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Ungeduldig stand Hannah vor dem Bella Rosa und verlagerte ihr Gewicht von einem Bein auf das andere. Dabei schaute sie gefühlt jede Minute auf ihre Armbanduhr, deren Minutenzeiger auf der zwei des Ziffernblattes stand. Zuvor saß sie in ihrem Büro und ging die Daten und Notizen durch. Dabei konnte sie es kaum erwarten raus zu kommen, da sich die Sonne seit langem mal wieder blicken ließ. Auch wenn der Grund, weshalb sie das Büro verlassen konnte, nicht der angenehmste war, freute sie sich trotzdem auf die Abwechslung. Das Telefonat mit Paddy hatte sie nicht vergessen und sie war deswegen auch immer noch ziemlich wütend, so dass sie jedes Mal, wenn sie daran dachte, ihre Rage zügeln musste. Hannah schaute über die vielen Köpfe, die an ihr vorbeiliefen, in der Hoffnung Paddy in der Menschenmasse zu entdecken. Schließlich sah sie ihn, wie er lässig, mit seinem Handy in der Hand, auf sie zu lief. Seine Haare sind, seitdem sie sich das letzte Mal gesehen haben, ein Stück gewachsen und zeigten zerstreut in alle Richtungen. Sein weißes Hemd war legere bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt, genauso wie seine Jeans. Dazu trug er, zu Hannahs erstaunen, Sandalen. Paddy stellte sich, ohne ein Wort zu sagen zu ihr, immer noch in sein Handy vertieft. „Du bist zu spät", begrüßte ihn Hannah mürrisch und schaute demonstrativ auf ihre Uhr. „Wurde aufgehalten", erwiderte Paddy knapp. Sie ging wortlos in das kleine Restaurant, Paddy schlürfte hinter ihr her. Sie nahmen an einem kleinen Tisch unweit des Eingangs Platz. „Willst du irgendetwas essen oder trinken? Das geht auf meine Rechnung", fragte Hannah knapp und machte eine Bedienung aus. Sie hat sich schon lange nicht mehr so unwohl in ihrer Haut gefühlt. Die Ganze Situation kam ihr wie ein peinlich berührtes Blind Date vor, bei dem beide Seiten wussten, dass sie sich danach nie wieder bei dem jeweils anderen melden, geschweige denn sich treffen werden. Als die Bedienung an den Tisch kam, änderte sich Paddys Mimik schlagartig und zeigte sein charmantes Lächeln, was der Bedienung nicht unbemerkt blieb. Freundlich nahm die Kellnerin ihre Bestellungen auf und flirtete offensichtlich ungeniert mit Paddy. „Darf es denn noch etwas sein?", fragte sie höflich. In Hannah kochte es. Es störte sie, dass Paddy die volle Aufmerksamkeit bekam, während sie selbst im wahrsten Sinne des Wortes abgefertigt wurde, als wäre sie etwas Schlechteres. „Bist du jetzt fertig mit dem Flirten oder soll ich noch warten, bis wir mit dem Essen fertig sind und du ein Date klar gemacht hast?", fragte Hannah genervt. „Bist du etwa eifersüchtig?", entgegnete Paddy gehässig. „Du bist echt der primitivste Neandertaler, den ich je gesehen habe. Es dreht sich nicht immer nur um dich." „Sagt die, die mich mit Anrufen bombardiert." „Echt jetzt? Halt einfach die Fresse." Genervt bückte sich Hannah zu ihrer Tasche und holte ein Portfolio hervor, in dem sie alle wichtigen Informationen zusammenfasste. „Hier schau dir das einfach an." Sie warf schon fast den Ordner in Paddys Richtung, der sie finster ansah, aber sich dennoch die Seiten aufmerksam durchlas. Währenddessen kamen ihre Getränke und Hannah fühlte eine kleine Genugtuung, als Paddy im Lesen vertieft war und die Bedienung enttäuscht abzog, da sie nicht die Aufmerksamkeit bekam, die sie erwartete. „Das klingt alles ganz gut durchdacht. Hier steht, dass noch ein Flug nach Äthiopien geplant ist, zusammen mit Leuten von der Öffentlichkeitsarbeit der Caritas. Wann wird das sein?" „Das kommt alles auf euren Zeitplan an. Arthur strebt tatsächlich noch den Herbst an." „Und was ist mit Spendengala gemeint?", fragte Paddy schließlich. „Das ist nur eine Idee. Gemeint ist einfach eine kleine Veranstaltung, vielleicht mit verschiedenen Künstlern, die für den guten Zweck ihre Kunst zeigen. Ob das jetzt in Richtung Konzert, Vernissage oder sonst was geht, ist euch überlassen. Ich habe das Portfolio auch an die Caritas geschickt. Ich denke, die werden sich dann hoffentlich zeitnah mit dir in Verbindung setzen." „Klingt gut. Ich bin einverstanden." ‚Zumindest sind wir in der Hinsicht einer Meinung', dachte sich Hannah und nickte. „Wenn du noch irgendwelche...", sie stockte, als sie bemerkte, dass Paddy ihr nicht mehr zuhörte und stattdessen dämlich auf das Display seines Handys grinste. Hannah schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „Hey, Erde an Paddy! Kannst du bitte aufhören so blöd zu grinsen und dich noch einmal konzentrieren? Was ist denn jetzt bitte wichtiger?" Ein wenig erstaunt schaute Paddy von seinem Handy auf. „Nicht, was dich interessieren sollte. Gibt es denn noch was?" Hannah atmete gestresst aus. „Hast du noch irgendwelche Fragen?" Paddy schüttelte den Kopf. „Gut, also wenn du noch irgendwelche Fragen hast, dann melde dich einfach bei mir." „Ist gut.", antwortete Paddy beiläufig, da er schon wieder in sein Handy vertieft war und in seiner eigenen Welt schien. Hannah hingegen hielt dieses Verhalten nicht mehr aus, stand auf und griff sich ihre Tasche. „Dann hätten wir ja vorerst alles geklärt. Ich bezahle am Tresen. Bis dann." Von Paddy kam nur noch ein desinteressiertes „Bis dann", als Hannah kopfschüttelnd zur Bar ging und bezahlte. Den ganzen Weg zum Büro versuchte sie ihre Wut zu unterdrücken und sich nicht über Paddys Verhalten aufzuregen. Sie wünschte sich, dass ihr das alles am Arsch vorbei gehen würde, stattdessen wurmte es sie noch viel mehr, dass ihre Neugier geweckt war und sie unbedingt wissen wollte, was Paddy so ablenkte.

Was wäre wenn?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt