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Nervös fieberte Hannah dem Treffen mit Leon entgegen. Dass sie sich bei Sandra und Maite ausgelassen hatte, hat ihr gut getan und ihr auch geholfen wieder mit einem klaren Blick auf Leons Beziehung zu schauen. Auf der anderen Seite hätte sie gerne vor ihrem Treffen noch einmal mit Paddy gesprochen. Es wurmte sie, dass er nicht erreichbar war und offenbar so beschäftigt, dass er nicht einmal eine SMS schreiben konnte. Als Paddy wieder nicht ans Telefon ging, fragte sich Hannah, warum ihr seine Meinung eigentlich so wichtig war. Sie wusste, dass Paddy nicht so gut auf Leon zu sprechen war und dass er von ihm noch lange nicht so begeistert gewesen ist wie Sandra. Im Unterbewusstsein hoffe sie insgeheim darauf, dass Paddy sie vielleicht doch von einem Treffen abhalten würde, auf der anderen Seite würde er es vermutlich nie so direkt sagen. Je mehr Hannah darüber nachdachte, desto wütender wurde sie auf die Gesamtsituation. ‚Wozu brauche ich Paddys Meinung? Ich weiß doch, was er davon hält', dachte sie sich und machte sich für das Treffen mit Leon fertig.

Ungeduldig sah Hannah auf ihre Uhr. Sie hatte sich mit Leon im Park verabredet, auf neutralem Boden, wo sie, wenn es sein musste, davon laufen konnte. Von weiten sah sie Leon, dessen Teint in der Schneelandschaft noch dunkler wirkte, als Hannah es in Erinnerung hatte. Selbstbewusst ging Leon auf sie zu. „Hier die sind für dich.", sagte er zur Begrüßung und überreichte ihr einen kleinen Blumenstrauß, in dessen Mitte ein Weihnachtsstern platziert wurde. „Danke. Denke aber nicht, dass das meine Meinung irgendwie beeinflussen würde." „Nein, das habe ich auch nicht erwartet. Wollen wir ein bisschen laufen?" Hannah nickte zustimmend und sie gingen den Parkweg entlang, der halbwegs von Schnee befreit war. Mit einem gewissen Abstand zueinander gingen sie nebeneinander her und schwiegen sich an. „Komm schon, Libi, wollen wir jetzt die ganze Zeit schweigend im Kreis laufen?" Hannah schnaubte. „Von meiner Seite habe ich dir alles gesagt. Ich habe dich gefragt, ob du dir wirklich ein Leben mit mir vorstellen kannst. Hast du vergessen, dass du deinen Flug verpasst hast, als wir uns hier treffen wollten, oder dass du Weihnachten nicht mit mir verbringen wolltest oder dass du auf meine Mail nicht einmal antworten konntest?" Leon senkte den Blick. „Ja, du hast Recht. Es war meine Schuld, dass ich den Flieger im Sommer verpasst habe und ja es war falsch Makedas Familie dir vorzuziehen. Das habe ich auch eingesehen, aber ich habe dir geantwortet, gleich nachdem ich deine E-Mail gelesen habe." Hannah blieb abrupt stehen. „Was? Nein, das hast du nicht." „Doch, ich habe dir geantwortet. Ich habe von dir nie eine Antwort auf meine Mail bekommen. Und weil du mir nicht mehr geschrieben hast, habe ich eine Auszeit gebraucht und bin zu Makedas Familie gereist." „Nein, Leon. Das kann nicht sein, ich habe nie eine Nachricht von dir bekommen." „Aber, wenn ich dir es doch sage. Ich habe dir sofort geantwortet, habe dir geschrieben, dass es mir Leid tut und ich nicht überlegen muss, sondern mit dir zusammen sein will. Was meinst du, warum ich hier bin? Gleich nachdem ich meine Flugtickets nach München gebucht habe, habe ich dir geschrieben und bis zur letzten Sekunde gehofft, dass du am Gate stehen würdest. Als ich dann bei dir im Büro war, meinte Herr Schubert, dass du in Köln bist und hier bin ich." Hannah sah Leon skeptisch an, ihre Wut bröckelte. „Ich verstehe das alles nicht." „Hast du nicht eine einzige Nachricht von mir erhalten? Nicht einmal die an deine Büroadresse?" Hannah überlegte. „Warte. Da kam eine Mail, die Paul jedoch gelöscht hat. Ich konnte sie nicht öffnen, da sie einen Virus enthielt. Das war deine Mail?" Leon nickte. „Wahrscheinlich. Ich wollte dich wissen lassen, dass ich egal, was du sagst, nach Deutschland fliege." „Woher soll ich denn wissen, dass du mir geschrieben hast." „Du willst einen Beweis? Hier, schau." Leon nahm seinen Rucksack von seinem Rücken und holte seinen Laptop hervor. „Da schau. Da sind alle Nachrichten, die ich dir geschrieben habe. Glaubst du mir jetzt?" Leon öffnete sein E-Mail-Programm und zeigte Hannah seinen Postausgang. Hannah blieb ungläubig stehen, öffnete die Mail und überflog die Nachrichten. "Warum hast du denn nicht versucht über meinen Vater oder Emil Kontakt zu mir aufzunehmen?", fragte Hannah vorwurfsvoll. "Warum hast du aufgehört, dran zu glauben, dass ich mich bei dir melden werde?", stellte Leon die Gegenfrage. Hannah schwieg einen Moment. Es war ihr unangenehm, dass sie so schnell an Leon zweifelte und keine weiteren Anstalten machte, selbst zu Leon Kontakt aufzunehmen. Schließlich erinnerte sie sich an ihr eigenes Ultimatum und appellierte an ihre Gutmütigkeit. „Leon...es...ich wusste nicht, dass..." „Schon ok, Libi. Dafür bin ich ja jetzt hier. Ich verzeihe dir. Jetzt sind doch alle Missverständnisse aus der Welt geschafft. Wollen wir uns nicht doch in ein Cafe setzen und in Ruhe über uns reden?" Hannah klappte den Laptop zu, reichte ihn Leon und nickte langsam.

Zur selben Zeit saß Paddy im Backstagebereich einer Konzerthalle in Saarbrücken. Seitdem er Maites Party verlassen hatte, konnte er nicht schlafen, geschweige denn etwas essen. Er fühlte sich marode. Dass Hannah ständig versuchte ihn zu erreichen, machte die Situation für ihn nicht leichter. Es fiel ihm schwer die Anrufe und Nachrichten von ihr zu ignorieren, doch er hatte Angst, dass seine Gefühle Überhand nehmen und am Telefon aus ihm herausbrechen würden. Jetzt wo Leon wieder da war, rechnete er sich bei Hannah keine Chancen mehr aus und nur wegen seinen Gefühlen wollte er die Freundschaft zu Hannah nicht riskieren. Wie oft musste er sich immer und immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass eine Freundschaft völlig ausreichen würde. Er belog sich selbst und das wusste er. Der einzige, für ihn plausibelste, Ausweg schien unterzutauchen und vorerst auf Abstand zu gehen. "Gosh, Paddy willst du da nicht endlich mal ran gehen?", fragte Patricia genervt, "es scheint doch wichtig zu sein. Geh ran." "Kümmere dich um deinen eigenen Kram, Tricia.", sagte Paddy wütend und griff nach seinem Handy, auf dem Hannahs Name aufblinkte. Er drückte sie weg und schmiss es in seine Tasche, wohlwissend, dass das nicht der letzte Anruf gewesen sein wird.


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