Verstand

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Hina Pov

Mein Körper fühlte sich taub an. Ich sah alles, wie durch einen nebligen roten Schleier. Meine Stimme klang wie durch Watte gesprochen.

Ständige Schmerzwellen erfassten meinen Körper, welche meinen Verstand niederzwangen. Dann verlor ich komplett die Kontrolle. Mein drittes Auge, welches meine Stirn schmückte, übernahm nun die Aufgaben meines Gehirns. Ich konnte alles sehen, alles riechen, alles schmecken, alles fühlen und alles hören, aber ich konnte nichts mehr kontrollieren.

Es war erschreckend. Ich attackierte Kocho. Ich sah deutlich, wie sie innerlich mit sich kämpfte. Sie musste sich entscheiden. Mich töten oder mich am Leben lassen und riskieren, dass ich alles um mich herum vernichten könnte.

Eine heiße Träne rann meine Wange hinunter. Ich versuchte Worte aus meinen Mund zu bekommen. "Töte... mich..." presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen und bebenden Lippen hervor. Die Säule erschauderte sichtbar. Eine weitere Träne floss.

Nach meinen Worten trat auch aus ihren Augen die salzige Flüssigkeit. Ihr griff um ihr Katana wurde fester. Man sah deutlich die Verzweiflung in ihren Augen, aber auch in ihrer Körperhaltung.

Ich ließ die Zunge provuzierend über meine Lippen lecken. Der Speichel lief mir aus den blutigen, aufgerissenen Mindwinkeln. Ich war eine Abscheulichkeit.

Ich verhielt mich wie ein wildes Rauptier. Mein Körper war in Angriffsposition. Jeder Muskel unter meiner Haut war angespannt. Ich lauerte und wartete auf den richtigen Moment um zuzuschlagen.

Ein schmerzerfülltes stöhnen ließ mich hellhörig werden. Mein Blick schnellte aus dem Fenster. Am Waldrand lag eine blutende Gestalt, die sich mühevoll aufrappelte, nachdem diese von mehreren Baumstämmen begraben wurde. Es war Tomioka. In Gedanken machte ich große Augen, doch äußerlich verengten sich nur meine Pupillen. Das Monster sah nur einfache Beute in ihm. Verletzte Beute.

Der Parasit auf meiner Stirn begann nun auch noch den Besitz über meine Gedanken zu übernehmen. In meinem Kopf kämpfte ich gegen dieses Ding an. Meine Hände krallten sich in meinen Kopf, meine langen Nägel in die Kopfhaut. Ich fiel auf die Knie und rang mit mir selbst.

Eine liebliche Stimme in meinem Kopf sprach zu mir: "Gib dich mir hin." Ich atmete schwer. "Wieso sollte ich?!" Fragte ich laut. Die Stimme lachte. "Willst du wirklich deinen Geliebten töten? Alle die du liebst? Wenn du weiterhin gegen mich ankämpfst, wirst du unbewusst alle deine Lieben auslöschen." Nein. Das konnte nicht stimmen. Dann viel Mein Blick auf Tomioka. Er hatte eine riesige Platzwunde am Hinterkopf. Sein ganzes Gesicht war in Blut getränkt. Sein Bein war gebrochen.

Das habe ich getan. Ich habe ihn verletzt. Ich habe die Umgebung zerstört. Das war allein ich.

Ich atmete einmal tief ein, schloss meine Augen, und gab damit auch die Kontrolle über meinen Körper ab. Als ich meine Augen wieder öffnete war alles schwarz. Es war wie Schwerelosigkeit. Ich wusste nicht mehr wo oben und unten, wo links und rechts war. Alles, was ich wahrnahm, waren meine Gedanken.

Wieder hallte diese Stimme durch meinen Kopf: "Hina..." Ich reagierte nicht. "Hina. Ich bin Kuraiko, deine Dämonenhälfte. Du, Hina, hast mich erschaffen." Ich zeigte weiterhin keine Mimik. "Du hast mich unbewusst zum Leben erweckt. Dein Verstand wusste  dass du für etwas großes Bestimmt bist. Er wusste auch, dass du es mit deiner damaligen Stärke nicht schaffen würdest. Also schliefst du. Für eine lange Zeit. In dieser Zeit hat dein Körper die Macht des Dämons in dir konzentriert und hat mich geboren. Ich werde dir helfen, aber du musst mir vertrauen. Arbeite mit mir, nicht gegen mich."

Ich spürte, dass sie mir sehr ähnlich war, aber irgendwie konnte ich nicht glauben, dass ich sie unbewusst aus meinem Verstand geboren hatte. Und wenn das stimmen sollte, müsste sie auch die gleichen Emotionen haben wie ich.

"Ich bin ein Teil von dir. Alles, was du spürst, spüre ich auch. Deine Liebe zu Tomioka und deinen Freunden, deinen Hass aus Muzan, Alles." erklärte sie mir mit ihrer melodischen Stimme. Als sie das sagte, drehte sich mein Magen um.

"Sei nicht eifersüchtig auf mich. Ich bin Du. Und Du bist Ich. Ich teile nicht Deine Emotionen, aber ich kann sie deutlich fühlen. Fühlst Du auch meine?" Das war eine komische Frage, aber es Stimme. "Ja. Ich spüre deine Liebe und Zuneigung zu mir. Dein Wille, mich und meine Liebsten zu beschützen." - "Das ist korrekt."

Alles war so verwirrend. Ich dachte an Tomioka. Ich hatte ihn verletzt zurückgelassen. Mir stockte der Atem. "Kuraiko!" - "Ja?" antwortete sie sofort. "Du sagtest, dass du meine Dämonenhälfte bist. Was bin ich nun?" Ich hatte irgendwie Angst vor ihrer Antwort. "Du bist unsere nicht-dämonische Hälfte. Ein Mensch."

Ich... nein wir hatten es also geschafft. Ich war wieder ein Mensch. Ich wurde von diesem Fluch befreit. "Es freut mich, dass du glücklich bist." Man konnte hören, dass sie lächelte.

"Eine letzte Frage, Kuraiko." bat ich sie und ich hoffte, dass sie eine positive Antwort geben würde. "Dann stelle sie, Hina." - "Können wir die Kontrolle über diesen Körper teilen?" Sie kicherte. "Du meinst, du willst wissen, ob du wieder übernehmen kannst?" Ich nickte. "Finde es doch heraus?"

Lost Feelings • Kimetsu no Yaiba FanFiction •Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt