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Verträumt schaute Paddy aus dem Fenster des Zuges. Es dämmerte allmählich, so dass die Häuser in der Ferne langsam mit dem grau der Nacht verschmolzten. Hin und wieder musste er seinen starren Blick lösen, wenn der Zug ohne zu halten durch einen Bahnhof durchraste. Paddy wusste, dass es die richtige Entscheidung war mit Maike über ihre Beziehung zu reden, dennoch dachte er auf der Fahrt zu Patricia viel über Maike nach und bewunderte sie, dass sie ihr Ziel ohne Rücksicht auf Verluste verfolgte. Unwillkürlich dachte er auch an Hannah, fragte sich was sie nun machte und ob sie immer noch Leon hinterher eiferte. Dabei fühlte er sich schäbig. Er selbst war noch nicht mal einen Tag von Maike getrennt und machte sich über eine andere Frau Gedanken, die zu dem blind vor Liebe war. Genervt von seinem Gedankenkarussel schnappte er sich sein Notizbuch und fing an zusammenhangslos Songfetzen aufzuschreiben.

„Then I took a chance and asked you out, For a month we circled roundabouts"

„Oh love, when the river runs dry It's hard to see through blurry eyes"

„Like a Rose of Jericho watered in the sun, Now she goes letting go of her soul, Breathin' with new lungs Like a knight he takes the blows'til the dragon's won, As he fights to free her soul, The kidnapper is outdone, Heart on heart lights the spark"

Völlig vertieft in seine Notizen bemerkte Paddy nicht, wie schnell die Zeit verging und verpasste es fast in Düsseldorf auszusteigen. Denis wartete bereits am Bahnsteig auf ihn und begrüßte Paddy mit einem Handschlag. „Du siehst ein bisschen zerknittert aus, mein lieber Schwager.", sagte Denis und nahm Paddy seine Reisetasche ab. Paddy lächelte und zuckte mit den Schultern. „Patricia freut sich schon dich zu sehen. Sie hätte dich auch selbst abgeholt, aber die Jungs haben sie heute zur Weißglut getrieben. Ständig wollten sie irgendwas, weigerten sich ihre Hausaufgaben zu machen und ins Bett wollten sie schon gar nicht. Ich bezweifle ehrlich gesagt, dass sie jetzt schon im Bett sind." „Aber doch nicht meinetwegen?" Denis fing an zu lachen. „Doch. Es könnte schon sein, dass du ein bisschen daran Schuld bist." Denis klopfte Paddy lachend auf die Schulter, ehe sie ins Auto stiegen und losfuhren.

Bei Patricia angekommen, verstand Paddy, was Denis meinte. Iggy und Alex rannten wie wild im Haus herum und freuten sich tierisch über den Besuch ihres Onkels. Patricia begrüßte Paddy müde und erschöpft. „I'm freaking out. Sie gehören ganz euch. Ich gehe duschen. Viel Glück!" Mit diesen Worten verschwand Patricia im Badezimmer und ließ die Männer unter sich. Paddy spielte mit den Jungs eine Runde Uno, unter der Bedingung, dass sie danach ins Bett gingen. Sowohl Alex als auch Iggi waren sofort einverstanden, so dass es nicht lange dauerte, bis die beiden im Bett lagen. „Paddy, bitte zieh hier ein.", sagte Patricia halb im Ernst und halb im Spaß, als sie frisch geduscht im Wohnzimmer ankam und nichts weiter vorfand als Denis und Paddy, wie sie dort ösaßen und sich unterhielten. Patricia setzte sich auf die Armlehne des Sessels, in dem Denis saß, und umarmte ihren Mann liebevoll. „Düsseldorf ist nichts für mich", erwiderte Paddy, „Ich bleibe aber gerne so lange, wie die Vorbereitungen der Konzerte dauern. „Ich bin so froh, dass du dabei bist. Gleich Morgen können wir mit der Planung anfangen, jetzt bin ich aber zu müde. Jungs, schlaft gut." Patricia schlürfte ins Schlafzimmer, während Paddy ihr hinterher sah. „Meinst du nicht, dass eine Tour zu viel für sie sein könnte?", fragte Paddy besorgt. „Immerhin hat sie gerade ihre Krankheit hinter sich gebracht." Denis schüttelte den Kopf. „Nein, sie braucht das jetzt mehr denn je, denke ich. Sie selbst hat so viel Kraft in Gott gefunden. Diese Tour ist ihr vermutlich wichtiger, als wir glauben." „Verstehe.", sagte Paddy. Er und Denis redeten noch eine ganze Weile, ehe sie selbst zu Bett gingen. Paddy stieg gerade die Treppen zum Gästezimmer herauf, als sein Handy klingelte. Verwundert sah er auf das Display seines Handys und hielt kurz inne, als er Hannahs Namen las. Es war schon ziemlich spät. „Hey, ist alles ok?", fragte er wie selbst verständlich. „Hi, ich bin es. Ehm...hast du kurz Zeit? Können wir uns treffen?" „Ehm..." „Ja du hast recht", unterbrach ihn Hannah, „Es ist auch schon ziemlich spät. Tut mir Leid. Das war dumm von mir. Ich wollte dich auch nicht stören." „Nein, nein. Das ist es nicht. Ich bin nur gerade nicht in München, weißt du. Ich bin bei Tricia. Was gibt es denn?", fragte Paddy. „Ach, nicht so wichtig.", entgegnete Hannah. Paddy schnaufte. „Hannah, komm schon. Es ist schon spät. Du würdest bestimmt nicht anrufen, wenn es nicht wichtig wäre." Hannah sagte nichts. „Hannah, bist du noch dran?" „Ehm, ja. Es...ehm...ich...wann bist du denn wieder in München? Ich wollte mit dir nochmal die Werbung für die Vernissage durchgehen." „Puh...echt jetzt? Ich denke, ich bin vor Weihnachten nicht mehr in München...Ist wirklich alles ok?", harkte Paddy nochmal nach. „Ja, ja. Mir geht es gut. Ich wollte auch nicht weiter stören. Also bis dann." Noch bevor Paddy sich verabschieden konnte, legte Hannah auf. Das Telefonat empfand Paddy mehr als merkwürdig. Er war sich ziemlich sicher, dass Hannah etwas ganz anderes wollte, als sie vorgab.

>>Sei ehrlich. Was ist los?<<

Schrieb Paddy wenige Minuten, nachdem Hannah das Telefonat beendet hatte. Als Paddy jedoch nicht gleich eine Antwort bekam, beschloss er zu Bett zu gehen. Gerade als er seine Augen schloss, surrte sein Handy.

>>Es ist wirklich alles gut. Ich hab das Gefühl, ich bin gerade einfach nicht ich selbst. Das ist alles so verwirrend zurzeit.<<

>>Du meinst die Sache mit Leon?<<

>>Ja, auch...<<

>>Was denn noch?<<

>>Irgendwie alles...<<

>>Boah du schreibst aber auch echt in Rätseln...<<

Paddy wartete noch auf eine Antwort, doch Hannah schrieb nicht zurück. Seufzend nahm er sein Handy in die Hand und schrieb eine letzte Nachricht.

>>Ich weiß zwar nicht genau, was gerade in deinem Kopf vorgeht, aber vielleicht brauchst du einfach mal eine Auszeit von allem. Wie wäre es, wenn du dir einfach mal frei nimmst und zu Tina fährst oder zu Sandra oder Maite? Manchmal braucht man einfach die Liebsten um einen herum, um den Kopf frei zu kriegen. Schlaf gut<<

>>Vermutlich hast du Recht. Danke! Schlaf du auch gut.<<

Ein wenig lächelnd legte Paddy sein Handy zur Seite. Insgeheim hoffte er, dass Hannah seinen Ratschlag folgte und Maite besuchte, denn dann war die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie sich schneller als gedacht sehen würden.

Was wäre wenn?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt