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Nachdem sich Paddy zurückgezogen hatte, saßen Emil und Hannah gemeinsam an einem kleinen Lagerfeuer. Der Kaffee, den Yeshi für sie zubereitete, eilte seinem Ruf vorraus. Hannah spürte wie ihr Puls langsam in die Höhe stieg und immer wacher wurde. Die Abendsonne ging langsam unter und es wurde kühler, so dass Hannah ihre Hände an ihrer Kaffeeschale wärmte. Sie genoss die leisen Hintergrundgeräusche der Wildnis, die Flammen des Feuers knisterten leise vor sich hin. Emil beobachtete mit seinem analytischen Blick seine Freundin von der Seite, wie sie in ihre Gedanken versunken ins Feuer starrte. „Woran denkst du gerade?", fragte er und riss Hannah aus ihren Gedanken. Sie atmete laut aus: „Vieles und auch irgendwie gar nichts." Emil wartete geduldig ab und fokussierte Hannah. Wie so oft wusste er, wie er Hannah aus der Reserve locken konnte. „Ich hasse es, wenn du einfach so still da sitzt und abwartest. Du und dein analytischer Kopf." Ein leichtes Lächeln machte sich in Emils Gesicht breit, sagte jedoch kein weiteres Wort. „Ich frage mich, ob das mit Leon das richtige ist.", sagte Hannah nach einer langen Pause in einen Seufzer hinein und tippte nervös mit ihren Mittelfinger an ihr Trinkgefäß. „Versteh mich nicht falsch, ich liebe Leon. Er ist nach all der Zeit wirklich der erste Mann, mit dem ich mir eine Zukunft vorstellen könnte, also wirklich eine handfeste Zukunft mit allem drum und dran. Ich habe aber das Gefühl, dass er es nicht so ernst meint wie ich. Zuerst die Sache mit meinem Geburtstag, dann das Wiedersehen heute. Du glaubst gar nicht wie ich mich eigentlich darauf gefreut habe, Leon wiederzusehen, auch, wenn es mich tierisch nervt, dass er so viele Dinge über meinen Kopf hinweg entscheidet." Aus Hannah sprudelten sämtlichen Gedanken. „Vielleicht ist es auch einfach die Distanz, mit der ich nicht klarkomme, wobei ich eigentlich nie damit Probleme hatte, eine Fernbeziehung zu führen. Ich weiß auch, dass ihm der Job sehr wichtig ist, aber ist es zu viel verlangt sich einfach einmal so zu fühlen, als ob man selbst an erster Stelle steht? Ich dachte, ich hätte endlich mal alles im Griff." „Nur weil es vielleicht gerade ein wenig schwierig ist, heißt es nicht, dass du nicht alles im Griff hast.", erwiderte Emil. „Denkst du." Sie kramte in ihrer Tasche nach ihrem Notizbuch, schlug es auf und zeigte Emil ihren neusten Eintrag, den Emil aufmerksam studierte. Als er zum Ende kam, runzelte er die Stirn. „Gern geschehen?" „Das hat Paddy geschrieben." „Du hast ihm das zum Lesen gegeben?" Hannah schüttelte den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Er hat es wahrscheinlich gelesen, als ich geschlafen habe." „Also das hätte ich ihm gar nicht zugetraut und nie von ihm gedacht." In Emil Stimme schwang leichte Empörung mit. „Das ist dein privates Gedankengut und geht niemanden etwas an. Er hätte das nicht lesen dürfen." Hannah nickte. „Wie denkst du darüber?" Emil überlegte sehr lange, ehe er ihr antwortete. „Ich denke, du hast dich einfach an eine bestimmte Situation zurück erinnert, wodurch unbewusst Hinweisreize ausgelöst wurden und du somit das Ereignis mit alten Gefühlen in Verbindung bringst. „Emil, du musst mir nicht erklären was ein Deja-vu ist und wie emotinale Signalkaskaden ausgelöst werden können. Ich habe selbst Psychologie studiert. Was denkst du über das ‚Gern geschehen'?" „Wenn ich dir jetzt erzähle, dass das sarkastisch gemeint sein könnte oder einfach ernst gemeint ist...das kann ich nicht. Es sind nur zwei Worte. Ich weiß nicht, was Paddy damit bezweckt hat. Es wundert mich, dass du hier seelenruhig sitzt und dich nicht beschwerst, dass er deine Notizen überhaupt gelesen hat. Normalerweise ist dir deine Privatsphäre doch sehr wichtig." „Anfangs war ich wirklich wütend.", lenkte Hannah ein, „Aber dann ist sie irgendwie verflogen als ich ihn da so sitzen sah; da im Hotel." Emil dachte lange über ihre Worte nach. Beide hingen ihre Gedanken hinterher, ehe Hannah aufstand. „Ich werde dann mal ins Bett gehen. Das wird Morgen ein langer Tag werden. Emil pflichtete ihr bei und löschte das, was von dem Lagerfeuer übrig geblieben war.

Als sie sich dem kleinen Haus näherte, sah sie Paddy, der vor dem Steinhaus auf den Treppen saß und sein Gesicht in seinen Händen vergrub. Selbst vom Weiten sah sie Paddy an, dass er über etwas verärgert war und überlegte, ob sie zu ihm gehen sollte, um nachzufragen, ob alles in Ordnung war. Dennoch zwang sich Hannah Paddy zu ignorieren und legte sich schlafen. Wenige Augenblicke später hörte sie Emil und Paddy, wie sie das kleine Zimmer betraten und ebenfalls zu Bett gingen. Im Halbschlaf bekam sie noch mit, wie Paddy leise ein Gebet vor sich hin nuschelte, ehe sie langsam in den Schlag fand.

Was wäre wenn?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt