We Flee pt. 2

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Wörteranzahl: 1067
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Eine graue Taube, ein gewöhnliches Tier, hockte auf der Fensterbank. Die Flügel waren weit geöffnet und einige Splitter der sonst so festen Eisenstangen erweckten einen unbehaglichen Eindruck. Die Taube machte einen Hüpfer ins Innere. Sogleich blickte der müde König auf. Schon einige Stunden hatte er auf der Bettkante im Zimmer seines Sohnes gesessen und gebetet. Oder er hatte versucht zu beten, denn diese Art von Beruhigungsmethode funktionierte für ihn schon lange nicht mehr. Er hatte einen Suchtrupp losgeschickt, doch seit der Entführung des Prinzen vor etwa 12 Stunden hatte sich eine bedrückte Stille ausgebreitet und keine guten Aussichten auf Erfolg gegeben.

Nun flog ihm dieser graue Vogel direkt vor die Füße und er schreckte aus seinem albtraumähnlichem Schlummer hoch. Er streckte eine zitternde Hand nach dem Zettel im Schnabel der Taube aus. Sobald er das dünne Papier in der Hand hielt, flatterte das Tier wieder auf und zwischen den tanzenden Vorhängen hinaus und davon.

Eine Träne schmiegte sich an die alte Haut seiner Wange, als er las:

Ich werde zurückkommen. Y. bringt mich in Sicherheit. ~J

Er drückte das Papier an sein schwaches Herz und viel wieder in einen Schlummer, Traumlos.

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„Dieser Ort ist voll von seltsamen Gestalten.", warnte Yoongi. Ich ging dicht an seiner Seite und führte den Rappen. Es gab mir eine Art von Ruhe und Sicherheit. Der Hengst gehorchte mir wie seinem eigenen Besitzer.
„Ich war noch nie so tief in den Bergen gewesen. Doch mein Vater erzählte mir immer, hier lebten die gefährlichsten Wesen seines Reiches. Er führte es nie weiter aus."
Yoongi drückte meine Hand und lächelte: „Vampire, ja. Aber sie sind nicht die einzigen Geschlpfe in den Bergen. Und gerade, weil dieses Dorf einen so schlechten Ruf hat, ist es so sicher."

Schmale Holzhäuser klammerten sich an die Felsvorsprünge. Im Vorbeigehen warf ich Blicke in tiefdunkle Gassen. Die Straße, auf der wir uns befanden, war verwinkelt und holprig. Ungewöhnlich dunkle Kieselsteine lagen häufig an den Wegesrändern und knirschten, wenn man hinauf trat. Eine seltsame Geräuschkulisse herrschte an diesem Ort. Metallisches Gelächter, fremdartiges Brummen, doch keine Musik, und eine Art Klopfen und Stampfen waren hinter verschiedenen Türen, an denen wir vorbeikamen, zu hören.
Der blasse Morgenhimmel brachte einige Vogelschwärme mit sich, dessen Art ich nicht ausmachen konnte. Es roch in dieser Umgebung nach Heu und nach Tieren. Ich sog tief die Luft ein. Es tat gut, nach dem langen Ritt durch die geruchlosen Felsen.

„Ein alter Bekannter von mir wohnt hier.", erwähnte mein Freund.
„Wie alt bist du, Yoongi?"
„Keine Sorge. Vampire können zwar in hohem Alter noch sehr Jung aussehen, doch muss ich dich in diesem Fall nicht allzu sehr erschrecken. In Anwesenheit der Menschen bin ich siebzehn. Unter Vampiren zähle ich gerade mal zwei Jahre mehr."
Ich spürte Erleichterung, doch trieb mir der Gedanke trotzdem eine zarte Röte ins Gesicht. Seit dem Kuss fühlte ich mich mehr zu ihm hingezogen als je zuvor.

Wir kamen vor einem schmalen und doch hohen Holzhaus zum stehen. Yoongi klopfte und ein kleiner Mann mit grauen Locken öffnete. Erst blickte er schräg drein, doch dann formte sich sein breiter Mund zu einem noch breiterem Grinsen.
„Suga! Mein alter Freund, ich seh wohl nicht richtig!"
Er verschwand zur Hälfte im Inneren und kam mit einer ebenfalls sehr zwergenhaften Frau wieder ans Licht.
„Wir werden nicht lange hier bleiben können, Dragu, aber meine Begleitung hier brauch etwas zu essen und das Pferd ist müde."
„Natürlich, natürlich! Bergi wird euch zum Stall führen."
Dann lächelte er mir offenherzig zu und ergänzte: „Ich werde indessen ein reichliches Frühstück vorbereiten."

Ich verbeugte mich leicht schüchtern. Der kleine Mann verschwand wieder im Schatten und die Frau winkte uns, ihr zu den Ställen zu folgen. Wie sich herausstellte, war sie stumm. Sie sprach kein Wort, doch ihr rundes Gesicht mit den grünen Augen strahlte auch ohne Worte eine herzliche Freundlichkeit aus. Wir waren willkommene Gäste.

Nachdem wir uns für das Frühstück bedankt hatten, welches hauptsächlich aus verschiedenen Früchten und weichem Brot bestanden hatte, zogen Yoongi und ich weiter durch die Straßen. Das Pferd würde in Dragu und Bergis Stall unterkommen können, solange wir in diesem Ort verweilen würden.

„Was hast du vor?", fragte ich den Älteren. Er grinste mich an, schaute dann um sich und zog mich in eine Seitengasse. Die Straßen waren an sich nicht sehr belebt, doch ich hatte Respekt vor der Fremde dieses Ortes und Yoongis scheinbar unbekümmerte Haltung irritierte mich. Er nahm mich bei der Hand und führte mich durch die Dunkelheit. Wieder viel mir auf, wie kalt seine Hände waren.
Gemeinsam stiegen wir eine schäbige Treppe zwischen den Felsen hinauf. Ich versuchte, mir meine Angst nicht anmerken zu lassen, doch Yoongi hielt mich wissend fester. Mit seiner einen Hand an meiner Hüfte und der Anderen fest verschränkt mit der meinen, gelangten wir auf eine Aussichtsplattform. Ich hatte kaum die Höhe einschätzen können. Außer Atem betrachtete ich die rostroten Dächer und die rauchenden Schornsteine. Es roch nach verbrannter Kohle und ein Hauch von Feuchtigkeit hing in der Luft. Hatte es geregnet?

Der Vampir umarmte mich fest von hinten.
„Wann werde ich zurück zu meinen Vater können?", fragte ich ihn.
Anstatt zu antworten, holte er etwas aus seinem schwarzen Gewand. Es war ein feiner, silberner Ring mit einem dezenten Edelstein in blutroter Farbe.
„Leider nicht, solange meines Vaters Rache nicht gestillt ist. Er ist launisch. Ich werde mit ihm reden und ich bin mir sicher, er wird mit meiner Idee einverstanden sein."
„Was für eine Idee?"
Yoongi drehte mich in seinen Armen, sodass ich seine leicht rötlich schimmernde Iris sah. Seine blasse Haut wurde von seinem schwarzen Haar umrandet, welches wild im Wind wehte.
Er nahm sanft meine Hand und legte mir das Schmuckstück an. Der Ring passte perfekt auf meinen Ringfinger.

„Ein sicherer Frieden geht oft einher mit einem Bündnis. Ein Bündnis zwischen den mächtigsten Familien. Eine Heirat. Jimin, du bist der Prinz. Und ich bin der Sohn des Vampirfürsten. Es würde alles gut machen. Was denkst du also?"
Er küsste meine Hand und blickte mich mit mysteriösem und doch leidenschaftlichem Gesichtsausdruck an. „Vertraust du mir, Jimin?"

Ich legte meine Hand mit dem Ring sanft auf seine Brust und fühlte seine tiefen Atemzüge. „Ich liebe dich.", gestand ich und schaute ihm tief in die Augen. Diese flackerten in loderndem Rot auf. Er umrahmte mein Gesicht mit seinen Händen und unsere Lippen berührten sich. Es war nicht nur ein Bündnis für Frieden, sondern viel mehr eines aus Liebe.


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(30.10.2023)

Yoonmin OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt