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Missmutig saß Hannah in der Kirche neben ihrer Tante Gretchen und hörte nur mit einem Ohr zu. Die letzten Tage waren für Hannah alles andere als angenehm. Nachdem sie bei Maite war, konnte sie an nichts anderes mehr denken als an Paddy und hasste sich selbst. Sie fiel in ein tiefes Loch, wie schon lange nicht mehr, ließ sich von Emil und Sandra trösten. Immer wieder versuchte Hannah Paddy zu erreichen, auch wenn sie wusste, dass sein Handy bei Maite war. Sie hoffte, dass er vielleicht doch bei Maite aufgekreuzt war und sein Handy abgeholt hatte. Selbst Sandra versuchte Hannah zu helfen und rief in Burgund im Kloster an, doch auch der freundliche Mönch konnte und durfte ihr keine Auskunft geben. Schließlich verbrachte Hannah eines der traurigsten Heiligabende, die sie je hatte. Selbst ihre Eltern konnten sie nicht aufmuntern und es tat ihr unendlich leid, dass sie ihren Eltern das Weihnachtsfest verdorben hatte. Am ersten Weihnachtsfeiertag waren sie bei Tante Gretchen zum Essen eingeladen. Hannah weigerte sich zuerst ihre Eltern zu Tante Gretchen zu begleiten, da sie die Stimmung nicht weiter vermiesen wollte, doch ihre Eltern bestanden drauf, dass sie mitgeht.Mit gespielter Freude ließ Hannah den Besuch bei ihrer Tante über sich ergehen und schrie innerlich auf, als alle nochmals in die Kirche und anschließend, wie jedes Jahr, mit warmen Kakao und Keksen bewaffnet, zu Bastis Grab gehen wollten. Sie wollte nichts sehnlicher als alleine in ihrem alten Zimmer zu sitzen und Trübsal zu blasen.  

Tante Gretchen drückte ihren Oberschenkel und riss Hannah in der Kirche aus ihren Gedanken. „Es wird alles wieder gut, glaub mir.", flüsterte Tante Gretchen ihr zu. „Die Zeit heilt alle Wunden." „Ich weiß.", antwortete Hannah traurig und lächelte ihre Tante gequält an. SIe wollte keine Widerworte geben und stimmte ihrer Tante zu. Allerdings glaubte sie nicht an die Worte. Im Gottesdienst bekamen alle nach dem Segen eine Kerze, die jeden Besucher den Weg nach Hause leuchten sollte. Schweigend nahm Hannah ihre Kerze entgegen und verließ zusammen mit ihrer Familie die Kirche. Gemeinsam gingen sie zum Friedhof, tranken Kakao und aßen Kekse. Trotz der späten Uhrzeit waren vereinzelt Menschen auf dem Friedhof, die Kränze niederließen oder im Stillen an den Gräbern beteten. „Also so langsam wird es doch etwas ungemütlich.", sagte Tante Gretchen, die nicht mehr die Jüngste war, und lud alle nochmal zu sich auf einen heißen Eierlikör ein. „Liebes, kommst du?", fragte Tina, als sie sich auf den Weg machen wollten, doch Hannah schüttelte den Kopf. „Ich brauche noch einen Moment. Geht ihr ruhig. Wir sehen uns dann zu Hause. Ich gehe zu Fuß." Hannahs Mutter wollte protestieren, doch ihr Vater hielt ihre Mutter liebevoll zurück und schüttelte kaum merklich den Kopf. „Ist gut, Hannah. Wir sehen uns dann später." Hannah wartete, bis ihre Eltern und Tante Gretchen verschwunden waren, und setzte sich anschließend im Schneidersitz in den Schnee. Die Kerze stellte sie vor sich ab. Zuerst starrte sie nur auf den Grabstein ihres Bruders und stütze ihren Kopf auf ihren Händen ab, dann schnaufte sie wütend aus und fing an mit ihrem Bruder zu reden. „Ja, danke Basti. Ich weiß selbst, dass ich ein Idiot bin. Das brauchst du mir nicht zu sagen. Ja klar, ich hätte jedes Kloster hier in der Nähe abfahren können. Glaub mir, den Gedanken hatte ich wirklich. Bei einigen habe ich sogar nachgefragt, aber es hat offensichtlich nichts gebracht. Ich kann nur hoffen, dass Paddy irgendwann wieder auftaucht und mir nochmal eine Chance gibt alles zu erklären. Oh, ich hoffe inständig, dass Maite Paddy irgendwie meine Briefe überreichen kann. Vielleicht meldet er sich ja bei ihr und Maite kann mir sagen, wo er steckt." Hannah trank einen Schluck aus ihrer Thermostasse und war in ihre Gedanken vertieft. Sie beobachtete die anderen Passanten und wurde traurig. Leise fing sie an "Steamroller" zu singen, während ihr leise Tränen über die Wangen liefen. Dabei bemerkte sie nicht, dass sich ihr jemand näherte. Schniefend sang Hannah vor sich hin und wischte sich ihre Nase an ihrem Ärmel ab. Sie erschrak, als sich der jemand zu ihr herunter kniete und ihr ein Taschentuch reichte. „Danke", sagte sie ohne aufzublicken und wurde erst skeptisch als die Person keine Anstalten machte wieder zu gehen, traute sich jedoch nicht, etwas zu sagen, geschweige denn die Person anzuschauen. „A part of me wants you but most of me needs you.", sagte eine ihr bekannte Stimme. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie in Paddys Gesicht, dessen Augen auf den Grabstein gerichtet waren. „Paddy, du...was.." Paddy wendete seinen Blick vom Grab an und schaute Hannah tief in die Augen. Er grinste breit, als er sagte. „So I won't fall, unless you ask me to." „Du hast meinen Brief gelesen?", fragte Hannah. Als Paddy nickte, fiel Hannah Paddy um den Hals. „Ich bin so blöd gewesen, es tut mir so leid.", sprudelte es aus ihr heraus und fing wieder an zu weinen. Paddy nahm sie fest in die Arme und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. „Ach Marmot. Ich bin genauso ein Idiot. Vielleicht passen wir deshalb auch einfach so gut zusammen und können nicht ohne einander. Hannah lachte leise und löste sich von Paddy, um ihn anzusehen. Auch Paddy war den Tränen nahe. „Paddy, ich..." Doch Paddy schnitt Hannah die Worte ab, um sie zu küssen. Er war der erste, der den Kuss löste und sah Hannah verliebt an. „Ich dich.." setzte Paddy an, doch nun war es Hannah, die ihre Lippen auf seine presste und in den Kuss hinein grinste.


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