20

349 21 0
                                    

„Na das war ja mal ein gelungenes Abendessen." Leon lehnte sich zufrieden zurück und schaute in die Runde, die ebenfalls gut gesättigt den Abend ausklingen ließ. Tulu verabschiedete sich bereits von den anderen, da zu Hause noch kleinere Arbeiten anstanden, während Yeshi und Hannah das Tischtuch abräumten und noch heute Abend abwaschen wollten. „Kann ich euch helfen?", fragte Paddy hilfsbereit und wollte sich gerade aufsetzen, als Yeshi seine Hilfe ablehnte. „Du bist doch zu Gast." „Ich mache das wirklich gerne." „Nein! Hannah und ich machen das schon." Yeshi beharrte auf die Regeln eines Gastgebers peinlich genau, so dass Paddy keine weitere Chance hatte überhaupt bei irgendetwas zur Hand zu gehen. Hannah war froh darüber, dass Yeshi so hartnäckig war. Sie wollte unter keinen Umständen mit Paddy alleine sein, da sie selbst nicht wusste was alles passieren könnte und keine Ahnung hatte, wie sie überhaupt reagierte. Gemeinsam mit Yeshi ging sie zu einem kleinen Rinnsal. „Es wird Zeit, dass es regnet. Es dauert ja Stunden, bis wir die Pfanne mit Wasser gefüllt haben.", beschwerte sich Hannah über die Dürre. Yeshi stimmte ihr besorgt zu. „Die Dürre hält schon viel zu lange an. Tulu meinte, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis es regnet. Ich hoffe er behält recht." Es dauerte über eine halbe Stunde, bis die beiden Frauen mit dem Abwaschen anfangen konnten. Zum Glück aß man in Äthiopien immer von einem großen Teller oder besser gleich aus der Pfanne, so dass das Abwaschen wenigstens schnell ging. Yeshi half Hannah noch, das saubere Geschirr wieder in die Hütte zu bringen, ehe sie sich ebenfalls von allen verabschiedete.

Währenddessen planten die Männer den morgigen Tag. Klaus musste zurück in das UN-Hauptquartier, da einige Evaluierungen der verschiedenen Projekte, unter anderem auch das von Yeshi, anstanden. Tom und Emil wollten in das benachbarte Dorf fahren, in dem die ersten Brunnen gebaut werden sollten. Paddy sollte sie auf diese Fahrt begleiten, da in dieses Projekt die meisten Gelder der Caritas fließen sollten. „Dann haben wir das geklärt. Wir sollten morgen dann aber auch schon früh los. Morgens ist es nicht ganz so heiß." „Schon, klar Emil. Ich denke das wissen wir." Leon klopfte Emil auf die Schulter. „Hannah wie ist es mit dir? Begleitest du uns morgen früh?", wollte Leon wissen als Hannah sich wieder zu ihnen gesellte, doch sie lehnte das Angebot ab. „Ich würde gerne, aber morgens kommen die älteren Schüler zum Bewerbungstraining." „Bewerbungstraining?", fragte Paddy neugierig. „Ja, die ersten sind soweit, dass sie hoffentlich ihren Abschluss an einer Schule machen können oder sich auf Stellen in der Stadt bewerben können. So entschuldigt mich, ich wünsche euch eine gute Nacht. Sie umarmte Leon von hinten, der zu ihr auf lächelte. „Ich komme gleich nach." Emil musterte Paddy von der Seite, der Hannah und Leon gekonnt ignorierte und ein „gute Nacht" murmelte. „Schlaf gut.", rief Emil ihr noch hinterher, ehe sie sich in die kleine Steinhütte verzog, die als Schule diente. An Schlaf konnte sie beim besten Willen nicht denken. Viel eher wollte sie sich alles von der Seele schreiben. Wenn sie gekonnt hätte, hätte sie Maite angerufen oder viel lieber Sandra, doch fürs erste musste erstmal Stift und Papier herhalten.

„Maite,

Was zur Hölle hast du dir nur dabei gedacht? Ich weiß nicht wie oder was du ihm gesagt hast, aber plötzlich steht Paddy hier in der Wüste. Es kann gut sein, dass du vielleicht nur eine Kleinigkeit erwähnt oder du dich verplappert hast. Ich weiß es nicht, keine Ahnung, aber ich glaube nicht an so einen Zufall. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass gerade ER als Caritasbotschafter auftaucht? Warum gerade nach Asebe Teferi? Warum ausgerechnet jetzt? Jetzt, wo ich mit allem doch eigentlich abgeschlossen und ich mich auf Leon eingelassen habe. WARUM zum Teufel? Ich bin glücklich mit Leon. Er hat etwas an sich, was mich fasziniert, mit dem ich mir irgendwie auch eine Zukunft vorstellen könnte. Gerade jetzt, wo ich mich mit solchen Gedanken anfreunde, steht Paddy auf einmal hier. Das ist doch ein schlechter Witz. Ich weiß echt nicht, was ich machen soll. Ich fühle mich unwohl, wenn ich ihn nur ansehe. Er hat immer noch dieses Jugendliche von früher, aber sein Wesen wirkt erwachsener, reifer. Aber Maite...sein Lächeln und seine Augen haben sich kein bisschen verändert. Na gut, sein Gesichtsausdruck schon. Er wirkt gar nicht mehr so besorgt und voller Sorge wie früher, was natürlich gut ist. Niemals habe ich damit gerechnet, Paddy überhaupt wieder zu sehen. Jedenfalls nicht her, nicht so. Was erzählst du mir überhaupt für einen Quatsch? Von wegen er bleibt für immer im Kloster...was für ein Scheiß. Boah Maite, wenn du mir das nur erzählt hast, damit ich...damit ich...ja was eigentlich? Es ist alles so verwirrend. In einer Sache bin ich mir ziemlich sicher; es ist nicht gut, dass er hier ist...nicht gut!

Bis Bald!"

Sie faltete das Papier ordentlich zusammen, legte diesen in eine Holzbox, in denen bereits einige Briefe lagen, und schloss diese wieder ab. Den Schlüssel bewahrte sie in einem kleinen Geheimfach auf, das unter der Box installiert war. So konnte sie diesen wenigstens nicht verlieren. Nachdem sie sich streckte und räkelte, stand sie auf und ging tatsächlich zu Bett. Allerdings kamen ihr immer wieder Bilder von Leon und Paddy in den Sinn, so dass sie nicht schlafen konnte. Als sich die Tür öffnete erschrak sie sich leicht und lauschte den Schritten. Mit der Zeit konnte sie sämtliche Schritte auseinanderhalten. Während ihr Vater ein wenig schwerfällig war, schlürfte Emil ein wenig und Leon bewegte sich schnell durch den Raum. Sie stellte sich schlafend und lauschte, den unsicheren Schritten, die versuchten sich in dem dunklen Raum zu recht zu finden. Hin und wieder blieb die Person stehen, drehte sich und suchte nach irgendwelchen Gegenständen in der Dunkelheit. Sie wusste, auch ohne sich zu vergewissern, dass es Paddy war, der gerade zu Bett ging und versuchte sie nicht zu wecken. Als Hannah hörte, wie er sich hinlegte, öffnete sie ihre Augen und lauschte weiter in die Dunkelheit. Da lag er, einige Meter von ihr entfernt, mucks Mäuschen still. Sie nahm keinen gleichmäßigen Atem wahr, wodurch sie davon ausging, dass er ebenfalls noch nicht schlief. Hannah war einfach zu neugierig und drehte sich langsam auf die Seite und erkannte seine Silhouette; er lag auf dem Rücken, die Arme hinter seinem Kopf verschränkt, den Blick, er schien die Augen offen zu haben, an die Decke gerichtet. Wie oft hatte Hannah Paddy schon in dieser Pose gesehen, wie er in seine Gedanken vertieft war und sich eine tiefe Sorgenfalte auf seiner Stirn bildete. Hannah starrte einfach zu seinem Bett als ob sie noch sie ein männliches Wesen gesehen hätte. „Ich weiß, dass du nicht schläfst, Hannah." Hannah stockte der Atem. Wie ein kleines Kind, das von seinen Eltern ertappt wurde, schloss sie schnell die Augen und spürte wie ihr die Schamesröte ins Gesicht schoss. Paddy wollte gerade etwas sagen, als die Tür auf ging. Emil und Leon kamen zur Tür rein. Emil legte sich in sein eigenes Bett, während sich Leon zu Hannah unter die Decke schlüpfte und sie in die Arme nahm. Es dauerte eine Weile, bis Hannah das gleichmäßige Atmen von Leon wahrnahm. Sie selbst fand jedoch die ganze Nacht nicht in den Schlaf. Was wollte Paddy ihr nur sagen?

Was wäre wenn?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt