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Einige Tage später hatte der Alltag Paddy wieder. Er telefonierte oft mit Arthur und besprach mit ihm das Äthiopienprojekt, das sie mit einer gemeinnützigen Vernissage finanziell unterstützen wollten. Auch Benefizkonzerte waren im Gespräch, doch diese lehnte Paddy ab. Als Paddy Patricia auf dem Weg zu Maite von der Idee mit den Konzerten erzählte, war sie hellauf begeistert. „Paddy, das darfst du dir nicht entgehen lassen. Überlege es dir doch nochmal.", sagte sie. „Ja, ich weiß. Aber ich denke nicht, dass ich das vorerst machen werde. Das ist mir noch alles zu viel.", sagte Paddy und hoffte, dass Patricia keine weiteren Überzeugungsversuche startete. „So da sind wir." Die Geschwister stiegen aus dem Auto und gingen den gepflasterten Weg entlang zu Maites Haus. Maite begrüßte ihre Geschwister herzlich und machte eine einladende Bewegung, um sie hinein zu beten. „Ich hoffe, ihr habt Hunger mitgebracht. Das Mittagessen ist gleich fertig.", sagte sie und ging gleich wieder in die Küche, in der es bereits herrlich nach Essen roch. Patricia und Paddy folgten ihr. „Das riecht echt lecker." Paddy versuchte in die Töpfe zu spähen, doch Maite stieß ihn lachend weg. „Kannst du dich nicht gedulden? Es ist wirklich gleich fertig. Es reicht schon, wenn Agnes und Josephine hier ständig um mich herumgeistern, wenn ich koche." Er hob entschuldigend die Hände und grinste breit, ehe er sich zu Patricia an den Küchentisch gesellte. „Wo sind überhaupt die Kleinen Grazien?", fragte nun auch Patricia, die fest damit rechnete, von ihren Nichten belagert zu werden. „Florent ist mit ihnen eine Runde spazieren gegangen. Sie sollten aber gleich wieder da sein."

Wenig später saßen alle gemeinsam am Esstisch. Agnes saß bei Paddy auf dem Schoß und plapperte ohne Punkt und Komma drauf los, so dass Paddy weder selbst zu Wort kam noch den Gesprächen von Florent, Maite und Patricia folgen konnte. „Agnes, wenn du jetzt für einen Moment den Mund hälst und ordentlich isst, dann bekommst du auch Geschenke, die ich dir aus Afrika mitgebracht habe." Agnes schaute ihren Onkel spöttisch an. „Wie viele denn?" „Eins von mir und eins von Hannah." Seine Nichte machte große Augen. „Von Hannah?" Paddy nickte. „Aber nur, wenn du jetzt mit uns in Ruhe isst." Agnes nickte eifrig zur Bestätigung und versuchte still und ordentlich zu essen. Paddy bemerkte nicht, wie Maite ihn mit großen Augen ansah. „Kannst du das bitte einmal wiederholen? Ich glaube, ich habe mich da verhört." Verwundert sah Paddy zu Maite auf. „Was meinst du?" Doch Maite ging nicht auf seine Frage ein und wendetete sich ihrer ältesten Tochter zu. „Agnes, von wem bekommst du Geschenke?" „Von Paddy und Hannah, Mama." Freudestrahlend steckte sie sich einen vollen Löffel in den Mund und freute sich, dass sie eine richtige Antwort geben konnte. Mit Maites typischen Ich-habe-es-dir-doch-gesagt-Blick sah sie ihren Bruder an. „Du kannst ihr doch nicht solche Flausen in den Kopf setzen, nur damit sie einmal den Sabbel hält." Paddy errötete leicht und haderte mit sich selbst. Er versuchte die richtigen Worte zu finden, räusperte sich und versuchte lässig zu klingen. „Ja Maite...lustige Geschichte. Du wirst es mir wahrscheinlich eh nicht glauben, aber als ich in Afrika war, bin ich Hannah über den Weg gelaufen." Maite fiel die Gabel aus der Hand und auch Patricia stoppte in ihrer Bewegung. „Das ist nicht dein Ernst.", sagte sie ungläubig. Doch Paddy nickte zaghaft und erzählte ihr alles von seinem Wiedersehen mit Hannah. „Und sie hat mir für dich und die Kinder Geschenke mitgegeben." Maite war immer noch von der Geschichte völlig überwältigt. Es dauerte einen Moment, bis sie ihre Stimme wiedererlangte. „Und wie seid ihr jetzt verblieben?" „Naja wir haben unsere E-Mail-Adressen ausgetauscht und wollten so in Kontakt bleiben. „Paddy, das ist Schicksal!", sagte Patricia begeistert. „Dass ihr euch getroffen habt und das auch noch an anderem Ende der Welt, das hat doch etwas zu bedeuten. Meinst du nicht, Maite?" Maite zuckte mit den Schultern. „Ich weiß echt nicht, was ich dazu sagen soll. Das ist einfach krass." „Ich hätte es auch nie für möglich gehalten. Ich wusste ja noch nicht mal, dass sie in Äthiopien ist." Bei diesem Satz sah Paddy mit vielsagenden Blicken zu Maite hinüber. „Paddy, das ist wirklich schön und freut mich für euch beide...Oh entschuldigt mich." Patricia nahm ihr Handy aus der Tasche, das mit schrillen Tönen klingelte und verließ die Küche. Die Übrigen aßen schweigend weiter, ehe Maite das Schweigen brach. „Ich kann es echt nicht glauben. Du und Hannah, in Äthiopien. Das Land ist doch riesig. Es tut mir leid, dass ich dir nichts gesagt habe." Paddy lächelte. „Mach dir keine Gedanken. Es war ja nicht so, dass Hannah mich zerfleischt hat, was sie anfangs sicherlich wollte. Vielleicht sollte ich dich aber vorwarnen. Sie dachte nämlich, dass du mir etwas erzählt hättest und ich nur deswegen da aufgetaucht wäre, aber nach ein paar Tagen hat sie sich dann doch beruhigt. Wir konnten uns sogar ziemlich gut unterhalten. Wahnsinn. Sie hat sich kaum verändert.", dachte Paddy vor sich. Maite lächelte schräg und sah ihrem Bruder dabei zu, wie er seinen Gedanken nachhing. Sie wollte gerade einen neckischen Spruch abgeben, als Patricia nervös in die Küche zurückkam. „Das war Denis. Er holt mich gleich ab und dann fahren wir in die Klinik." „Ist etwas mit den Jungs?", fragte Maite panisch. „Nein, nein. Denen geht es gut. Ich war doch letztens in der Frauenklinik und die Ärztin hat eben angerufen, dass ich nochmal in die Klinik kommen soll. Ist bestimmt nichts schlimmes.", versuchte Patricia die Situation runter zu spielen. „Sollen wir dich begleiten?", fragte Paddy ruhig, doch Patricia schüttelte den Kopf. „Nein, das braucht ihr nicht. Denis ist ja da."

„Du meldest dich aber, wenn etwas ist, ok?", sagte Maite und drückte ihre Schwester als Denis sie abholte. „Ja, das mache ich." Sie verabschiedete sich ebenfalls von Paddy, Florent und den Kindern und ging mit schnellen Schritten zu Denis Wagen, der nur von weiten mit angespannter Miene zur Begrüßung den Arm hob. „Paddy, Paddy, Paddy. Können wir jetzt die Geschenke haben?", fragte Anges ungeduldig und verlagerte ihr Gewicht von einem Bein zum anderen. Agnes brach mit ihrer quirligen Art die bedrückende Stimmung, so dass alle trotz dem beunruhigenden Abgang von Patricia fröhlich im Wohnzimmer saßen und Paddy den Kindern und Maite die Geschenke überreichte. „Wie schön." Agnes freute sich über kunstvoll geschnitzten Holzfiguren und auch Josephine strahlte über das ganze Gesicht. „Hier, den hat Hannah mir für dich mitgegeben." Paddy überreichte ihr den Briefumschlag. „Danke, den werde ich später lesen. Aber jetzt sag mal. Wie war es für dich? Das war doch bestimmt nicht einfach.", fragte Maite. Paddy ließ sich in die Sofakissen fallen. „Nein, es war auch nicht einfach. Zuerst war ich völlig von der Situation paralysiert. Und Hannahs Reaktion war alles andere als freundlich. Sie war sehr impulsiv und vielleicht auch überfordert, aber dann hat es sich doch zum Guten gewendet." „Und wie das?", fragte Maite neugierig. Paddy grinste. „Die Wunder der Natur." Mehr sagte er nicht. Seine Schwester war tierisch neugierig und hätte am liebsten alles gewusst, versuchte sich jedoch zu zügeln. Stattdessen beobachtete sie ihren verträumten Bruder, der mit seinen Gedanken weit weg zu sein schien. „Du bist froh ziemlich froh darüber, dass du sie getroffen hast, oder?" Paddy nickte verlegen und wendete sich mit voller Aufmerksamkeit den Kindern zu.

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