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Paddy blieb den ganzen Tag bei Maite und ihrer Familie. Er las den Kindern noch eine Geschichte vor, ehe er sich von Maite und Florent verabschiedete. Kaum war Paddy aus der Tür und die Kinder ins Bett gebracht, widmete sich Maites Hannahs Brief.

„Liebe Maite,

Der letzte Brief ist schon ein wenig her, was mir schrecklich leid tut. Ich bin froh, dass wir letztens kurz skypen konnten. Also hier wie verspochen jetzt die ausführliche Version zu mir und Leon. Tja, wo soll ich da nur anfangen. Dass wir uns öfter mal zum Tee trinken getroffen haben, weißt du ja und auch, dass er immer „rein zufällig" bei uns im Dorf aufgetaucht ist. Immer, wenn wir zusammen Zeit verbracht haben, haben wir uns sehr gut verstanden. Er bringt mich zum Lachen und sein Kampfgeist, den er für seine Projekte aufbringt, bewundere ich zutiefst. Eines Abends war ich bei einer Versammlung in Addis Abebe und Leon war selbstverständlich auch da. Wir waren danach Essen und als wir gemeinsam zum Hotel zurück geschlendert sind, ist es einfach passiert. Frag mich nicht wie, das Timing hat einfach gestimmt. Vielleicht lag das auch an der romantischen Stimmung am Pool oder an dem ausgesprochen guten Gesprächsthemen während des Abendessens. Seitdem sind wir ein Paar und ich bin wirklich glücklich Leon an meiner Seite zu haben. Wir machen beide irgendwie unser Ding, fokussieren uns auf unsere Arbeit, aber sobald wir zusammen sind, sind wir wie eine Einheit. Das klingt total lächerlich, wenn ich das so lese, aber so fühlt es sich tatsächlich an. Seit langem habe ich mich nicht mehr so frei und dann doch so geborgen gefühlt. Er lässt mir meinen Freiraum, wenn ich ihn brauche. Auf der anderen Seite scheint er aber auch einen Sinn dafür zu haben, wenn ich mich schlecht fühle und ich ihn brauche. Wir brauchen nicht viele Worte, um uns zu sagen, ob es uns gut oder schlecht geht und das schätze ich wirklich sehr. Weißt du, ich habe vor meinem Abenteuer und schon lange davor mit Hochzeit und Familienplanung abgeschlossen, aber vielleicht liegt es auch daran, dass der Richtige einfach noch nicht aufgetaucht war. Es mag kitschig klingen, aber vielleicht ist Leon dieser jemand. Ich finde es jedenfalls nicht mehr so angsteinflößend und abwegig wie zuvor. Selbst ein klischeehaftes Haus mit Garten finde ich gar nicht mehr so Kacke. Ich weiß, ein knappes Jahr ist nichts gegen die Jahre, die du glücklich mit Florent zusammen bist, aber es fühlt sich einfach richtig und gut an. Keine Angst, ich werde nichts überstürzen und mir in dieser Hinsicht auch überhaupt keine weiteren Traumschlösser bauen. Ich bin nur einfach so verdammt glücklich.

So genug von meiner Schwärmerei. Ich hoffe, dir, Florent und meinen kleinen Bienchen geht es gut. Ich habe noch kleine nachweihnachtliche Geschenke für die beiden, die ich dir (hoffentlich bald) schicken werde. Du weißt ja wie das hier so ist. Ich weiß gar nicht, wann ich das nächste Mal in Addis Abebe bin. Ich bin ehrlich. Ich will meine privaten Briefe und Pakete an meine Liebsten lieber persönlich zur Post bringen. Als Emil seine Briefe an den örtlichen Kurier gegeben hatte, sind die nämlich überhaupt nicht bis zur Zentrale angekommen. Wir haben sie Wochen später im Nachbardorf gefunden und das auch nur, weil Yeshis Bekannte Emils Namen erkannte und die Briefe aus dem Müll gefischt hat.

Ich soll dich auch ganz lieb von meinem Vater und Emil grüßen. Beiden geht es blendend und das Projekt kommt, dank Leon, auch sehr gut voran. Leon versucht seine Kontakte spielen zu lassen und hofft, dass wir ein wenig Unterstützung bekommen. Das wäre für uns auf jeden Fall ein Megaerfolg.

Also bis bald. Ich freue mich schon auf unser nächstes spontanes Skypegespräch.

Hannah"


Maite lächelte und legte den Brief zur Seite. Sie freute sich für Hannah und war froh, dass sie in Leon einen Partner gefunden hat, mit dem sie sich eine Zukunft vorstellen konnte. Im Briefumschlag war ein weiterer Brief, der nach Hannahs Schrift zu urteilen auf die Schnelle geschrieben wurde.


„Maite,

du wirst es nicht glauben. Rate mal, mit wem ich gesprochen habe und wer hier vor einigen Tagen aufgetaucht ist. Falsch! Dein Bruder. Welcher? Dein Bruder, der eigentlich für immer im Kloster leben wollte. Zuerst dachte ich, du hättest etwas damit zu tun. Wie sich aber herausstellte wusste Paddy tatsächlich von gar nichts. Ich gebe Paddy meinen Brief und die Geschenke für Agnes und Josephine mit – falls du Paddy nicht glaubst ;-) Ich hoffe, dir geht es gut und fällst nicht aus allen Wolken, wenn du das erfährst. Wir müssen wirklich bald wieder miteinander reden. Es wird Zeit!

Bis demnächst, Hannah"

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