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„Paddy, ich...es...", stotterte Hannah. „Boah, es reicht jetzt. Wenn du dich noch einmal entschuldigst, dann schwöre ich bei...bei allem was mir heilig ist, ich schubse dich aus dem fahrenden Auto. Lass es gut sein. Es ist ok.", sagte Paddy gereizt. Über die gesamte Autofahrt versuchte sich Hannah zu erklären, versuchte sich zu entschuldigen. Doch je mehr sie die Wogen glätten wollte, desto mehr stampfte sie ins Fettnäpfchen. Paddy war es durchaus bewusst, dass Leon immer noch von Bedeutung war. Er musste es nicht auch noch ständig unter die Nase gerieben bekommen. „Ich weiß gar nicht, wie das im neuen Jahr alles werden soll." Paddy wurde hellhörig. „Was genau meinst du?" „Ohje, das ist heute Abend ja völlig unter gegangen. Mein Chef will, dass ich im neuen Jahr nochmal nach Äthiopien reise, um nach dem Rechten zu sehen. Leon ist ja bekanntlich auf dem Egotrip und Emil ist hier bei seiner Mutter eingespannt. „Mhh, verstehe. Weißt du denn schon für wie lange?" Paddy malte sich die wirrsten Gedanken aus. Was ist, wenn Hannah über Monate weg sein würde? Oder wenn sie sogar wieder mit Leon zusammen arbeiten muss. Er schüttelte unmerklich den Kopf und musste sich eingestehen, dass er selbst gerade übertreibt und seine Vorstellungen und die Angst völlig absurd sind. „Ich weiß es nicht. Nicht so lange, denke ich. Vielleicht nur so lange bis Emil...oder..", sie schaute behutsam zu Paddy, der bereits wieder seinen Kiefer anspannte, „Du-weißt-du-schon-wer, wieder übernehmen kann." „Was natürlich noch nicht absehbar ist.", stellte Paddy schließlich fest und Hannah nickte zustimmend.

Paddy fuhr Hannah nach Hause. Sie hatte immer noch ein fürchterlich schlechtes Gewissen und wollte es irgendwie wieder gut machen. „Willst du noch mit rein kommen?", fragte sie hoffnungsvoll, doch Paddy schüttelte den Kopf. „Würde ich gerne, aber ich muss meine Sachen für morgen noch packen." „Na gut.", lenkte Hannah ein. „Ich hole dich morgen früh ab und wir fahren zusammen zum Bahnhof, ok?" Er und Hannah verabschiedeten sich und gingen ihrer Wege.

Kaum verschwand Hannah in ihrem Haus, plagte Paddy das schlechte Gewissen. Seine Sachen hatte er schon lange gepackt, er selbst war nur angefressen, weil der Abend in die Hose ging und Leon, trotz Abwesenheit, wieder so präsent war. Nach Hause wollte er auf keinen Fall. So zückte er sein Handy und rief kurzerhand Christian an. „Hey, Bock auf ein Bier im Pub?"

Ungeduldig wartete Paddy auf seinen Kumpel in ihrer Stammkneipe. „Oh Mr. Kelly, was verschafft mir die Ehre?", begrüßte ihn Christian höhnisch und deutete mit einer Handbewegung dem Barkeeperin an, dass er zwei weitere Biere haben möchte. „Hab das mit dir und Maike gehört...mies." „Ach alles gut, we're good." „Puh, ich dachte schon, ich müsste mir jetzt dein Geheule anhören, weil du es verkackt hast." „Hell, no. Was denkst du schon wieder von mir?" Paddy mochte Christians neckische Art, die ihm gerade recht kam. Er hatte keine Lust ständig über Hannah nachdenken zu müssen, so dass er Christians Gesellschaft umso mehr schätzte. „Und wie sieht's bei dir denn jetzt so aus mit dem besseren Geschlecht?", fragte Christian unverblümt. „Nein, bitte, Chris. Heute keine Frauen, ja? Mir raucht eh schon der Kopf." „Oho, verdrehen dir gleich Mehrere den Kopf, ja?" Paddy nahm einen großen Schluck von seinem Bier. „Mehrere? Wovon träumst du nachts? Eine einzige. Und jetzt lass es gut sein" „Oh du meinst die kleine, zierliche Arbeitskollegin von Maike, oder?" Paddy sah seinen Kumpel entgeistert an. „Ach ich bitte dich. Jeder mit ein bisschen Menschenkenntnis, nein jeder mit einem Krückstock, sieht doch, wie du ihr hinterher schmachtest. Selbst Maike hat so etwas angedeutet." Er sah Christian ertappt an und nickte stumm. „Das wird schon, Bro. Und wenn nicht, es gibt noch tausend andere Frauen auf der Welt." Christian hob sein Glas und stieß mit Paddy an. „Und jetzt hoch den Humpen! Christl bist du so gut und holst uns die Schmuckstücke ausm Abstellraum?" „Nein, Chris. Bitte nicht. Ich bin nicht in der Stimmung." Doch Christian grinste nur. „Wer mich mitten in der Nacht um ein Bier bittet, der hat keine andere Wahl." Christian schnappte sich eine alte Gitarre, stimmte sie schnell und setzte sich auf einen Barhocker. Seine Finger glitten nur so über die Saiten, dass eine neue Melodie zustande kam, die Paddy nicht kannte. In Paddys Händen fing es an zu kribbeln. Vielleicht war Musik jetzt genau das richtige. „Screw you!", schimpfte Paddy mehr scherzhaft als Ernst gemeint und schnappte sich die andere Gitarre, um mit Christian Musik zu machen. Die anderen Besucher des Pubs scharrten sich um die beiden Gitarristen, klatschten Beifall und sangen das ein oder andere Lied mit. Manche wünschten sich sogar Songs, die er und Christian versuchten, so gut es ging zu interpretieren. Eine Clique von Frauen war besonders angetan von der Musik und klebten förmlich an ihnen. Immer wieder wünschten sie sich Songs, fingen an zu tanzen und unterhielten sich in den kurzen Pausen zwischen den Liedern mit Paddy. „Du bist doch der aus der Kelly Family?", sagte eine hübsche Frau mit braunen Haaren und fast schwarzen Augen. „Eine meiner Freundin war ein ziemlich großer Fan von euch. Ich stand ja mehr auf die Backstreet Boys und Blümchen.", erzählte sie weiter. Paddy lächelte freundlich. „Dann hatte deine Freundin eindeutig den besseren Geschmack." Sein Kommentar brachte die Frau zum Lachen. „Mag sein. Hi, ich bin Sahra." „Immer noch der aus der Kelly Family.", sagte Paddy entschuldigend. „Bist du öfter hier?" Paddy war langsam genervt. Er wollte keine neuen Kontakte knüpfen, geschweige denn mit fremden Frauen ein Gespräch beginnen. „Nein, nicht so häufig." Er stimmte die Gitarre, in der Hoffnung, dass seine Abwesenheit das Gespräch beenden würde, doch Sahra sprach einfach drauf los. „Willst du vielleicht noch etwas trinken? Ich wollte mir gerade noch etwas holen." „Nein, danke. Was ist Chris, spielen wir noch einen?" Chris nickte und fing an wie wild auf der Gitarre zu spielen. Paddy stimmte einfach mit ein. Sahra schaute beleidigt drein und ging an die Bar, um sich etwas zu trinken zu holen. Immer wieder kamen Frauen auf Paddy zu, die sich mit ihm unterhalten wollten. Er antwortete freundlich, jedoch resigniert und versuchte bei den Frauen nicht die Idee zu wecken, dass er Interesse an ihnen hätte. Je später der Abend wurde, desto leerer wurde es in dem Pub. Chris und Paddy blieben, wie so oft, bis spät in die Nacht und machten zusammen Musik. Bevor sie die Gitarren wieder zusammen packten, gaben sie Christl ein ordentliches Trinkgeld und halfen ihr den Laden zu schließlich. „Ja mei, Patrick. Die jungen Mädels konnten sich ja heute gar nicht genug an dir satt schauen." Paddy verdrehte die Augen. „Echt. Wie gelangweilt und desinteressiert muss ich denn noch aussehen, damit die mich in Ruhe lassen? Warum können die sich nicht mal an Chris hängen? Mach dich mal attraktiver", scherzte Paddy. Chris hingegen hielt jedoch drei Servietten hoch. „Samma, reichen die Nummern hier etwa nicht? Du hast eben halt noch das Milchbubigesicht. Hör halt auf immer dein charmantes Lächeln beim Spielen aufzusetzen, dann kommt bestimmt keine mehr zu dir."

„Also mein Großer, mach es gut. Nächstes mal meldest du dich mal eher, dann können wir mal wieder etwas starten.", sagte Christian und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Mach ich. Bis dann." Paddy ging die Straße entlang und sah vom Weiten schon die Frauenrunde, zu der auch Sahra gehörte. Er zog sich seinen Schal höher ins Gesicht und wechselte die Straßenseite. „Oh da ist ja der Herr Musiker. Warum so schüchtern?", schrie eine Frau leicht lallend über die Straße. Paddy hatte überhaupt keinen Bock auf eine weitere Konversation. Er schaute rüber und sah, wie die Frauen sich versuchten gegenseitig Halt zu geben und atmete tief ein. Warum musste sein besonders ausgeprägtes Helfersyndrom immer dann ausschlagen, wenn er es nicht brauchte? Paddy blieb stehen und wollte gerade wieder die Straßenseite wechseln, wollte wenigstens nachfragen, ob er ihnen ein Taxi rufen kann, als eine Frau rief. „Willst du einen Blow Job? Ich bin auch für eine Nacht zu haben. Los, trau dich. Superstar!" Er traute seinen Ohren kaum. Solche Sätze hatte er schon lange nicht mehr gehört und war so angewidert, dass er beschloss einfach weiter zu gehen und den Frauen keine weitere Aufmerksamkeit zu schenken. „Ich dachte diese Zeiten sind endgültig vorbei.", dachte er sich und ging mit schnellen Schritten nach Hause.

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