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Hannah sah verdattert in Leons Richtung. „Ehm, wenn du nicht willst, ist das auch ok.", sagte Leon. Verunsichert ging er sich durch die Haare. So als wenn Hannah ihre Last abladen würde, schüttelte sie den Kopf und lächelte Leon an. „Ja, sehr gerne. Tut mir leid, ich war nur gerade in meine Gedanken vertieft." Die Erleichterung war förmlich in Leons Gesicht geschrieben als Hannah seine Einladung annahm. Gemeinsam verließen sie das Internetcafe, um ein paar Straßen weiter in ein kleines Cafe zu gehen, das sehr amerikanisch angehaucht war. Hannah sah sich skeptisch um. „Warum erinnert mich dieses Cafe nur an Starbucks?" Leon grinste. „Weil es quasi Starbucks ist, nur eben afrikanischer. Ich meide eigentlich solche Ketten, aber die haben hier einen echt guten Roibuschtee." Er hielt ihr wie ein Gentleman die Tür auf, wofür sich Hannah lächelnd bedankte, ehe sie sich einen Platz gesucht hatten. „Wow, der Tee ist wirklich gut.", staunte Hannah und nahm gleich noch einen Schluck aus ihrer Tasse. „Sag ich doch." Tom grinste breit, wurde dann jedoch etwas ernster. „Geht es dir besser? Du sahst im Internetcafe echt nicht glücklich aus." Hannah stellte ihre Tasse ab. „Nein, das stimmt, ich war wirklich nicht glücklich, aber mir geht es gut, danke der Nachfrage." „Wenn du darüber reden willst, ich stelle mich gerne zu Verfügung. Ich finde es schwer hier Leute zu finden, mit denen man über Probleme reden kann. Du weißt ja selbst wie das ist. Die engsten Vertrauten sind dann doch leider viel weiter weg, als man es gerne hätte." Hannah lächelte schelmisch. „Vielen Dank für das Angebot, aber es ist wirklich nicht der Rede wert. Ein...Verwandter...ist nur viel länger als geplant verreist." Dass Ihr damaliger Freund sich für immer ins Kloster verzog wollte sie nicht preisgeben. „Du scheinst aber Redebedarf zu haben, so wie es sich anhört." Leon grinste. „Naja, nicht direkt. Ich habe nur sehr gerne Gesellschaft von netten Damen." Hannah fand dieses auffällige Flirten von Leon irgendwie fehl am Platz, doch sie ging darauf ein. „Gleich von mehreren also, ja? Machst du das etwa öfter? Weibliche Wesen in Internetcafes anzusprechen?" „Nein, nur die, die mir besonders gefallen." Auch wenn ihr Leon zu sehr in die Offensive ging, unterhielten sie sich den Nachmittag prächtig. „Und du kommst ursprünglich aus Regensburg? So typisch bayrisch klingst du aber nicht." Leon antwortete mit einem perfekten bayerischen Dialekt, so dass Hannah anfing zu lachen. „Ok, du hast mich definitiv überzeugt." Sie schaute auf die Uhr und erschrak. „Oh, Mist. Es ist schon so spät. Ich bin noch mit Emil und meinem Vater zum Essen verabredet." Sie suchte in ihrer Taschen nach Kleingeld, doch Leon hinderte sie daran. „Ich lade dich ein. Der Tee geht auf mich." Hannah lächelte: „Vielen Dank." Sie war gerade auf dem Sprung nach draußen, als sie sich in der Tür nochmal umdrehte. „Sag mal. Hast du noch etwas vor? Willst du mich nicht einfach zum Essen begleiten? Emil und Klaus würden sich bestimmt freuen." „Da sage ich doch nicht nein." Leon bezahlte schnell und ging mit schnellen Schritten zu Hannah. „Dann kannst du dich auch gleich revanchieren und mich zu Essen einladen." Leon ließ seine makellosen Zähne blitzen, während Hannah gespielt empört ansah. „Na du hast ja echte Wunschvorstellungen. Schon vergessen, dass ich meinen Tee selbst bezahlen wollte?" Sie lachten beide vergnügt, als sie vor einem Restaurant stehen blieben, vor dem bereits Emil und Klaus warteten.

„Da bist du ja endlich. Ich dachte schon, dir ist etwas zu gestoßen.", rief ihr Emil schon von weiten hinzu und grinste verschmilzt. „Aber wie ich sehe, hat dich etwas ganz anderes aufgehalten. Hannah streckte ihm unbemerkt die Zunge raus, während Leon antwortete: „Ich habe sie einsam und verlassen im Internetcafe aufgegabelt. Ein wenig hilflos sah sie tatsächlich aus." „Also echt!", rief Hannah empört und blickte hilfesuchend zu ihrem Vater, als Emil und Leon anfingen zu lachen. „Ich halte mich da lieber heraus.", sagte Klaus und machte eine einladende Bewegung in das Restaurant. Das Restaurant bot traditionelle äthiopische Küche. Die Besucher saßen, um ein Tischtuch herum, auf dem Boden und teilten sich die bunten Speisen, die in der Mitte für alle erreichbar waren. Ein traditionelles Brot wurde als Besteck verwendet, nur Suppen wurden mit einem Löffel serviert. Das Essen schmeckte Hannah hervorragend und auch die Gesellschaft fand sie überaus sympathisch. Leon war gerade in ein Gespräch mit Klaus vertieft, als Emil Hannah leise zuflüsterte. „Leon scheint doch wirklich nett zu sein. Deiner Körpersprache nach zu urteilen, scheinst du auch nicht ganz abgeneigt zu sein." Hannah rollte mit den Augen. „Emil, ich habe dir schon so oft gesagt, dass du mich nicht analysieren sollst." Ihr scharfer Ton wurde jedoch sanfter. „Aber du hast gar nicht so unrecht. Er ist wirklich sehr nett. Ich mag ihn." Triumphierend blickte Emil zu Hannah herab. „Ein guter Freund sieht einfach alles. Sagst du mir, was dich noch bedrückt?" „Du hast recht, du siehst auch wirklich alles. Das ist eine deiner nervigsten Eigenschaften, weißt du das?", erwiderte Hannah und rieb sich die Hände. „Wir gehen mal eben kurze Luft schnappen.", sagte Emil und stand auf, um Hannah die Hand zu reichen. Klaus und Leon nickten und widmeten sich wieder ihrem Gespräch, während Hannah Emil nach draußen folgte. „Also, was bedrückt dich?", fragte er gleich. Hannah sah in die Ferne. Die Lichter der Stadt blinzelten in den Fenstern in einem hellen Gelbton. Hin und wieder strahlte eine Anzeigetafel in bunten Farben auf und erleuchteten die einzelnen Palmen, die eine Allee bildeten. Sie atmete einmal tief ein und aus, setzte sich auf das Fensterbrett des Restaurants, ohne ihren Blick abzuwenden, während Emil geduldig wartete. Er wusste, dass sie die Zeit brauchte, um ihre Gedanken zu ordnen und die passenden Worte zu finden. „Ich habe heute mit Maite geredet und erfahren, dass Paddy im Kloster bleibt...also so richtig. Für immer. Ich wusste, dass so etwas passieren könnte, aber dass es jetzt wirklich so sein soll, kam für mich doch irgendwie unerwartet. Ich weiß auch nicht. Vielleicht habe ich gedacht, dass er irgendwann doch nochmal aus dem Kloster austritt oder so." Emil hörte Hannah aufmerksam zu. „Warum hat Maite dir das erzählt?", fragte er als Hannah ihre Gedanken beendet hatte. „Ich meine, sonst weißt du doch auch rein gar nichts über ihn und Maite hält sich doch auch immer sehr bedeckt." Hannah pustete ihre Wangen auf. „Weil ich dachte, je weiter ich weg bin, desto weniger kommt die ganze Sache an mich heran. Es ist meine Schuld. Ich habe Maite gefragt, wie es ihm geht und da hat sie es erzählt." „Mhh, verstehe. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Nachricht nicht gerade einfach ist. Soll ich ehrlich sein?", fragte Emil vorsichtig und fuhr fort als Hannah lächelnd nickte. „Ich weiß, du willst das nicht hören, aber ich bin immer noch der Meinung, dass dir viel an ihm liegt und du dir mit deinem Dickkopf selbst eine gute Freundschaft verbaut hast. Ich weiß auch, dass dich niemand von deinen Prinzipien abbringen kann. Aber ich glaube, dass du seinen Schritt wiederum für dein Wohlbefinden als endgültigen Schlussstrich sehen kannst. Er hat seine Entscheidung getroffen und geht den nächsten Schritt. Vielleicht solltest du das endlich auch tun und mit allem wirklich komplett abschließen. „Ach Emil, ich habe doch schon damit abgeschlossen", seufzte Hannah. Emil hingegen schüttelte den Kopf. „Du weißt genauso gut wie ich, dass du dir schon seit Jahren etwas vormachst. Du hast gelernt mit der Situation zu leben, da stimme ich dir zu, aber damit Frieden geschlossen hast du noch lange nicht." Hannah legte ihren Kopf an Emils Schulter ab. „Ich hasse es, wenn du Recht hast." Emil lächelte und nahm sie halb in die Arme. „Ich weiß. Glaub mir, ich weiß wie sehr du dich immer wieder mit Paddy und der Vergangenheit quälst. Wenn es nach mir ginge, wärst du mit mir schon hunderte Male in dieses beschissene Kloster gefahren, damit du dir über alles klar wirst und ihr nochmal miteinander redet. Vielleicht ist dieser mentale Abschied für dich aber auch viel besser."

Was wäre wenn?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt