch Stegi blieb standhaft, hob sogar seinen Blick und sah ihm in die Augen. Für einen Moment vergaß Tim alles und legte eine Hand an Stegis Wange. Zärtlich strich er Stegi die Tränen von den Wangen, zog aber sofort zurück als Stegi die Augen verdrehte und ihm geradewegs in die Arme kippte. Es war eindeutig zu viel gewesen für ihn.
„ Okay lasst die beiden bitte mal alleine. Mehr Menschen machen Stegi nur unnötig Druck. Ihr habt denke ich gesehen, dass Stegi mit der Sache echt nicht spaßt.", versuchte Veni für Stegi den Flur zu leeren, damit er Ruhe und Privatsphäre hatte, wenn er aufwachte. Dankbar lächelte er Veni an, bevor er Stegi sanft vor sich auf den Boden legte. Basti richte ihm ein Knäul aus Jacken, die er Stegi unter den Kopf legen konnte. Um sie herum verschwanden nach und nach jetzt auch die anderen, da sie von Veni und Basti dazu gedrängt wurden. Einzig ihr Trainer blieb noch einen Moment bei ihnen.
„ Bleib bei ihm und warte bis er aufwacht. Er soll sich bitte an den Rand setzen und die restliche Stunde ausruhen. Wenn's natürlich nicht geht, bringst du ihn heim. Mir wäre es aber lieber wenn ihr die Besprechung mitbekommt. Gesundheit geht natürlich vor." Damit ließ auch ihr Trainer sie in Ruhe. So hockte er da, mehrere Minuten mit dem Blick auf Stegi gerichtet, bis er langsam die Augen aufschlug und ein Ächzen von sich gab.
„ Tschuldige Stegi. Ich weiß, dass es zu viel war. Ich hätte mehr Rücksicht nehmen sollen. Erhol dich erstmal und dann können wir wenn es geht ins Bad gehen und meine Berührungen abwaschen." Wenn Stegi es nötig hatte, würde er da auf jeden Fall einen Blick drauf werfen, damit Stegi sich nicht noch mehr verletzte. Gerade litt er schon genug. Stegi rappelte sich vorsichtig auf, beide Hände als Stütze auf dem Boden, um sich in eine aufrecht sitzende Position zu bringen und sich an die Wand in seinem Rücken zu lehnen. Tim musterte ihn besorgt und stellte fest, wie bleich Stegi schon wieder war. Seine Augen waren glasig und leicht getrübt, doch das verflüchtigte sich schon wieder. Wie so oft in letzter Zeit nach seinen Berührungen waren Stegis Hände total zittrig und er versuchte es vergeblich zu verbergen, indem er die Hände ineinander verschränkt in seine Oberschenkel drückte.
„ Du kannst dein zittern zulassen Stegi. Ist vollkommen okay. Nimm dir noch einen Moment, es hat keine Eile." Seufzend ließ Stegi seine Hände locker und ließ sein zittern zu. Gerne würde er Stegi jetzt beruhigend in den Arm nehmen, aber dann kippte er wieder weg. Für heute reichte es. Mit Stegi brauchte er jetzt vor allem Geduld. Stegi sah ihn fast schon ein bisschen wehleidig an, bevor er auf Abstand rutschte.
„ Kannst du mich bitte nen Moment allein lassen? Ich kann gerade einfach nicht mehr." Ihn jetzt alleine zu lassen war das letzte, was er tun wollte, aber wenn Stegi diese Ruhe brauchte, musste er ihm die auch geben. Selbst wenn ihm bei dem Gedanken Stegi alleine zu lassen unwohl war. Nachwirkungen von Stegis kurzen Ohnmachtsanfällen gab es eigentlich nicht und auch Stegi hatte ihm das bestätigt. Für alles gab es allerdings ein erstes Mal. Trotzdem ließ er Stegi schweren Herzens im Flur sitzen und ging zu den anderen nach drinnen. Sofort wanderten mehrere Blicke zu ihm und er sah die Besorgnis in manchen Augen.
„ Ihm geht es gut. Er wollte einfach nur seine Ruhe.", erklärte Tim und reihte sich dann in das Training ein, ohne weiter auf den Rest zu achten. Sie sollten Stegi ebenso in Ruhe lassen. Veni nahm sich ihm an und gab ihm knappe Auskunft darüber, was sie gerade machten.
„ Wir üben antäuschen in Gruppen. Du sollst zu der Dreiergruppe da drüben. Gib einfach ein paar Tipps und lass sie üben." Dankend nickte er und reihte sich dann bei der Gruppe ein und ließ sie Wort wörtlich zu spüren bekommen, dass er vielleicht nicht mehr der beste Spieler dieser Mannschaft war, aber immer noch ganz weit oben mitspielte. Er ließ seine Gruppe wie blutige anfängt dastehen und führte ihnen vor Augen, wie schwer es war an einem guten Spieler vorbei zu kommen, geschweige denn ihm den Ball abzunehmen, wie es ihre folgende Aufgabe war. Dafür wurde er auch von ihrem Trainer gelobt, dass er mal allen vor Augen hielt, wie schwer es war wirklich gut zu sein. Bald schon durfte er das jedem aus der Mannschaft mal vor Augen halten. Der Großteil schlug sich zumindest recht gut und schaffte es ihm nach ein zwei Versuchen den Ball abzunehmen, oder an ihm vorbei zu kommen. Wenn nicht alleine dann in der Gruppe von zwei bis drei Leuten. Einzig Veni hatte kaum Probleme ihm mal einen Ball zu klauen oder an ihm vorbei zu kommen. Natürlich machte er es ihm ebensowenig einfach wie den anderen, was bewies, wie gut Veni mittlerweile zu ihm aufgeschlossen hatte. Gerade übte er mit noch zwei Leuten ein bisschen Ballabnahme, da wurde ihm aus dem nichts der Ball von der Seite weg geschnappt.

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