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„Hannah?" Sandra betrat die Wohnung und schaute sich suchend um, bis sie Hannah hörte, wie sie sich die Nase putzte. Sie fand sie in der Küche auf dem Boden sitzend, die Arme um ihre angezogenen Beine geschlungen. Neben ihr waren einige zerknüllte Taschentücher und das Glas, aus dem sie zuvor Wasser getrunken hatte, lang längs auf dem Boden, neben dem sich eine Pfütze bildete. Sandra wich einen Schritt zurück. Dass sie Hannah so vorfinden würde, war ihr nicht bewusst. „Oh man", flüsterte sie mehr zu sich selbst als zu Hannah, setzte sich zu ihr und nahm sie in die Arme. Hannah lehnte ihren Kopf an Sandras Schulter und weinte. „Das ist doch alles echt zum Kotzen! Ich hasse sie alle!" Sandra erwiderte nichts, während Hannah all ihre angestaute Wut auf die Welt raus ließ. "Das ist doch alles so ungerecht. Keiner versteht mich. Das ist doch alles fürn Arsch. So eine verfickte scheiße." Als sie sich einigermaßen beruhigt hatte, verfrachtete Sandra Hannah aufs Sofa und machte in der Küche Tee. „Danke", sagte Hannah und nippte vorsichtig an dem heißen Getränk. Sandra nahm auf einem Sessel Platz, der dem Sofa gegenüber stand, und schaute besorgt zu Hannah. „Magst du erzählen, warum du so fertig bist?", fragte sie vorsichtig und musste sich einige Zeit gedulden, bis Hannah endlich den Mut aufbrachte zu sprechen. „Ich vermisse Leon. Warum ist er nicht hier? Warum musste er diesen bekloppten Flieger verpassen? Diese Fernbeziehung ist doch echt ätzend. Und warum taucht Paddy hier auf und ist glücklicher als ich? Warum mit Mareike? Die ist doch viel zu jung und besonders gut sieht die auch nicht aus." Den letzten Satz sagte Hannah mit einen abwertenden Ton. „Der kommt aus dem Kloster und hat nichts Besseres zu tun als sich das nächstbeste Mädel zu schnappen. Weißt du was Paddy mir an den Kopf geworfen hat? Sandra schüttelte den Kopf. „Ich würde nicht nach vorne schauen und ich hätte mich komplett verändert! So ein Arschloch. Er ist doch vor seinen Problemen weggerannt und hat sich in ein Kloster verpisst." Sandra hatte mit einer Wuttriade auf Leon gerechnet, jedoch nicht, dass ihr Problem offensichtlich woanders lag. „Um was geht es eigentlich genau?", fragte Sandra nach. „Ich dachte, du bist wütend auf Leon.." „Ja, das bin ich auch." „Aber...", Sandras Stimme verebbte mitten im Satz und sie überlegte zweimal, ob sie das, was sie eigentlich sagen wollte, wirklich aussprechen sollte. „Ist dir aufgefallen, dass du dich gerade viel mehr über Paddy und Mareike aufregst?" „Er hat mich gerade auch voll fertig gemacht!", versuchte Hannah ihre Situation zu erklären. Sandra atmete tief durch. „Antworte ehrlich. Bist du eifersüchtig auf Mareike?" Hannah schnaubte verächtlich und drehte ihren Kopf zur Seite. „Weißt du was ich glaube? Ich denke, du bist noch lange nicht durch mit dem Kapitel. So wie du dich heute verhalten hast. So habe ich dich noch nie gesehen. Kurz habe ich gedacht, du springst Mareike an die Gurgel. Dir stand das Wort Eifersucht ja förmlich auf der Stirn." „Wäre der Vollidiot doch mal im Kloster geblieben, dann müsste ich mir jetzt nicht so einen Scheiß von dir anhören und ich hätte definitiv weniger Probleme. Ich bin ganz sicher durch mit dem Thema." Sandra schüttelte kapitulierend den Kopf. „Weißt du was, wenn du der Meinung bist, bitte. Ich denke du machst dir da selbst etwas vor. Wenn du wirklich mit Paddy durch bist, dann solltest du ihm auch sein Glück gönnen und nicht wie die eifersüchtige Exfreundin sein und auch dein eigenes Leben zur Hölle machen. Denk mal daran zurück, wie Paddy reagiert hat, als er dich mit Leon gesehen hat. Ich gehe fest davon aus, dass er sich nicht aufgeführt hat wie du." Sandra stand auf und streckte sich. „So, ab ins Bett. Du musst auch erstmal deinen Rausch ausschlafen. Aufräumen können wir auch morgen. Maite, Nora und Nicole kommen übrigens morgen auch noch einmal vorbei, um sich zu verabschieden. Also schlaf gut."

Hannah antwortete nicht und Sandra ließ es für heute gut sein, ging ins Badezimmer und machte sich bettfertig. Hannah hingegen ließ sich einfach zur Seite fallen und deckte sich mit der Sofadecke zu. Sie starrte gegen die Wand und ließ den Abend Revue passieren, dachte über Paddys und Sandras Worte nach. „Ihr könnt mich echt alle mal kreuzweise.", nuschelte sie wütend in die Dunkelheit, ehe sie die Augen schloss und dank des Alkohols schnell in den Schlaf fand.

Was wäre wenn?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt