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Müde und geschafft vom ersten Arbeitstag ließ sich Hannah auf ihr Sofa fallen. Leon hatte sich seit heute Mittag nicht gemeldet, doch es wunderte sie nicht sonderlich. Wenn er arbeitete war alles um ihn herum passé. Sie schloss die Augen und genoss die Ruhe in der Wohnung, lauschte dem vertrauten Ticken der Wanduhr und döste vor sich hin, bis sie von dem Surren ihres Handys aus ihrer Trance geholt wurde. Verschlafen hielt Hannah das Handy an ihr Ohr. „Ja?" „Hey, tut mir Leid, habe ich dich geweckt? Es ist doch noch gar nicht so spät.", ertönte Sandras Stimme am anderen Ende der Leitung. „Ach nein, alles gut. Ich bin nur gerade erst nach Hause gekommen und ziemlich geschafft von der Arbeit." „Ah verstehe." Sie redeten ein wenig miteinander, ehe Sandra auf das eigentliche Thema zu sprechen kam. „Was ich dich eigentlich fragen wollte. Ich weiß, deine Hochzeit ist noch ein wenig hin und so viel hast du aber auch noch nicht geplant, aber wie stehst du denn zu einem Junggesellinnenabschied?" Hannah war zu kaputt, um Widerworte zu geben. „Mach, was du denkst. Du bist die Trauzeugin. Oder muss ich den etwa auch planen?" Sandra lachte. „Das wollte ich hören und nein musst du natürlich nicht. Das soll ja auch viel eher eine Überraschung werden. Gibt es irgendjemanden, den du definitiv nicht dabei haben möchtest? Dann sag mir das bitte." „Nein, nein. Alles gut. Ich vertraue dir." Mit diesen Worten verabschiedete sich Hannah und ging ins Bett.

Auch die nächsten Tage war Hannah voll und ganz in ihre Arbeit eingebunden. Leon kam wie geplant am nächsten Abend zurück, doch viel hatten die beiden nicht voneinander. Hannah fragte sich, ob es auch so sein würde, wenn sie verheiratet wären, doch viel darüber nachdenken konnte sie aufgrund ihrer Arbeit nicht. Stattdessen telefonierte sie viel mit der Caritas, rief Veranstalter an und fühlte bei ihnen schon einmal vor, falls etwas in Richtung Straßenfest für das Spendensammeln geplant war. Hannah saß an ihrem Schreibtisch und telefonierte, als es an der Tür klopfte und Paddy leise eintrat. Maike fing an breit zu grinsen und begrüßte Paddy mit einem Kuss und einer Umarmung. Hannah sah nur aus den Augenwinkeln, dass jemand gekommen war und redete unbeirrt weiter. Erst als sie das Telefonat beendete und Maike sich räusperte fiel ihr wieder ein, dass jemand gekommen war. Sie schaute hoch und blickte direkt auf Paddy, der an Maikes Schreibtisch lehnte. „Oh, hi." Paddy schaute auf seine Uhr. „Passt es dir gerade nicht?" Hannah war ein wenig überrascht, schüttelte dann jedoch den Kopf, als wollte sie wieder zu sich kommen. „Nein, nein. Das passt schon. Ich habe ja gesagt, dass ich im Büro bin. Wollen wir in die Lounge gehen?" Paddy nickte und so folgte er ihr aus dem Büro. „Soll ich dir etwas abnehmen?" Hannah war vollgepackt mit ihren Notizen, doch sie schüttelte den Kopf. „Geht schon." Die Lounge war sehr gemütlich, jedoch stilvoll eingerichtet. Hannah setzte sich auf ein braunes Ledersofa, während Paddy sich auf einen Sessel gegenüber setzte. Sie ordnete ihre Notizen und blickte entschuldigend zu Paddy. „Moment, ich hab's gleich. Willst du vielleicht etwas trinken?" Sie deutete auf ein Sideboard, auf dem ein Kaffeevollautomat und diverse Softdrinks standen. „Bediene dich ruhig." Paddy bedankte sich und schenkte sich und Hannah Wasser ein. „Ah vielen Dank.", sagte sie, nahm das Glas entgegen und atmete einmal tief durch. „Also, ich denke ich verschone dich jetzt mal mit dem ganzen Vorgeplänkel. Du weißt ja, um was es geht. Ich habe schon einmal ein wenig recherchiert, was man machen könnte. In der Mail hatte ich ja geschrieben, dass wir schon öfter mal Spendenaktionen auf Straßenfesten und so etwas gemacht haben." Hannah zählte sämtliche Möglichkeiten auf und erklärte alles bis ins kleinste Detail. Paddy hörte ihr aufmerksam zu. Als sie mit ihrem Monolog fertig war, fragte sie. „Und was meinst du? Kannst du dir so etwas vorstellen oder hast du vielleicht auch selbst eine Idee?" Paddy druckste ein wenig herum. „Also...wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht, ob das das richtige für mich ist. Versteh mich nicht falsch. Ich denke schon, dass man da viel erreichen kann, aber ich fühle mich da nicht so wohl mit. Hannah lächelte kurz und seufzte erleichtert. „Danke, dass du das sagst. Ich plane hier schon die ganze Zeit und frage mich, wozu? Ich finde auch alles viel zu plump. Mich reißt davon auch überhaupt nichts vom Hocker. Also, wenn du noch weitere Ideen hast, gerne her damit." „Weißt du, ich hatte überlegt vielleicht bei meinem alten Kloster zu fragen, ob wir dort beim Tag der offenen Tür Spenden sammeln könnten." „Keine schlechte Idee." Hannah schrieb eifrig mit. „Möchtest du die Veranstaltung für dich nutzen oder sollen die Spenden eher in Form von Kollekten gesammelt werden? Habt ihr einen Chor? Vielleicht kann der ja singen...ich meine natürlich nur, wenn du willst." „Ja an so etwas habe ich tatsächlich auch schon gedacht. Ein wenig an den Erfolg von damals anknüpfen." Als Hannah ihre Stirn in Falten legte, fing Paddy an zu lachen. „Das war ein Scherz." Aus Paddy flossen nur so die Ideen, die Hannah alle aufschrieb. „Mir fällt da auch noch etwas ein, wie wäre es, wenn..." doch Hannah brach den Satz mittendrin ab und schüttelte den Kopf, als ob sie somit ihre Idee verwerfen würde. „Was, denn?" „Nein, schon gut. Vergiss es.", winkte sie ab. „Nun, komm schon. Schieß los." „Ich denke, das ist zu privat." Paddy zog eine Augenbraue hoch. „Zu privat?" „Ja...also nein...also..." Hannah versuchte sich irgendwie aus der Sache raus zu reden. Während sie ihre Ideen zusammen trugen, kam ihr ein Gedanke, der sie an die Zeit auf Schloss Gymnich erinnerte. „Sag schon.", drängte Paddy. Hannah schaute verlegen zu Paddy, der sie mit einer Mischung aus Neugier und Skepsis eindringlich mit seinen blauen Augen ansah. Sie senkte den Blick und zögerte, ehe sie ihre Gedanken preisgab. „Als ihr noch im Schloss gewohnt habt...kannst du dich noch daran erinnern, wie ich mir deine Zeichnungen angesehen habe?" Als Paddy nichts erwiderte, fuhr Hannah verlegen fort. „Hast du die Zeichnungen noch?" „Ehm ja, aber ich weiß immer noch nicht, worauf du hinaus willst." „Ich fand deine Kunst damals schon so aussagekräftig und sie ist mir offensichtlich noch im Gedächtnis geblieben. Kannst du dir vorstellen, deine Bilder auszustellen und den Erlös zu spenden?" Paddy schwieg, was Hannah als ein Nein auffasste. „Siehst du, ich sage ja, es ist zu privat. Vergiss, was ich gesagt habe." „Nein, nein. Schon ok. Ich finde das ist eine großartige Idee.", gestand Paddy, „daraus lässt sich sicher etwas machen. Arthur hatte auch mal von einer Vernissage geredet." Hannah war erleichtert und plapperte drauf los, wie sie sich die Vernissage vorstellte. Paddy hörte sich alles an, nickte und ergänzte hin und wieder etwas. Nach zwei Stunden haben Hannah und Paddy ein grobes Konzept erarbeitet.

„Super. Dann belassen wir das erstmal so. Ich tippe alles ab und lasse dir und Wiebke ein Protokoll zukommen. Ich telefoniere mal rum und versuche eine passende Galerie für eine Vernissage zu finden und danach treffen wir uns nochmal und planen weiter. Einverstanden?" Paddy nickte. „Einverstanden." „Ok gut, dann war es das erstmal soweit. Danke, dass du dir dafür Zeit genommen hast." Hannah lächelte ihn vertraut an, was Paddy erwiderte. „Nein, ich danke dir für deine Ideen. Du hättest mir das offensichtlichste, nämlich Konzerte, vorschlagen können, aber nein, du erinnerst dich ausgerechnet an meine Krakeleien." „Naja...wenn ich ehrlich bin, habe ich auch an Musik gedacht, aber ich wusste nicht, wie du dazu stehst, weißt du. Nach alldem, was früher so war...ich wollte dir da nicht zu nahe treten und einen wunden Punkt treffen." Als Paddy gerade etwas erwidern wollte, kam Maike um die Ecke. „Seid ihr fertig? Ich wollte gerade Feierabend machen und wollte fragen, ob du noch mit zu mir kommst?" Paddy räusperte sich. „Klar. Wir sind doch fertig, oder?" Hannah nickte. „Ja. Also, ich melde mich dann bei euch." Sie packte schnell ihre Notizen zusammen, wünschte sowohl Maike als auch Paddy einen schönen Abend und ging mit zügigen Schritten in ihr Büro.

Paddy schaute Hannah hinterher. Zu gerne hätte er ihr gesagt, wie schön er es findet, dass sie nicht nur den Musiker oder den Mädchenschwarm aus den 90ern sah, sondern auch eine andere Seite kannte, die viel mehr er selbst war, als alles andere aus dem öffentlichen Leben von damals.

Was wäre wenn?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt