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Zu Heiligabend machten sich Paddy und Patricias Familie auf in die Kirche. Für Patricia war es eine Tradition in die Christmette zu gehen, ehe sie am nächsten Morgen nach englischer Tradition die Bescherung feierten. Sie hatte zum ersten Weihnachtstag Maite, Angelo und Joey eingeladen und wollte den Heiligen Abend mit ihrer eigenen kleinen Familie und Paddy alleine verbringen. Zu gern hätte sie die ganze Familie beisammengehabt, doch Kathy war in Europa unterwegs, John feierte mit Maite bei seinen Schwiegereltern in Spanien und Jimmy zog sich gänzlich zurück. Paddy war sichtlich nervös. Seitdem er aus dem Kloster ausgetreten war, hatte er nicht wieder mit Maite gesprochen und auch Angelo wusste noch nicht, dass Paddy beim Weihnachtsfest dabei sein würde. "Mach dir keine Sorgen, die werden sich alle tierisch freuen", versuchte Patricia ihm vor der Kirche klarzumachen. Als Paddy jedoch die Kirche betrat fühlte er sich gleich besser, genoss den Gottesdienst in vollen Zügen und fühlte sich wie zu Hause. „Nun lasst uns beten und an die gedenken, die heute nicht bei uns sein können. Sei es, weil sie weit wohnen oder sei es weil sie keine Zeit finden konnten oder weil uns die Lieben zu früh genommen wurden." Paddy versank ins stille Gebet, dachte an seine Eltern, an seine Geschwister, die weit weg waren. Er dachte auch an Basti und dadurch auch an Hannah und betete, dass es ihr gut ginge." Nach der Messe rannten Iggi und Alex vor und freuten sich, als Denis ihnen hinterherrannte. Patricia hingegen ging langsam mit Paddy hinterher und harkte sich bei ihm unter. „Ich liebe Weihnachten. Weißt du noch, wie wir immer zu Heiligabend in den Krankenhäusern gesungen und die Massen an Kuscheltieren verschenkt haben?" Paddy nickte. „So etwas kann man nicht vergessen. Diese vielen dankbaren Augen. Hast du so etwas seitdem mal wieder gemacht?", fragte Paddy ehrlich interessiert. „Hin und wieder, ja. Vor ein paar Jahren bin habe ich zu Weihnachten Konzerte in Kirchen gegeben. Das war einfach unglaublich schön." Patricia schwärmte von ihrer Weihnachtstour, während Paddy aufmerksam zu hörte.

Sie näherten sich langsam dem Haus, deren Fenster mit Lichterketten geschmückt waren und betraten das warme Wohnzimmer. Als sie mit dem Essen fertig waren, machte es sich die gesamte Familie auf dem Sofa bequem und schauten „Kevin allein zu Haus." „Ich mag das Lied", sagte Iggi und sang lauthals „Rocking around the christmas tree" mit. Patricia beobachtete Paddy, wie er über Iggi lachte und sang ebenfalls mit. „Was meinst du Paddy? Wollen wir ein bisschen Musik machen?" Iggi und Alex waren sofort begeistert. „Ich weiß nicht, der Film ist doch noch gar nicht zu ende." Paddy war sich nicht sicher, ob er singen wollte. „Egal. Wir kennen den Film doch eh auswendig." Iggi sprang auf und holte aus dem Musikzimmer seine eigene Gitarre. Anfangs etwas zurückhaltend sang Paddy einige Weihnachtslieder mit, doch mit der Zeit begleitete er Iggi, der Gitarre spielte, am Klavier. Er hatte sichtlich Spaß dabei und spürte seit langem wieder die Freude an der Musik und musste sich selbst mal wieder eingestehen, wie sehr er das Musizieren im Kloster vermisst hatte.

Am nächsten Morgen war Paddy, wie die letzten Tage auch, als erstes wach und ging in die große Wohnküche, um Tee und Kaffee für die anderen vorzubereiten. Er und Patricia haben den Abend zuvor noch sämtliche Geschenke unter den Weihnachtsbaum gestellt, auch für Maite, Joey und Co. Paddy bestand darauf, keine Geschenke zu wollen und drängte Patricia dazu, sich auch daran zu halten. Patricia war deswegen ein wenig beleidigt, akzeptierte jedoch den Wunsch ihres Bruders. „Guten Morgen Paddy, frohe Weihnachten." Patricia kam mit einem Bademantel in die Küche und nahm dankend eine Tasse Kaffee entgegen. „Meine Männer wachen bestimmt auch gleich auf." Paddy lachte. „Deine Männer! Das klingt irgendwie merkwürdig. Sag mal, wann kommen denn die anderen?" Patricia schaute auf die Uhr. „Eingeladen habe ich sie zum Kaffee. Ich vermute Joey und Angelo werden pünktlich sein. Bei Maite bin ich mir allerdings nicht so sicher."

Paddy verbrachte den Morgen damit, zusammen mit Iggi und Alex eine Legoburg aufzubauen, die sie von ihren Eltern geschenkt bekommen hatten. Das gesamte Wohnzimmer war voll mit Legosteinen. „Paddy, das sieht irgendwie falsch aus." Alex begutachtete das Zusammengebaute und schaute immer wieder mit prüfendem Blick in die Bauanleitung. „Zeig mal her." Paddy drehte und wendete die Teile und seufzte. „Du hast recht, das ist wirklich falsch." Denis, der in der Tür stand und das Szenario beobachtete, fing an zu lachen. „Also Ingenieure könnt ihr nicht werden. Vielleicht wartet ihr da besser auf Florent. Paddy ich brauche kurz deine Hilfe." Gemeinsam stellten sie Tische zusammen und deckten diese. „Puh, ich habe ganz vergessen, wie groß die Familie ist und jetzt wo alle auch noch Kinder haben." Paddy pustete seine Wangen auf. „So ist das in einer Großfamilie." Als sie gerade fertig waren, klingelte es an der Tür, die Iggi öffnete. Freudestrahlend begrüßte er Gabriel, den er gleich mit ins Wohnzimmer zog. „Danke für die nette Begrüßung Iggi.", lachte Angelo und begrüßte Denis, der im Flur auftauchte. Auch Paddy ging in den Flur und stand direkt vor Angelo, der seinen Augen gar nicht traute. „No fucking way. Was machst du denn hier? Is it real?" Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ging er auf Paddy zu und nahm ihn freundschaftlich in die Arme. „Bist du aus dem Kloster ausgebrochen?" „Ich habe mich wohl eher selbst entlassen." „Das ist nicht dein Ernst? Du bleibst hier? Really?" Paddy lachte als Angelo sich gar nicht mehr einkriegte. „Da steckt eine Frau dahinter, oder?" scherzte Angelo und gab den Weg frei, damit Paddy auch Kira und die Kinder begrüßen konnte. Auch Maite, die wenig später ankam, war außer sich vor Freude. „Das ist der Wahnsinn. Oh man Paddy, ich bin so froh, dich zu sehen." Als auch Joey mit seiner Familie eintraf saßen alle gemeinsam bei Kaffee und Kuchen zusammen und redeten über alles Mögliche. Die Kinder hielten es kaum aus und verzogen sich in das Wohnzimmer, um mit ihren neuen Spielsachen zu spielen. „Nein wirklich. Ich habe die Schnauze voll Bonn und dem ganzen einfachen Leben. Kira und ich haben beschlossen durch Europa zu reisen. Noch ist nicht alles unter Dach und Fach, aber wenn es soweit ist, dann machen wir das." Während Angelo sein Vorhaben schilderte, hörte Paddy aufmerksam zu. Er konnte nicht verstehen, wie er seine Kinder solch einer Reise aussetzen konnte. Schließlich wusste er und eigentlich auch Angelo nur zu gut, wie es war, ständig unterwegs zu sein ohne einen engen Freundeskreis oder Geldmangel. „Was meinst du dazu Paddy? Du bist so still?", fragte Maite. „Bitte, was?" „Was sagst du zu Angelos Plänen?" Paddy atmete tief durch. „Soll ich ehrlich sein? Ich weiß nicht, wie du das deinen Kindern zumuten kannst. Ich würde sie nicht aus ihrer Umgebung reißen." Angelo wurde leicht zickig. „Du hast doch keine Ahnung von meinen Kindern." Paddy zuckte mit den Schultern. „Das stimmt. Da gebe ich dir recht, aber ich weiß, wie es war ständig unterwegs zu sein und du solltest das eigentlich auch noch kennen." „Du kannst ja leicht reden. Sich sechs Jahre ins Kloster zu verziehen und dann der Meinung sein, dass du allwissend bist und weißt was meinen Kindern gut tut." „Angelo, ich sage nur, was ich denke.", versuchte Paddy die hitzige Diskussion zu zügeln, doch Angelo wurde ein wenig lauter: „Deine Meinung interessiert mich aber nicht." „Ich meine ja nur, dass du nicht denselben Fehler machen solltest und deine Kinder...." „Sag mir bloß nicht, wie ich meine Kinder behandeln soll." „Hey, jetzt beruhige dich mal, Angelo.", ging nun Patricia dazwischen. „Du kannst machen was du willst, genauso wie Paddy seine eigene Meinung haben darf. Und jetzt Schluss damit." Maite startete ein neues Thema, so dass die Wogen fürs erste geglättet waren. Angelo und Paddy sprachen an dem Tag jedoch nur noch das nötigste. Sie waren öfter mal nicht einer Meinung, dabei ging es allerdings immer um Kleinigkeiten, nicht um irgendwelche Zukunftspläne.

„Hey, alles klar bei dir?", fragte Maite als sie und Paddy alleine in der Küche standen. „Klar und bei dir?" Maite nickte. „Hör mal, du darfst dir Angelos kleinen Ausraster nicht so zu Herzen nehmen. Weißt du, Emma hatte auf dem Spielplatz einen ziemlich heftigen Unfall und hat ihre Eltern zu Tode erschreckt. Ich denke, das ist auch der Grund, warum Angelo sein Leben nochmal eine andere Richtung geben will." Paddy setzte sich auf die Küchenzeile. „Das wusste ich nicht und das tut mir für die beiden auch wirklich leid, aber Maite du weißt doch selbst wie es früher bei uns war. Würdest du das deinen Kindern antun wollen?" Maite schüttelte vehement den Kopf. „Um Gottes Willen, nein! Dafür liebe ich mein Haus und mein eigenes Bett zu sehr. Meine Kinder müssen das nicht erleben." Paddy lächelte matt. „Jedem das seine, aber richtig finde ich es trotzdem nicht." „Hast du denn jetzt schon Pläne für die Zukunft?", fragte sie vorsichtig. „Erstmal will ich raus aus der Stadt, ich muss erstmal richtig ankommen. Vielleicht reise ich auch erstmal durch die Gegend, bevor ich mich irgendwo niederlasse." „Verstehe. Du findest schon deinen Weg hier draußen." Paddy lächelte. „Mit Sicherheit, wenn nicht, gehe ich eben zurück ins Kloster." „Komm nicht mal auf die Idee daran zu denken, wieder ins Kloster zu gehen." Maite drückte Paddys Oberschenkel, ehe sie die Küche verließ. Paddy hing noch eine Weile seinen Gedanken nach, ehe er sich wieder zu seinen Geschwistern gesellte.

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