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Maite wartete Draußen, als Paddy fertig angezogen die Scheune verlies. Schweigend gingen sie nebeneinander her. Nur Agnes brabbelte fröhlich vor sich hin und freute sich, dass sie mit zum Bäcker gehen durfte. Paddy steckte seine Hände tief in die Hosentaschen und versuchte die Situation auszusitzen. Er wusste, dass Maite es hasste, wenn er nicht von selbst anfing zu erzählen, doch dieses mal blieb er stur. Es war ihm unangenehm die vergangene Nacht zu schildern. Warum das so war, wusste er selbst nicht. Hannah. Er dachte an die kurzen Stunden, die er mir ihr verbrachte und wünschte sich, dass dies der Moment gewesen wäre, in dem sein Liebesleben wieder in die richtige Bahn gelenkt werden würde, dass er mit Hannah einfach da weiter machen konnte, wo ihre Beziehung damals zu Ende ging. Nichtsdestotrotz hatte Paddy das Gefühl, dass gerade dieses Szenario alles verschlimmerte. „Ich weiß, was du vor hast, Paddy.", riss ihn Maite aus seinen Gedanken, „Aber das Spielchen mache ich nicht mit. Ich weiß genau, dass du gerade grübelst und ich kenne dich gut genug, dass ich weiß, worüber. Also hör auf mit deinem sturen Schweigen und erzähl, was Sache ist." Paddy brummte. „Ich warte." „Was willst du von mir hören?", gab es Paddy doch schließlich auf. Sie standen vor dem Bäcker, machten jedoch keine Anstalten hinein zu gehen. „Fang doch einfach damit an, wie es dazu kam, dass du bei Hannah im Zimmer gelandet bist." Paddy senkte den Blick. „Sie hatte einen Alptraum. Ich war noch wach und hab nach ihr gesehen, als sie so geschrien hat." „Und dann hast du dir gedacht, du spielst den Retter in der Not und verbringst die Nacht bei ihr?", entgegnete Maite vorwurfsvoll. „Sag mal, spinnst du? Was zur Hölle denkst du von mir? Glaubst du im Ernst, dass ich so etwas ausnutzen würde? Wenn du es genau wissen willst...sie hat Liebeskummer wegen diesem...diesem...Penner. Ich habe sie getröstet und sie hat ihren Kummer bei mir abgeladen. Weißt du, ich verstehe nicht, warum ich mich eigentlich immer vor dir rechtfertigen muss. Zuerst soll ich auf mein Bauchgefühl hören, dann tue ich das und dann ist es auch schon wieder falsch und muss mich von dir tadeln lassen." Paddys Wut auf Maite schlug, je länger er sprach, in Verzweiflung um. „Ich weiß doch auch nicht, was ich da gerade mache, ok? Aber weißt du, es ist Hannah...meine Hannah, die gerade wegen diesem Sack leidet und das ertrage ich nicht. Ich hasse Leon und ich hasse es, dass er sie nicht so sieht, wie ich sie sehe und es ist ihm wohl auch nicht klar, was für eine tolle Frau ihm da durch die Lappen geht. Ich hasse es, dass ich so fühle, wie ich fühle. Ich hasse es, dass...dass..." Maite hörte Paddy aufmerksam zu und unterbrach seinen Gefühlsausbruch nicht. „Ach ich habe doch keine Ahnung. Lass uns die beschissenen Brötchen besorgen und dann wieder zurück gehen. Ich habe keinen Bock mehr darüber nachzudenken.

Schweigend ging Paddy in die Bäckerei, Maite folgte ihm unauffällig. Sie kauften fast die ganzen Regale leer und schlenderten vollgepackt wieder zurück. Anges, die immer mehr quengelte, konnte mit einem Schokobrötchen ruhig gestellt werden. Nach einer Weile sagte Maite: „Willst du nun meine Meinung dazu hören?" Genervt schaute Paddy seine Schwester von der Seite an. „Habe ich eine Wahl?" „Nein, eigentlich nicht. Zuallererst. Ich möchte mich nicht einmischen, aber ich glaube, manchmal musst dir mal bewusst werden, was du da tust und alles, was du denkst und fühlst raus lassen, so wie eben bei deinem Monolog. Du musst schon zugeben, dass es dir jetzt besser geht, oder?" Paddy verdrehte die Augen, doch Maite fuhr unbeirrt fort. „Du bist ganz schön eifersüchtig auf Leon. Wann checkst du denn endlich, dass das Thema Hannah einfach noch nicht vorbei ist und es auch nie vorbei sein wird, so lange du nicht mit ihr darüber redest." „Worüber denn?", fragte Paddy. „Vielleicht arbeitet ihr mal alles auf, was euch beide betrifft; Fehlgeburt, Eifersucht, unterdrückte Gefühle. Eine Paartherapie würde euch echt gut tun." „Pff. Das sagst du so einfach. Da steckt das Wort "Paar" drin, weißt du worauf ich hinaus will. Wir sind kein Paar. Außerdem..es ist nicht so, dass wir nicht miteinander reden, weißt du." Maite bliebt abrupt stehen. „Also habt ihr schon über euch gesprochen? Und was hat sie gesagt?" Paddy schüttelte den Kopf. „Maite, du wolltest dich nicht einmischen. Du musst akzeptieren, dass ich dir nicht alles erzählen will. Können wir es jetzt dabei belassen, dass es einfach kompliziert und verkorkst ist?" Maite nickte langsam. „Wenn du mir versprichst, mal endlich Klartext mit Hannah zu reden und selbst, wenn es nur das ist, was du dir gerade von der Seele geredet hast. Ich möchte dich nicht nochmal an ein Kloster verlieren." Paddy lächelte schief. „Oh ja, das Kloster. Wie ich die Einfachheit dort vermisse. Vielleicht mache ich nach der Tour mal einen Abstecher dorthin und versuche meine innere Mitte wieder zu finden." „So lange du wieder da raus kommst." Maite stupste ihren Bruder in die Seite. „Tut mir leid, dass ich dich so angefahren habe, aber ich werde aus euch auch einfach nicht mehr schlau. Diese ganze Dreiecksbeziehung oder wie auch immer man diese Beziehung da nennen soll...ich blick da einfach nicht durch. Was geht in euren kranken Hirnen nur vor?" Paddy zuckte mit den Schultern. „Wenn ich das wüsste, dann würde ich nicht an diesem Punkt stehen, wo ich jetzt stehe, oder?" Maite und Paddy bogen auf den Weg ein, der zur Scheune führte.

„Guten Morgen, wir haben euch schon vermisst.", sagte Hannah und winkte Maite und Paddy schon von weiten zu. „Hier müssen ganz viele hungrige Mäuler gestopft werden. Kommt rein, es ist schon alles vorbereitet." Maite wünschte Hannah ebenfalls einen guten Morgen und ging voraus ins Warme. Paddy lächelte Hannah zur Begrüßung zu und wollte Maite hinterher, als Hannah ihn sachte am Handgelenk zurück hielt. „Paddy, hast du kurz einen Moment?" Paddys Herz fing an zu rasen, doch er nickte stumm und versuchte seine Atmung im Zaum zu halten. „Klar.", sagte er und versuchte so gelassen wie möglich zu klingen. Hannah haderte einen Moment, ehe sie anfing zu sprechen. Die Stille kam Paddy wie Stunden vor. „Hast du später vielleicht Lust und Zeit auf einen Spaziergang?" Paddy nickte ruhig und gelassen. In seinem Inneren tobte es jedoch wie bei einem Orkan. Hannah lächelte, drückte seine Hand und ging zu den anderen. Paddy hingegen blieb noch einen Moment draußen stehen, wieder völlig ahnungslos, was das nun wieder alles bedeuten sollte.


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