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Die Pack- und Aussortieraktion dauerte den ganzen Abend, was dem Sekt zu verdanken war. Geschafft und leicht beschwipst ließen sich Hannah, Emil und Sandra auf das Sofa fallen. „Ich weiß echt nicht, wie ich das ohne euch geschafft hätte. Ihr seid echt meine Retter in der Not.", quiekte Hannah leicht beschwipst. Sie sah sich in der Wohnung um, musterte die vielen Kartons und die mittlerweile kahlen Wände. Ein wenig wehmütig dachte sie daran, wie sie vor einigen Jahren hier eingezogen war und tatsächlich das erste Mal richtig alleine gewohnt hat. Anfangs war es sehr befremdlich, so dass sie Emil mehrere Male anbettelte bei ihr zu übernachten, dann lernte sie Michael kennen, der nach einer Weile einzog. Sie genoss das Zusammenwohnen mit ihrem damaligen Freund. Wenn Hannah an die Zeit mit Michael zurückdachte, war sie eigentlich glücklich, nur der Heiratsantrag überforderte sie. Nie wieder wollte sie an Heirat und Kinder denken, nachdem sie an eigenem Leibe erfahren musste, wie schmerzhaft ein Verlust und eine Trennung sein konnte und sie verstand nicht, warum alle von ihr erwarteten zu heiraten.

Als Paddy und Hannah sich trennten, war Emil der erste, der Bescheid wusste und sie auffing. Es dauerte einige Gespräche, bis Hannah sich einigermaßen gefangen hatte und wieder anfing klar zu denken. Immer wieder stellte sich bei ihr die Frage, warum alles soweit gekommen war. Emil versuchte diese Fragen mit ihr aufzuarbeiten, doch die Erklärungen, die Emil ihr lieferte, machten in ihrem Kopf keinen Sinn. Sowohl Hannah als auch Paddy gestanden sich ihre Liebe, selbst noch an dem Tag, als sie sich getrennt hatten. Sie sind nicht im Bösen auseinander gegangen, hätten theoretisch in Kontakt bleiben wollen. Hätten sie vielleicht doch eher eine Zukunft gehabt, wenn sie kein Kind erwartet hätte? Schließlich stand das Thema Abtreibung auch eine Zeit lang im Raum. Hannah schüttelte den Kopf, um ihre Gedanken an frühere Zeiten zu verdrängen. Wie schaffte es ihr Kopf auch immer wieder auf das eine Thema zu kommen? „Ist noch Sekt da?", fragte sie und inspizierte die Flasche, die vor ihnen auf dem Tisch stand. Sie teilte einen kleinen Rest auf die Gläser auf und nahm sich ihr eigenes. „Auf einen erfolgreichen Neuanfang." Sandra und Emil taten es ihr gleich und prosteten ihr zu. „Wie sagen Timon und Pumbaa? Man muss die Vergangenheit hinter sich bringen. Hakuna Matata!" Mit einem großen Schluck war nun auch der letzte Tropfen Sekt geleert worden. Sandra lachte: „Super Zitat. Hannah, ich bin so stolz auf dich. Du wirst deinen Weg schon gehen. So lange dieser dich irgendwann wieder nach Köln bringt, habe ich auch nichts gegen Äthiopien." Hannah lachte: „Das kann ich dir nicht versprechen, aber so weit will ich auch gar nicht denken. Erstmal das eine, dann das andere." Sandra setzte sich gerade hin: „Also, wenn ich könnte, würde ich ja glatt auch dahinfliegen." Hannah tätschelte ihr die Schulter: „Schätzchen, du bist Mutter und verheiratet. Du kommst doch als Journalistin eh viel rum." Sandra zog eine Schnute, worauf hin Emil und Hannah anfingen zu lachen. „Aber das ist alles so aufregend." „Wir werden dir auf jeden Fall Bericht erstatten."

Die letzten Wochen vergingen wie im Flug, so dass Hannahs letzter Arbeitstag bevorstand. Den Abend zuvor hatte sie Kuchen gebacken, den sie zusammen mit ihren Arbeitskollegen vertilgen wollte. Abgehetzt wie immer hechtete sie mit den Kuchen zum Auto und fuhr ins Büro. Normalerweise war zu der Zeit schon am Empfang viel los, doch heute schien die Rezeption wie ausgestorben. Als sie nichtsahnend im Büro ankam, wurde ihr auch klar warum. Das gesamte Team hat sich versammelt, um Hannah zu verabschieden. Die eher neutral gehaltenen Büroräume wurden mit Girlanden geschmückt, Tische wurde zu einer langen Tafel zusammen gestellt, die durch viele Leckereien und bunten Tellern geschmückt wurden. Hannah war überwältigt. Verlegen stand sie mit ihren Kuchen im Türrahmen und lächelte ihre Kollegen fassungslos an. „Ihr seid echt...wow. Ihr seid toll!" Hannahs Chef trat einen Schritt hervor und umarmte sie. „Frau Münch, wir wollen sie ja nicht einfach so gehen lassen. Ich wünsche ihnen alles Gute für die Zukunft. Ihre präzisen Analysen werden uns fehlen." Sie nahm die vielen Karten entgegen und bedankte sich bei jeden einzelnen, ehe sie mit ihren Kollegen das Büffet stürmte. Das gesamte Büro war so in Feierlaune, das an Arbeit nicht mehr zu denken war. So wurde ausgiebig gelacht und über alte Zeiten in der Firma geredet. Selbst Hannahs Chef drückte ein Auge zu, als er seine Mitarbeiter dabei zusah, wie sie sich ausgiebig unterhielten und hier und da den Sekt nachfüllten. Um 16.00 Uhr nahte der Abschied und Hannah zwang sich nicht gleich loszuheulen, als sie sich von allen verabschiedete. Mit leeren Kuchenformen und einem riesengroßen Blumenstrauß, der aus ihren Lieblingsblumen bestand, fuhr sie weiter zu Sandra und Sascha.

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