38

305 21 4
                                    

„Das Essen sieht wie immer wunderbar aus." Sascha half Caro das Fleisch klein zu schneiden, während Florent dasselbe für Agnes tat. „Du bist so ein Schleimer. Das sagst du doch jetzt nur, weil wir so hohen Besuch haben", antwortete Sandra mit einem Augenzwinkern. Sie war die einzige, die nicht saß, da sie noch dabei war, sämtliche Schüsseln mit Beilagen auf den Tisch zu stellen. „Du musst doch nicht alles alleine machen. Lass mich dir helfen.", flehte Hannah schon fast, doch Sandra ließ sich nicht beirren. „Pappalapapp. Ihr seid meine Gäste und ihr habt euch bestimmt so viel zu erzählen.", fügte Sandra beim vorbei gehen hinzu. „Wie geht's denn den Rest der Bande?", fragte Hannah Maite. „Ich denke den meisten geht es gut. John lebt ja mit Maite in Spanien und auch Kathy tourt so durch die Gegend. Zu den beiden habe ich nicht so engen Kontakt. Barby macht sich auch ganz gut. Mit ihr telefoniere ich hin und wieder. Angelo ist mit Kira und seinen Schützlingen in Europa unterwegs. Wusstest du, dass Kira wieder schwanger ist?" Hannah machte große Augen. „Was nein! Das wusste ich nicht. Ich hatte ihr einige E-Mails geschrieben, aber nie eine Antwort von ihr bekommen." „Das liegt wohl daran, dass Angelo unbedingt die Zeit im Bus wiederholen will." Sagte Paddy leicht spöttisch. „Was meinst du denn damit?" Ehe Paddy etwas sagen konnte, antwortete Maite: „Angelo hat seinen Wohnsitz in Bonn aufgegeben, einen Bus gekauft und fährt damit durch Europa." „Ach was. Na dann wundert es mich nicht, dass sie nicht antwortet." Paddy setzte an, um etwas zu sagen, biss sich dann jedoch auf die Lippe und presste seinen Kiefer fest zusammen, als ob er es vermied etwas Falsches zu sagen. Maite ignorierte ihren Bruder gekonnt, doch Hannah sah ihn fragend an. „Ach ja und Joey wirst du hin und wieder mal im Fernsehen sehen. Der macht seinen Extremsport leidenschaftlich weiter." Maite und auch Paddy erzählten einige Dinge, die sie von ihren Geschwistern wussten. „Also macht jeder so sein eigenes Ding.", schlussfolgerte Hannah aus all den Informationen, die sie von Ihren Freunden bekam. Maite nickte. „Ich denke, das tut allen ganz gut. Jeder ist sein eigener Herr, hat seine eigene Familie und Leben und das ist auch gut so. Und wie ist es bei dir? Kommt Leon denn irgendwann nach?" Hannah zuckte mit den Schultern. Sie hatte zuvor noch gar nicht mit Leon darüber gesprochen. Insgeheim wünschte sie es sich jedoch sehr, doch sie wusste auch, dass ihm die Arbeit in Äthiopien sehr am Herzen lag. „Ich glaube, vorerst ist das nicht absehbar. „Aber er kommt dich doch bestimmt besuchen?", forschte Sandra schließlich nach. „Immerhin müssen Maite und ich deinen neuen Freund noch absegnen. Wenn er nicht Sandra-tauglich ist, dann brauch er gar nicht zurück nach Deutschland kommen." Hannah verdrehte die Augen. Jedes Mal machte Sandra solche Aussagen, sobald es um Hannahs Bekanntschaften ging. Sie wusste, dass ihre Freundin es nur gut meinte und sich durchaus viel mehr Sorgen um sie machte, als sie selbst, doch dieses Gehabe ging Hannah ziemlich auf die Nerven. „Ihr werdet ihn schon noch kennen lernen. Keine Panik. Außerdem hatte Emil da auch ein Auge drauf." Sagte Hannah leicht genervt. „Paddy du hast Leon doch kennen gelernt, oder?", fragte Sandra offen raus. Hannah hörte ihre Augen kaum und verschluckte sich an ihrem Wasser. Mit finsterem Blick löcherte sie Sandra. ‚Das hat sie jetzt nicht wirklich gefragt', dachte sich Hannah im Stillen und wäre am liebsten im Erdboden verschwunden. Auch Paddy schien die Frage unangenehm zu sein, antwortete jedoch freundlich. „Ich finde Leon sehr sympathisch." „Und weiter?", harkte nun Sandra nach. Paddy zwang sich zu einem Lächeln. „Vielleicht machst du dir selbst ein Bild, wenn du ihn dann kennen lernst. Ich denke Hannah wird dir das schon nicht verheimlichen, wenn er in Deutschland sein sollte." Er schaute Hannah erwartungsvoll an und hoffte auf eine Zustimmung ihrerseits. „Klar, ich lade euch alle ein, wenn Leon in der Stadt sein sollte." Sandra brummte leise und gab sich geschlagen.

Hannah erzählte viel über ihre Zeit in Ätiopien, erzählte wie sie sich mit Emil die ersten Tage zurecht finden musste, was es anfangs für ein Kulturschock war und was sie durch ihre Arbeit bereits alles erreicht hatte. „Muss es für Emil nicht besonders schwer sein?", fragte Sandra, „Ich meine in so einem Land, wo Homosexu..." Hannah stockte der Atem und auch Sandra war bewusst, dass sie gerade zu viel sagte und biss sich auf die Lippe. Paddy, der im Gegensatz zu seiner Schwester die austauschenden Blicke von Hannah und Sandra wahrnahm, schaute skeptisch in die Runde und zählte eins und eins zusammen. „Emil ist schwul?" Hannah schoss das Blut ins Gesicht, während Sandra versuchte die Situation zu retten und das Thema runterzuspielen. „Ach das weiß man nicht. So es gibt noch Nachtisch. Hannah, hilfst du mir?" Hannah tat dies nur zu gerne und verließ mit Sandra den Tisch. Florent und Sascha zuckten unbeirrt mit den Schultern und waren wieder in ihrem Gespräch vertieft. „Wusstest du das?", fragte Paddy Maite leise. „Was?", tat Maite ahnungslos. „Ist es deswegen mit Hannah und Emil auseinander gegangen?" Sie zuckte reserviert mit den Schultern. „Komm schon, du verheimlichst mir doch etwas." Paddy sah seine Schwestern eindringlich an. „Nicht jetzt", zischte sie und lächelte zu Hannah und Sandra hinüber, die mit den ersten Dessertschälchen zurück ins Esszimmer kamen.

Den Rest des Essens sprach Paddy noch weniger als zu vor und war in seinen Gedanken vertieft. Vermutlich machte er, wie so häufig in letzter Zeit, aus einer Mücke einen Elefanten. Auf der einen Seite ging es ihn auch nicht das geringste an, was zwischen Emil und Hannah gelaufen ist. Schließlich hatten sie Jahre lang keinen Kontakt und jeder lebte das eigene Leben. Auf der anderen Seite brannte seine Neugier. Was war passiert? Der Tag verlief ohne weitere „Komplikationen". Hannah lachte viel, spielte mit den Kindern und unterhielt sich prächtig mit allen. Dass die Situation zwischen ihr und Paddy, aus welchen Gründen auch immer, angespannt war, überspielte sie gekonnt. Zwar redete sie nur das nötigste mit ihm, aber das schien zu reichen, um den Schein zu wahren. Selbst Maite verstand nicht, warum Paddy wegen Hannah so einen Aufstand machte. Das peinliche Wiedersehen kam auch nicht zur Sprache und nicht nur Hannah war über dieses Schweigen dankbar.

Was wäre wenn?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt