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Nach einigen Wochen war es soweit. Hannah stand mit einem Reiserucksack am Flughafeneingang und wartete auf ihre Begleitung. Nach ihrem Geburtstag hat sie gar nicht mehr mit und über Paddy gesprochen. Sie schrieb nur eine E-Mail mit den Flugzeiten und schickte ihm kommentarlos ein E-Ticket. Auch Paddy erwiderte nichts auf Hannahs Nachricht. Das Arbeiten mit Maike war anfangs unerträglich und sie mimte immer wieder die freundliche Mitarbeiterin, die ab und an Interesse an Maikes Privatleben heuchelte. Sie beobachtete Maike heimlich, wenn sie Nachrichten auf ihr Handy bekam und wenn sie sah, dass Maike in sich hinein grinste und aufgeregt eine Antwort tippte, fing sie an sich die lächerlisten Nachrichten vorzustellen. In solchen Momenten fragte sie sich immer, was Paddy wohl schrieb. In Hannahs Vorstellung schrieb Paddy ihr ständig, auch wenn das vermutlich nicht stimmte. Aus der Ferne sah sie Paddy, wie er aus einem schwarzen Wagen ausstieg. Wie zu erwarten war auch Mareike bei ihm, die mit ausstieg, Paddy innig umarmte, küsste, um dann wieder in das Auto zu steigen. Sie kochte innerlich und mutierte zur Furie, riss sich jedoch zusammen und begrüßte Paddy emotionslos. Gemeinsam gaben sie ihr Gepäck auf, gingen zum Gate und warteten geduldig auf das Boarding. Dabei redeten sie nicht ein einziges Wort miteinander. Hannah sah es nicht ein, sich für ihren Gefühlsausbruch zu entschuldigen, geschweige denn auf Friede Freude Eierkuchen zu machen und selbst Paddy schien dies nicht zu wollen, was Hannah zum einen wahnsinnig machte, zum anderen jedoch sehr begrüßte.

Als sie in die Flieger stiegen, fing es an zu nieseln und mit einer leichten Verspätung hob das Flugzeit vom Boden ab. In all den Jahren hat es Hannah nicht geschafft ihre Flugangst zu besiegen, vor allem der Start machte ihr immer noch zu schaffen. Sie atmete kontrolliert durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus und hielt ihre Jacke so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Paddy musterte Hannah von der Seite, der die Angst ins Gesicht geschrieben war, und wollte auf sie einreden, ließ es jedoch sein, als sie die Augen schloss und sich Kopfhörer in die Ohren steckte. Paddy nutzte die Zeit im Flieger und krakelte in einem Notizbuch herum und summte vor sich hin, während Hannah sich wegdrehte und schlief. Er nutzte gerne die Reisezeit, um seine Kreativität auszuleben, so wie er das damals mit seiner Familie getan hat. Er schien in solchen Zeiten einfach am kreativsten zu sein. Der Regen und die Umgebung in dem Flieger machten ihm nichts aus. Nach einigen Stunden wurde Hannah von den heftigen Turbolenzen des Fluges geweckt. Das Flugzeug flog durch viele Luftlöcher und der Wind schüttelte das Flugzeug ordentlich durch. Eine der Stewardessen fiel auf einen der vielen Fluggäste und entschuldigte sich für die Unannehmlichkeiten. In Hannah stieg Panik auf. Sie zog ihren Gurt fester und krallte sich in die Sitzlehnen. Paddy sah von seiner Arbeit auf und bemerkte, wie Hannah die Farbe aus dem Gesicht wich und sich Schweißperlen auf ihrer Stirn bildeten. „Hey, das ist bestimmt gleich wieder vorbei. Don't worry." Doch Hannah sah Paddy nur panisch an und fing an Schnappatmungen zu bekommen. Ihr Puls raste. „Ich...ich kriege keine Luft", sagte sie und röchelte. Paddy begriff sofort und griff nach ihrer Hand. „Hannah, schau mich an...los schau mich an." Panisch tat sie, was er sagte. „Es wird alles gut, hörst du? Alles wird gut. Jetzt versuch langsam ein- und auszuatmen, ok? Einatmen." Er versuchte Hannah einen angenehmen Rhythmus für die Atemübung vorzumachen, dabei hielt er ihrem Blick stand. Wie ein Mantra wiederholte er die Worte „einatmen und ausatmen" und Hannah gewöhnte sich an die Anweisungen, atmete gleichmäßig und beruhigte sich langsam wieder. Sie konzentrierte sich auf sein Gesicht, seine eindringlichen blauen Augen, auf die Stirn, die er besorgt in Falten legte und da war wieder diese Vertrautheit, wie sie sie nur zwischen sich und Paddy kannte. „Geht's wieder?", fragte Paddy, als er merkte, dass sich ihr Puls wieder normalisierte und sie eine regelmäßige Atmung hatte. Hannah war wie in einem Rausch, beflügelt von seiner Gestalt, als wäre sie in einer anderen Welt. Langsam nickte sie, den Blick immer noch auf ihn gerichtet, ihre Hand immer noch in seiner. Auch Paddy hielt den Blick fest auf sie gerichtet, als er jedoch bemerkte, dass es ihr besser geht, senkte er den Blick, so dass Hannah aus ihrer Trance erwachte, ihre Hand wegzog und sich umgehend zum Fenster weg drehte.

Was wäre wenn?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt