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Paddy ging zu Hannah und nahm ihr den Bilderrahmen aus der Hand. Er strich über das Glas und war in seine Gedanken vertieft. Hannah beobachtete ihn von der Seite und sah, wie sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln hochzogen. „Weißt du, wie wahnsinnig es mich gemacht hat, weil ich nicht wusste, was mit dir los war? Und Maite wollte mir einfach nicht erzählen was Sache ist. Dass aus einer Lebensmittelvergiftung so ein kleines Wesen dabei raus kommt." Hannah sah Paddy fragend an. „Lebensmittelvergiftung?" „Weißt du das nicht mehr?" Als Hannah den Kopf schüttelte, setzte sich Paddy auf die Lehne des Sofas, sein Blick immer noch auf das Bild gerichtet. „Weißt du das nicht mehr? Du hattest eine heftige Lebensmittelvergiftung und musstest dich ständig übergeben. Und immer, wenn wir telefoniert haben, bist du ins Badezimmer gerannt und hast gekotzt." Hannah fiel es wie Schuppen von den Augen. „Stimmt! Ich war nur am Kotzen. Das einzige, was drin geblieben ist, war Sandras Tomatensuppe." Hannah setzte sich neben Paddy. „Du glaubst nicht, was ich für eine Angst hatte, dir davon zu erzählen. In dem Moment war es einfach nicht der richtige Zeitpunkt." „Ja ich weiß...ich war mir auch total unsicher und wie versteinert, als Maite dann doch endlich mit der Sprache herausgerückt ist. Ich wollte nur noch zu...euch." Hannah nahm Paddy das Bild aus der Hand. „Das war alles schon eine sehr aufregende Zeit. Kaum zu glauben, wie aus diesem kleinen Gummibärchen ein kleiner Mensch gewachsen ist..." Hannah brach mitten im Satz ab und mied es, weiter auf das Ultraschallbild zu schauen. „Im Nachhinein hätte ich viel mehr Zeit mit euch verbringen sollen.", sagte Paddy nachdenklich. „Ich hab von der kurzen Zeit so viel verpasst." Sie stieß Paddy leicht von der Seite an. „Ach komm. Du weißt, dass das zu diesem Zeitpunkt nicht möglich war. Die wichtigsten Sachen hast du doch mitbekommen. Weißt du woran ich mich gerne zurück erinnere?" Paddy schüttelte den Kopf. „An die ersten Tritte, die ich gespürt habe. Und an den Moment, wo ich sie dir das erste Mal zeigen konnte." Nun war es Paddy, der schluckte. Die Schwangerschaft nahm eine bittere Wendung, als Hannah nicht mehr die Tritte bemerkte. Er dachte unweigerlich daran, wie er im Krankenhaus ankam und Hannah mit ihrem toten Sohn im Bett sah. Allein die Erinnerung daran ließ Paddy erschaudern. Er stand auf und wich Hannahs Blicken aus. Seine Gefühle überschlugen sich und Paddy hatte das Gefühl nicht mehr atmen zu können. Mit zittrigen Knien krallte er sich an die Rückenlehne des Sofas und versuchte seine Emotionen im Zaum zu halten. „Hey...hey.." Hannah ging auf Paddy zu. Diesmal war sie diejenige, die Paddy fest in den Arm nahm und versuchte Trost zu spenden. „Alles ist gut, es sollte einfach nicht sein." Paddy erwiderte Hannahs Umarmung, versuchte mit aller Kraft seine Tränen zurück zu halten und hielt den Atem an. Hannah spürte, wie Paddy am ganzen Leib zitterte und versuchte sich zu beherrschen. „Es ist schon ok, lass es ruhig raus." „Er wäre jetzt einfach schon ein kleiner Teenager." Hannah kamen ebenfalls die Tränen. „Ich weiß, Paddy. Ich weiß." Sie strich Paddy liebevoll über den Rücken. „Und was meinst du, wie störrisch und dickköpfig er wäre, wenn er seinen Willen nicht bekommen würde." Paddys Weinen mischte sich mit einem leisen Lachen. „Vermutlich würde er immer noch im Bett liegen und den ganzen Tag verschlafen." „Oder Musik machen", überlegte Hannah. „Oder uns in den Wahnsinn treiben." Paddy beruhigte sich allmählich. „Weißt du, diese Bilder aus dem Krankenhaus lassen mich einfach nicht los. Ich hatte das Gefühl euch im Stich gelassen zu haben und gab mir die Schuld. Vielleicht habe ich euch zu viel zugemutet mit dem ganzen hinterherreisen. Ich hab es nicht einmal geschafft den Kleinen anzuschauen, weil ich mich so schämte." „Ach, Paddy. Rede doch nicht so einen Blödsinn. Du kannst nichts dafür. Es war einfach...eine Laune der Natur?" Eine Weile hingen Hannah und Paddy ihren Gedanken nach. „Willst du nach all dem Kinder?", fragte Paddy gerade heraus. „Eine Zeit lang wollte ich das gar nicht mehr.", gab Hannah zu. „Ich hatte danach ganz schön lange einen Knacks weg, wenn ich ehrlich bin. Aber..." „Aber?", harkte Paddy nach. „Aber als ich wusste, dass du vermutlich das Ewige Gelübde ablegen würdest und das mit Leon anfing, habe ich mich wieder mit diesem Thema befasst und ja...Leon war der, mit dem ich mir Kinder hätte vorstellen können." ‚Genau, das was ich hören wollte', dachte sich Paddy sarkastisch und nahm einen stechenden Schmerz in der Magengegend wahr. „Und was ist mit dir?" „Doch, klar. Schon. Irgendwann." „War das auch ein Grund, warum du dann aus dem Kloster ausgetreten bist?", fragte Hannah ruhig. Paddy überlegte. Am liebsten hätte er ihr gesagt, dass er sich, seitdem er mit ihr in Äthiopien war und sie mit Yeshis Sohn im Arm sah, nichts sehnlicher wünschte als seine eigene kleine Familie und das am liebsten mit ihr. Doch er brachte es nicht übers Herz so ehrlich zu sein, aus Angst vor Hannahs Reaktion. „Naja, ich bin nicht nur deswegen aus dem Kloster ausgetreten. Ich war vor kurzer Zeit an einem Punkt, wo ich gemerkt habe, dass ich einfach einen anderen Weg einschlagen möchte, als vorher." Hannah nickte zustimmend. „Hattest du dir damals eigentlich schon über Namen Gedanken gemacht?" „Nein, nicht wirklich, also nicht so richtig, aber Maite und Angelo hatten die wildesten Namen parat."

Was wäre wenn?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt