Miese Taktik

78 11 2
                                    

Wenn sie dachten, die führende Position machte es ihnen einfacher, die restlichen Minuten zu bestreiten, dann konnte er sagen, dass es definitiv nicht so war. Sie lagen zwei Punkte vorne, ein Stand den man innerhalb von Sekunden einholen konnte. Ein Korb brachte sie wieder zum Unentschieden und das wussten sie alle. Mit acht Punkten Vorsprung konnte man anfangen seine Führung locker zu sehen und mehr in die Defensive gehen. So aber mussten sie was riskieren, um zu gewinnen. Erneut wurde der Ball eingeworfen von ihren Gegnern, aber die hatten längst verstanden, wer aus ihrer Mannschaft am gefährlichsten war. Er und Tim wurden doppelt gedeckte sodass sie sich keinen Ball ergattern konnte. Somit blieb der bei den Gegnern. Und sie machten wohl aus Nervosität den gravierendsten Fehler dieses Spiels. Wie auch er es getan hatte, ein verzweifelter Abwurf von der Mittellinie. Als Stegi das sah, wand er sich mit Tim an der Seite durch, sodass er nicht Gefahr lief berührt zu werden und sprintete in Richtung Korb. Der Ball traf den Ring, prallte aber daran ab und sprang herunter. Stegi nahm diesen auf und fing an zu prellen. Während ihre Gegner ausnahmslos gefolgt waren, stand Veni unbemerkt am anderen Ende. Stegi nahm den Ball, sprang hoch und warf ihn so weit es ging nach drüben. Veni schnappte sich den Ball und beförderte ihn dann nach einem eleganten Korbleger im Korb. Sie langen vier Punkte vorne. Nichts worauf man sich ausruhen konnte, aber ein wenig Sicherheit. An der Seite jubelten ihre Teamkollegen wie verrückt und auch ihr Trainer nickte ihr Spiel anerkennend ab. Recht schnell ging es dann weiter und Stegi merkte sofort, dass etwas anders war. Das Spielverhalten ihrer Gegner änderte sich grundlegend. Keine zwanzig Sekunden nach dem Einwurf, als Veni einen Korb machen wollte, wurde er ziemlich hart gefoult. Unsanft kam er auf dem Boden auf und es wurde sofort abgepfiffen. Sie joggten alle zu Veni, um Kräfte zu sparen, aber dennoch zu schauen, ob alles in Ordnung war und das war es eindeutig nicht. Tim kniete sich dann zu seinem immer noch am Boden liegenden Freund und wollte ihm aufhelfen, als er den blutigen Arm und sein aufgeschürftes Knie sah. Von weiter hinten sah es gar nicht so aus, dass Veni noch über den Boden gerutscht war und sich so die Haut aufgerissen hatte. Das Blut sprach jedoch eine eindeutige Sprache. Nicht lange und sie hatten zwei Sanitäter auf dem Feld, die Veni auf den Rücken legten und dann seine Wunden begutachteten. Stegi konnte sich gut vorstellen, wie weh das tat. Bei ihm war es ja nur die oberste Hautschicht gewesen und das hatte schon gebrannt. Bei Veni war es definitiv tiefer gegangen. Auch wenn er still war, hatte er schmerzen. Gerade Desinfektionsmittel fachte diesen noch mal um ein Vielfaches an. Die Bandagen, die sie Veni umlegten, um die Wunden zu schützen hemmten seinen Bewegungsradius und allgemein seine Bewegungen jedoch zu sehr. Auch wenn er laufen und durch das Adrenalin sicher spielen könnte, tat ihr Trainer ihm das nicht. Nachdem Max und Tim ihm aufhalfen und ihn vom Platz brachten, schickte ihr Trainer Finn mit, der für Veni einspringen sollte. Die letzten und vor allem entscheidenden Minuten ihres Spiels als einer der besten Spieler auf der Bank verbringen zu müssen, war eine nervliche Qual, die Veni jetzt ertragen musste. Nach dem Foul bekamen sie einen Freiwurf, den Tim in einen Punkt verwandelte. Fünf Punkte Vorsprung klang gar nicht mal so schlecht. Ihren Vorsprung sollten sie allerdings nicht behalten. Sie waren etwas zu unvorsichtig im nächsten Zug und konnten den recht weiten Wurf dann doch um ein Haar nicht aus seiner Flugbahn werfen. Drei Punkte Vorsprung. Alles noch im Rahmen und genügend Zeit zum Spielen dachte Stegi. Ihr folgender Einwurf klappte gut und landete auch bei Finn, war jedoch fünf Sekunden später in gegnerischer Hand. Zwei tiefe flache Pässe brachten den Ball zum Korb, brachten aber keinen Punkt, da Tim im richtigen Moment ausschlug und den Ball somit vom Korb weg beförderte. Leider wieder genau zu ihren Gegnern, die einen zweiten Korb versuchten. Diesmal war Max noch mit da und konnte den Ball so ausschlagen, sodass Tim ihn bekam und weiter zu ihm passen konnte. Da er nicht wegkam, musste er über Kopf zu Jamie passen, der gerade frei stand und nun versuchte, sich an der Deckung vorbei zu schlängeln. Kurz vor dem Korb wurde ihm der Ball weggenommen und das Ganze ging wieder zurück zu ihrem Korb. Stegi konnte einen Pass in der Luft abfangen, doch gerade als er zurück passen wollte, passierte das, was er unbedingt hatte vermeiden wollen. Ein Ellenbogen traf seine Seite und er ließ vor Schreck den Ball los und stolperte vorwärts. Stegi schaffte es noch sich abzufangen, bevor sich Bilder seinem Bewusstsein hoch kämpften. Bilder wie er gegen seine Zimmerwand gedrängt wurde, wie ihm der Mund zugehalten und seine Jeans herunter gezogen wurde. Wie er so vollkommen entblößt vor Tobi gestanden war mit Tränen in den Augen. Weit weg hörte Stegi den Pfiff, der ihm signalisierte, dass es ein klares Foul war. Stegi drohte ohnmächtig zu werden, sich in den Bildern zu verlieren und alles zu verpassen. Doch dann spürte er Tims beruhigende Umarmung. Wohl dem Adrenalin in seinen Adern verdankte er es, dass er nicht weg kippte, sondern sich in Tims Armen beruhigen konnte. Sein Herz raste zwar immer noch, aber vor allem vor Anstrengung. Tim löste sich leicht und sah ihn mitfühlend an.
„ Bist du okay?", fragte Tim und er konnte es leicht verschwommen hören. Stegi nickte. Ihm tat nichts weh, er bekam seinen Fokus langsam zurück und er konnte sich bewegen. Beste Voraussetzungen um zu spielen. Er wollte jetzt nicht auf der Bank sitzen.
„ Stegi ich hätte trotzdem gerne, dass du dich draußen ein paar Minuten ausruhst. Die letzten zwei Minuten lass ich dich wieder rein. Dich brauchen wir gegen Ende fit." Gegen die Entscheidung ihres Trainers konnte er sich nicht wehren, daher setzte er sich raus auf die Bank zu Veni, der ihn betrübt ansah. Wenigstens bekam er die letzten Minuten noch mal die Chance zu spielen.
„ Die foulen absichtlich. Aber es funktioniert. Sie kicken uns systematisch raus, behalten aber ihre guten Spieler. Ich fress n Besen, wenn wir das hier verlieren." Dem konnte er nur zustimmen. Das war wirklich ihre Taktik um zu gewinnen. Nur würden sie das nicht mit sich machen lassen. Jedes Foul war ein fast sicherer Punkt für sie und Tim würde sich sicher nicht vom Feld holen lassen.

Basketball Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt