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Am Abend war Hannah alles andere als munter. Die letzte Nacht steckte ihr noch tief in den Knochen. Zu gerne hätte sie sich einfach von allen verabschiedet und wäre geradewegs ins Bett gegangen, doch die Planung für die nächsten Tage stand an. So wartete Hannah auf die anderen im Klassenzimmer. „Ich habe doch gewusst, dass ich dich hier finde." Emil betrat den kleinen Raum und vergewisserte sich, dass sie alleine waren. „Die anderen sind noch unterwegs, sollten aber auch gleich kommen.", sagte Hannah als sie Emils suchende Blicke bemerkte. „Das ist gut. Ich wollte sowieso mit dir reden. Was war heute los? Nur mal so nebenbei. Du siehst immer noch scheiße aus." Hannah seufzte und setzte sich auf einen der Tische. Emils Bemerkung über ihr Erscheinungsbild ignorierte sie dabei gekonnt. „Ich habe in der Nacht einfach kein Auge zugemacht. Warum kannst du dir ja sicherlich denken, oder?" Emil nickt vorsichtig. „Es nimmt dich ganz schön mit, dass er jetzt hier ist, aber denk daran, seine Abreise ist absehbar. Danach kannst du wie zuvor weiter machen." „Ja, klar." Hannah schnaubte verächtlich. „Ich weiß auch nicht, was in mir vorgeht. Mir wäre es lieber, wenn er erst gar nicht hier aufgetaucht wäre. So bauscht sich alles wieder in mir auf. Und jetzt wo er nicht mehr im Kloster lebt...so kann ich ihm gar nicht mehr aus dem Weg gehen, sehe ihn wahrscheinlich öfter mal bei Maite." „Was stört dich denn daran?", fragte Emil sachlich, „Ich meine ihr habt euch jetzt so lange nicht gesehen, ihr seid nie im Streit auseinander gegangen. Meinst du nicht, dass ihr nach all der Zeit auch einfach nur befreundet sein könnt?" Hannah zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Vielleicht. Ich habe nur einfach Angst, dass vielleicht doch..." Sie verstummte als sich die Tür öffnete und Leon mit Tulu und Paddy zum Vorschein kamen. „Yeshi kommt auch gleich, dann können wir anfangen.", sagte Leon und gab Hannah einen Kuss auf die Schläfe. „Hattest du noch einen schönen Tag in der Schule?" Hannah nickte und verkniff sich ein Gähnen. „Und konntet ihr Paddy noch einige Dinge zeigen?" „Naja, nicht wirklich, aber das besprechen wir gleich am besten gemeinsam." Fragend sah sie zu Leon auf, doch er war bereits in ein Gespräch mit Tulu vertieft. Sie hasste es, wenn Leon sie ohne weitere Erklärungen stehen ließ. Warum musste er auch immer auf so beschäftigt tun? Als die kleine Gruppe vollzählig war, ergriff Leon das Wort und eröffnete die kleine Besprechung. Er selbst nahm sich wieder viel zu wichtig und gab eine viel zu lange Einleitung. Wahrscheinlich tat er das für Paddy, doch seine überschwängliche Art fand Hannah schon immer ein wenig überflüssig und nervig. Nachdem Hannah und Yeshi die Fortschritte in der Schule geschildert hatten und auch Emil und Tulu ihre nächsten Vorhaben darlegten, gab es noch verschiedene Dinge, die geregelt werden mussten. „Gut, schön, dass alles so gut läuft. Kommen wir nun zu einem nicht so schönen Teil. Als ich heute mit Patrick im Nachbardorf war, hat mich die Nachricht erreicht, dass einige Unruhestifter die Arbeiten für den Brunnenbau blockieren. Es sind hauptsächlich junge...naja...sagen wir mal Rebellen, die sich von uns bedroht fühlen. Lange Rede kurzer Sinn. Einige Teile der Brunnenvorrichtungen wurden zerstört, wodurch wir eindeutig in den Rückstand kommen. Emil und Tulu. Ich brauche eure Hilfe, damit wir so schnell wie möglich weiter machen können." Emil und Tulu nickten. „Das ist kein Problem. Wir helfen dir da gerne." Leon klatschte in die Hände. „Sehr schön." „Durch diesen Zwischenfall muss aber leider mein Termin mit Patrick und Arthur ausfallen, tut mir wirklich sehr leid." Er schaute entschuldigend zu Paddy herüber. „Willst du ihn dann Morgen einfach so mitnehmen?", fragte Hannah. Immerhin wusste sie, wie es bei so kleinen Reibereien ablief. Je mehr Fremde dabei waren, desto unangenehmer wurde zumeist die Auseinandersetzung zwischen Einheimischen und fremden Helfern. „Nein, nein. Das wäre mir auch zu gefährlich. Darauf kommen wir jetzt aber zu sprechen. Wäre es möglich, dass du Morgen mit Patrick zu den großen Feldern fährst? Yeshi könnte deinen Unterricht übernehmen, während ihr unterwegs seid. Arthur weiß Bescheid und unser Treffen wird vertagt." Hannah sah abwechselnd zu Paddy und Leon, der erwartungsvoll auf eine Antwort wartete. Paddy hingegen schien das alles mehr als unangenehm zu sein. „Macht euch keine Umstände", sagte Paddy gespielt gelassen. „Ich will hier keine Pläne durcheinander bringen. Wenn es nicht geht, geht es eben nicht." Leon war jedoch fest entschlossen. „Ach quatsch. Du bist doch gerade deswegen hier. Hannah kriegt das schon hin." Ohne, dass Hannah überhaupt antworten konnte, richtete Leon sein Wort an Yeshi, die kein Problem damit hatte, Hannahs Stunden zu übernehmen. „Dann hätten wird das ja alles geklärt." Patrick begleitet Hannah, Yeshi übernimmt Hannahs Unterricht und wir kümmern uns um die Maßnahmen in der Nachbarschaft." Alle nickten, nur Hannah sah stur und wütend gerade aus. Dabei mied sie sowohl Leons Blick als auch den von Paddy, den sie auf ihrer Wange spürte. Es wurden noch einige kleine Dinge besprochen, ehe sich die Gruppe auflöste. „Leon, warte mal kurz", sagte Hannah zu ihm, als er gerade dabei war, aus der Tür zu gehen. „Was gibt es denn meine Liebe?" Sie versuchte ruhig zu bleiben. „Kannst du mich bitte das nächste Mal vielleicht auch mal antworten lassen, wenn wir etwas besprechen, bevor du über meinen Kopf hinweg entscheidest?" Leon sah sie verständnislos an. „Was meinst du denn?" „Na das gerade hier. Du hast einfach entschieden, dass ich Morgen deinen Gast durch die Gegend führen soll. Vielleicht hatte ich für Morgen andere Pläne?" „Aber Hannah. Was hast du denn Morgen vor? Willst du mir etwa sagen, dass du keine Zeit hast?" Hannah schluckte. „Nein, aber..." „Wo ist denn dann das Problem?", fragte Leon triumphierend. „Dass du einfach über meinen Kopf Entscheidungen triffst." Leon lächelte verschmilzt und nahm Hannah einfach in die Arme, die sich dagegen zu wehren versuchte. „Du bist so süß, wenn du dich aufregst. Ich weiß doch, dass du nichts dagegen hast. Deswegen habe ich das so entschieden. Ich kenn dich doch." Er drückte sie fest an sich. In Hannah kochte es. „Es geht mir einfach ums Prinzip.", startete Hannah einen letzten Versuch Leon klar zu machen, dass sie auch ein Wörtchen mitzureden hatte, doch Leon wimmelte sie ab und ließ sie einfach stehen. „Ich muss noch etwas erledigen." Sie stampfte mit ihrem Fuß auf und fluchte vor sich hin. Als sie aufsah bemerkte sie, wie Paddy sie beobachtete. „Was glotzt du denn jetzt so?", zickte sie ihn an und ging geradewegs in das Steinhaus, um schlafen zu gehen.

Paddy hingegen sah ihr nachdenklich hinterher. Er hatte es noch nie erlebt, dass Hannah sich von jemanden so unterbuttern ließ. Es war eindeutig, dass sie definitiv kein Interesse an den morgigen Plan hatte und schon gar nicht auf seine Gesellschaft. Da war Paddy sich sicher. Er selbst war stets neugierig und wollte auch noch im Kloster wissen, wie es Hannah geht, was sie machte. Unter diesen Umständen wollte er allerdings auch kein Wiedersehen heraufbeschwören und schon gar nicht, so dachte er, wenn Hannah es überhaupt nicht wollte.

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Ihr Lieben, tut mir Leid, dass ihr so lange auf ein neues Kapitel warten musstet. Ich hatte letzte Woche leider nicht so viel Zeit und dazu hat mich auch noch die Grippe erwischt.

Aber die Grippe ist überstanden und etwas mehr Zeit habe ich auch wieder. Viel Spaß beim Lesen :-)

Was wäre wenn?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt