Vertrauensbeweis

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Ein weiteres Mal veränderte sich das Bild und er sah nichts als schwärze. Lediglich seine Gedanken produzierten den Ton zu den Dingen, die er nicht sehen sollte. Er hörte einen verzweifelten Schrei, triefend vor Schmerz und Angst und dann das leise Wimmern, gemischt mit einem Schluchzen und der Wiederholung der Worten bitte nicht. Bitte hör auf. Dazu leise Geräusche im Hintergrund, die Tim genauestens zu deuten wusste. Allein diese Geräusche waren eine psychische Folter für ihn. Doch egal wie sehr er versuchte dem entgegen zu wirken, sich von diesem grausamen Bild zu lösen, desto mehr brannte es sich mit jedem kleinen Detail in seinen Kopf ein. Fest wurde an ihm gerüttelt und das Bild löste sich in Luft auf. Zurück blieben nur Stegis verzweifelte Rufe nach Hilfe und die Bitte ihn in Frieden zu lassen. Er hatte nicht mal bemerkt, dass er selbst angefangen hatte zu weinen, bis er Rafael verschwommen vor sich sah. Die Tränen bei ihm mindestens so zahlreich, wie bei Stegi, sein Leid nichts im Vergleich zu dem, was Stegi durchgemacht haben musste. Rafaels Hände legten sich wie ein beruhigendes Schutzschild um sein Gesicht und ließen diese Gedanken einen Moment lang verschwinden. Gaben ihm die Möglichkeit sich auf das hier und jetzt zu fokussieren und Stegi wieder aktiv neben sich wahrzunehmen, immer noch vollkommen am Boden und nicht mehr dazu fähig irgendetwas von sich zu geben. Er wollte Stegi von diesen Qualen erlösen und das so schnell es ging. So konnte er Stegi nicht weiter sehen.
„ Tim Stegi braucht dich jetzt mehr denn je. Versuch für ihn da zu sein und red mit ihm. Wenn er jetzt abbricht, wird es ewig dauern, bis er erneut den Mut hat uns zu sagen, was los ist. Vielleicht sogar nie. Ich mein, ich muss es nicht wissen, aber ohne Antworten schaden wir und ganz besonders du ihm nur noch mehr. Ohne eine Antwort wird Stegi Stück für Stück zerstört, bis nichts mehr von ihm übrig ist. Bitte Tim, reiß dich zusammen. Auch wenn du Stegi so nicht sehen willst, im Endeffekt wird es ihm danach besser gehen." Veni wischte ihm die Tränen aus den Augen und ließ dann von ihm ab, sodass sein Blick frei wurde auf sein kleines, völlig am Boden zerstörtes Stegilein, welches so laut schluchzte, dass man es noch außerhalb der Mauern hören würde. Ihn jetzt zu berühren wäre fatal, etwas was er unter keinen Umständen tun durfte. Also kniete er sich vor Stegi hin, beugte sich so weit runter, dass er Stegi in die Augen sehen konnte, selbst wenn er sich dafür verrenken musste und sprach ihn mit all dem Schmerz in der Stimme, den er im Moment empfand an.
„ Kleiner hey es ist okay. Das ist unheimlich schwer und ich finde es großartig, dass du versuchst mit uns zu reden. Ich kann mir nicht mal ansatzweise vorstellen, wie schwer es für dich sein muss, aber ich bitte dich, dass du mir den Gefallen tust und endlich sagst, was dir passiert ist. Du bittest mich immer, dass ich dir das nicht antun soll. Dazu muss ich aber wissen, was das ist. Du brauchst dich für nichts schämen Stegi. Du warst ein Kind, als es passiert ist. Du könntest niemals was dafür, hörst du? Was immer passiert ist, es ist nicht deine Schuld. Du konntest nie etwas beeinflussen. Lass dir Zeit und sag es uns, wenn du bereit bist. Wenn das noch nicht heute ist, ist das auch okay. Ich will dich nicht zu etwas zwingen, was du nicht willst. Kein Druck." Schwach nickte Stegi und sah aus verschwommenen roten Augen zu ihm auf. In ihnen konnte er immer noch den Schmerz sehen, ebenso wie den Kampf, den Stegi in seinem Innern mit seinen Erinnerungen führte. Stegi schlang die Arme um seinen Körper, klammerte sich halt suchend an sich selbst und versuchte sein unkontrolliertes Schluchzen unter Kontrolle zu bringen. Es war Folter Stegi so zu sehen und zu wissen, dass man rein gar nichts für ihn tun konnte. Das man ihm kein winziges bisschen helfen konnte. Doch wenn er probierte Stegi noch einmal und sei es noch so sanft zu berühren, zuckte Stegi heftig zusammen und schluchzte nur noch lauter. Tränen kullerten seine Wangen hinab, mittlerweile pausenlos und mit so viel Schmerz gemischt, dass Tim es gar nicht mehr aushielt. Irgendwas musste man doch für Stegi tun können. Aber wenn selbst die kleinste Berührung Stegi jetzt den größten Schmerz zufügte, konnte er nur mit Worten agieren und eigentlich hatte er alles gesagt, was man sagen konnte. Wobei eine Sache war da noch. Damit könnte er jetzt alles schlimmer machen und dessen war er sich auch bewusst, als der die Worte aussprach, aber es musste gesagt sein.
„ Kleiner du weißt, dass ich dich immer bedingungslos lieben werde. Egal was in deiner Vergangenheit passiert ist, ich muss es annehmen und das tue ich auch. Es verändert allerdings nichts dich und auch nichts an unserer Beziehung. Du bleibst immer mein kleines, starkes und vor allem mutiges Stegilein, in das ich mich vom ersten Tag an verliebt habe. Nichts wird das jemals ändern. Und wenn ich hundert Jahre auf unseren ersten Kuss warte, dann warte ich halt so lange. Das war deine Bedingung und ich hab sie willig akzeptiert, als ich mich dir mit all meinen Sinnen und Gefühlen hingegeben hab Stegi. Ich hoffe, dass weißt du." Stegi nickte kaum merklich und sah dann sogar zu ihm auf. Die Wangen nass, die Augen rot glänzend und die Lippen zitternd. Stegi streckte eine seiner zitternden Hände langsam nach ihm aus, wimmerte leise, als er nach seiner Hand griff und sie drückte. Allein das war ein Vertrauensbeweis, den man mit nichts mehr übertreffen konnte. Das Stegi von sich aus die Berührung suchte, war der Beweis, dass seine Worte angekommen waren und das Stegi versuchte sich wirklich zu öffnen, das er vor allem vertraute. Stegi hielt den Kontakt zwar minimal und nur ganz kurz, aber es war der nötige Mut, den er brauchte, um sich zusammen zu raffen und weiter zu reden. Selbst wenn er Angst davor hatte. Holte noch ein letztes Mal tief Luft, bevor er tatsächlich das aussprach, was Tim nie hatte wahrnahmen wollen, aber tief in seinem Inneren geahnt hatte.

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