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Die Fahrt zog sich hin. Auf halber Strecke standen sie im Stau, so dass Hannah in der Random Wasserkuppe anrufen und ihren Termin nach hinten verschieben musste. Der Besitzer der Location sah das zum Glück gelassen, da er keine weiteren Termine hatte. „So das wäre dann auch geklärt. Der Veranstalter, Herr Wegener, meinte, zur Not können wir uns das auch abends anschauen." Paddy sah die lange Autoschlange vor ihm und seufzte. „Ja, wenn das hier so weiter geht, dann kommt abends auch ganz gut hin." Er fuhr an den rechten Rand, um mit weiteren Autofahrern eine Rettungsgasse zu bilden und schaltete den Motor aus. „Und auch noch ein Unfall. Das kann dauern." Paddy streckte sich und schaute auf sein Handy. Während er seine Nachrichten las, schüttelte er den Kopf und atmete laut aus. Hannahs Neugier war geweckt. Sie vermutete, dass Maike ihm geschrieben hatte. „Was lässt dich denn so schnaufen?", fragte sie und hoffte so ihre Neugier gestillt zu bekommen. Als Paddy die Stirn runzelte und nicht antwortete, harkte Hannah nach. „Hat Maike dir geschrieben? Ist etwas passiert?" „Was? Nein. Also doch. Maike hat mir geschrieben. Bei ihr ist alles in Ordnung. Es ist eher Tricia...." „Oh fuck, ist bei ihr denn alles ok?", unterbrach ihn Hannah panisch. Sie beruhigte sich jedoch schnell wieder, als Paddy anfing zu lächeln. „Nein, nein. Bei ihr ist auch soweit alles ok. Sie nervt mich nur gerade mit ihrer Schnapsidee und versucht mich dazu zu überreden." Hannah schaute Paddy fragend an. „Also du redest gerade echt in Rätseln." Er wiederum atmete tief durch und erzählte ihr von Patricias Vorhaben, eine Weihnachtstour mit Kathy und Paul auf die Beine zu stellen. „Und du sollst da mitmachen?", fragte Hannah skeptisch. „Ja. Sie meinte, das die Konzerte viel mehr in eine spirituelle Richtung gehen sollen, kleine Konzerte, alles auf Weihnachten und die bibliche Geschichte bezogen." „Du klingst skeptisch.", stellte Hannah fest. „Wenn du das nicht machen willst, es zwingt dich doch keiner." „Ach Hannah, weißt du. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Auf der einen Seite reizt mich das ganze enorm wieder auf der Bühne zu stehen und wieder Musik zu machen, aber...." Hannah beendete seinen Satz „Aber du weißt welchen negativen Nachgeschmack das ganze haben kann und hast ein mulmiges Gefühl dabei." „Exakt.", pflichtete Paddy ihr bei, „Was würdest du an meiner Stelle machen?" Hannah lachte. „Ich bin doch gar nicht in deiner Position." „Nein wirklich. Wie denkst du darüber? Deine Meinung interessiert mich einfach", fragte Paddy nun Hannah direkt und sah sie erwartungsvoll an." Sie hielt seinem Blick stand. „Ok, wenn du meine Meinung hören willst...." Hannah überlegte einen Augenblick. „Mein erster Gedanke ist, nein tu es nicht. Ich denke da aber auch an die großen Hallen und den Stress, den ihr alle damals hattet. Auf der anderen Seite..." Ohne groß darüber nachzudenken nahm Hannah Paddys Hände in ihre und betrachtete Seine Fingerkuppen, „Wenn du mir jetzt erzählen würdest, du hättest mit Musik nichts mehr am Hut, dann würdest du lügen. So viel Hornhaut wie auf deinen Fingerkuppen ist, schätze ich, du spielst eigentlich fast täglich Gitarre." Sie schaute Paddy an, der erstaunt über Hannahs Schlussfolgerungen stumm nickte. Noch immer hatte er das alte Lederarmband um sein Handgelenk gewickelt, dass er zuvor in einer seinen alten Kisten gefunden hatte. Hannah schien es jedoch nicht zu bemerken und fuhr unbeirrt fort. „Musik ist und bleibt einfach ein großer Teil von dir. Und jetzt meine persönliche Meinung. Ich fand die Weihnachtskonzerte immer mit am schönsten. Du könntest Glauben und Musik miteinander verbinden, was gibt es schöneres als zwei Dinge, die dir wichtig sind, zu verbinden? Noch dazu ist Stimmungin der Weihnachtszeit dann immer eine ganz andere. Ich stelle mir so ein Weihnachtskonzert echt schön vor. Sieh es doch als Chance für dich zu entscheiden, ob du wieder bereit für die Bühne bist und ob du überhaupt noch auf der Bühne sein möchtest. Es ist ja keine Tour für ein ganzes Jahr. Und so gesehen hast du die Unterstützung von deinen Geschwistern. Du musst da nicht alleine durch, wenn du glaubst, alleine könntest du den Schritt in die Öffentlichkeit nicht wagen. Hast du...hast du denn mal mit Maike darüber gesprochen, was sie darüber denkt?", fragte Hannah. „Jein, also nicht wirklich. Ich habe es mal in einem Nebensatz erwähnt. Von ihr kam nur ein ‚ok klingt cool'." „Na das ist ja sehr hilfreich.", erwiderte Hannah ein wenig zu verachtend. „Mit Maite?" „Maike ist da da nicht so drin in dem Thema. Und was denkst du denn? Natürlich habe ich mit Maite darüber gesprochen. Sie ist davon jetzt nicht so begeistert oder viel mehr auch so skeptisch wie du, aber du kennst doch meine kleine Schwester." Paddy verstellte seine Stimme und ahmte seine jüngere Schwester nach. „Paddy, du musst auf dein Herz hören. Wenn du denkst, es ist richtig, dann tue es, und wenn nicht, dann nicht." Hannah grinste. „Ja das klingt sehr nach Maite. Schau mal, es scheint endlich weiter zu gehen." Nach und nach gingen die Rücklichter der Autos vor ihnen an und bewegten sich langsam vorwärts. „Na dann, mal los." Paddy startete den Motor und tat es den anderen Autos gleich.

Der Stau löste sich langsam in Luft auf und sie fuhren wieder gleichmäßig über die Autobahn. „Danke!", sagte Paddy aus dem Nichts heraus. Hannah zog eine Augenbraue hoch. „Für was denn?" Für deine ehrliche Meinung wegen dieser Weihnachtsgeschichte." Paddy griff das Lenkrad fester. Sein Puls raste und er versuchte seine Atmung in den Griff zu kriegen, um nicht allzu aufgeregt zu klingen. „Wenn ich Patricia jetzt zusage, schaust du dir dann ein Konzert an?" Völlig entgeistert schaute Hannah Paddy von der Seite an. Paddy hielt die Luft an und bereute bereits, dass es ihm überhaupt in den Sinn kam danach zu fragen. „Hä? Was ist das denn für eine Frage? Natürlich wäre ich dabei."


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