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Ich schnitt die trockenen und verwelkten Blätter ab. Dann wusch ich mir eine Schweißperle von der Stirn weg. Die Handschuhe drückten, ich zog sie mir aus und setzte mich auf die marmorartige Bank neben dem Wasserbrunnen nieder. Gartenarbeit war das einzige was mich momentan ablenkte. Wochen waren um und Riccardo ließ sich immer seltener blicken.

Eine Gehilfin bot mir Wasser an und entfernte sich wieder von mir. Ich wollte alleine sein. Ich musste alleine sein. 

Riccardos Verhalten wurde immer schlimmer, irgendwas schien ihn zu bedrücken. 

Kam er mit meinem Korb nicht klar?

Oder löste es was in ihm aus, dass Riccardo und Julian nun um die Welt reisten, um ihre Hochzeitslocation auszuwählen?

Auch ich war blockiert, ich versuchte mich auf mich zu konzentrieren. Entdeckte die Natur wieder für mich. So schwer es auch war, ich bemühte mich wieder darum täglich öfters Spaziergänge zu meistern.

Als ich entschied wieder aufzustehen, setzte sich jemand neben mich. Ich schaute zu meiner Rechten und Riccardo starrte zu Boden.

Mein Herz blieb stehen.

"Du? Was tust du denn hier?"

"Ich muss dich sprechen."

"Jetzt? Nachdem du dich seit Wochen wie eine Pussy zurückgezogen hast?"

"Valencia", ich stand schneller auf als gekonnt und stürmte davon. Ich machte mich an das nächste Gebüsch ran, holte die Gartenschere hervor, als er seine Hand daran lehnte und ich ihm unweigerlich in die Augen sah.

"Weg mit der Hand, sonst ist sie ab", ermahnte ich ihn.

"Ich will dich mehr als alles andere. Hör mich an und mach mit dieser Information dann was du willst."

Ich betrachtete ihn. Seine Klamotten waren zerknittert, teilweise schlüpfte sein Hemd aus seiner Hose heraus. Das lag ihm gar nicht. Erst jetzt sah ich ihm genau in die Augen.

Sein Gesicht barg Schatten, die Augen waren angeschwollen, als hätte er Nächte wach gelegen.

Hat er seit jeher die Sonne nicht mehr gesichtet?

 "Fein", ich warf die Schere in die Ecke, "Zwei Minuten", verdeutlichte ich mit den Fingern.

"Okay", er atmete tief ein, "Valencia, ich habe mich wie der größte Dreckskerl benommen. Alles was ich hätte für mich gewinnen können, habe ich an die Wand gefahren. Ich habe alles zerstört, ich allein. Und jetzt blicke ich auf die Scherben zurück und nichts interessiert mich mehr. Nicht mein Land, nicht meine Männer, nicht mal ich selbst. Solange ich für dich nicht sein kann, was ich sein muss. Und will. Für...", er raufte sich die Haare und atmete schneller, "Für euch. Nicht du allein, für euch."

Er ging auf die Knie, dabei legte er seine Hände auf meinen Bauch und ich war starr wie ein Ast.

"Es tut mir leid, dass ich krank bin. Tief in mir drin bin ich so verdorben und das absurde daran ist, dass ich weiß, dass ich krank bin. Am liebsten würde ich mich beenden, um euch keinen Schaden mehr zuzufügen, weil ich dafür verfickt nochmal ein Talent habe. Aber ich will für euch da sein, alles was ich habe euch geben. Lass mich daran teilhaben, ich tue was du von mir verlangst. Ich habe einfach erkannt", er schaute zu Boden und als er wieder aufsah, erkannte ich die Tränen in seinen Augen, "Dass ich nicht mehr leben wollen würde, hätte ich dich nicht. Sie nicht. Deshalb will ich nur noch für euch leben. Lo giuro sulla mia vita [ital.: Ich schwöre bei meinem Leben]. Wenn eine Familie zu haben dich nicht einschließt, dann will ich diese Familie nicht."

Füllen sich gerade Tränen in meinen Augen?

"Es wird niemals jemanden geben der mich so tief ins Mark getroffen hat wie du, Valencia. Wäre da nicht so unendlich viel Liebe im Spiel, hätte es nie zu genauso unendlich viel Hass umschlagen können. So viel, dass ich-", wieder ließ er den Kopf hängen, "Wenn du mich nicht willst, werde ich es akzeptieren. Aber wenn nicht du, dann wird keine Frau an meiner Seite sein. Und ich will dir zeigen", seine Stimme hatte nicht mehr dieses unscheinbare Zittern, sondern klang weich und ehrlich, "Dass ich es ernst meine. Mein ganzes restliches Leben werde ich euch schulden. Ohne, dass ich jemals verlangen würde du verzeihst mir dafür, was ich dir angetan habe. Euch angetan habe. Deswegen bitte ich dich, Valencia. Nimm meinen Antrag an."

Jetzt schaute er wieder auf. Er hatte dieses Lächeln auf den Lippen. Dieses traurige Lächeln, welches ein ganzes Publikum zum Weinen bringen könnte. Diese bestimmte Lächeln, dass sogar die Sonne sich schuldig fühlen würde, wenn sie auftreten und scheinen würde.

Langsam griff er in sein Jackeninneres, holte eine kleine Box hervor und öffnete sie. Ein fetter Klunker der in zig Einschnitten die Sonne reflektierte schien mir entgegen.

Die Box steckte er zurück, hielt den Ring in seinen Fingern und im selben Moment rollte eine Träne seine Wange herab: "Heirate mich, Valencia. Ti amo più di ogni altra cosa [ital.: Ich liebe dich über alles]."

"Über alles?", hakte ich nach.

"Sobre todas [span.: Über alles]."

"Du sagst es auf meiner Sprache?", flüsterte ich und mein Strahlen war unaufhaltbar.

Seine Mundwinkel zuckten, auch wenn die Augen immer noch traurig drein blickten.

Ich zog tief die Luft ein. Mein Herz überschlug sich. Alles an mir pochte und pulsierte, weil ich offensichtlich die Luft angehalten hatte.

Wie lange?

Keine Ahnung.

"Valencia, heirate -"

"Ja."

"Ja?", er klang nicht überrascht, eher erleichtert. Als hätte sich jetzt ein für alle Mal sein Seelenfrieden gelegt.

"Ja. Ich will dich heiraten."

Er stand auf, aber als er dies tat, wanderte seine Hand rasch zu seiner Brust und übte mit der Hand Druck auf ihr aus. Auf einen Spot nah an seinem Herzen.

Hat er Schmerzen?

"Alles okay?"

In einer Mikromimik verkrampfte sein Gesicht, aber er fasste sich wieder.

"Alles okay. Ich bin mehr als glücklich. Es gibt nichts was ich mehr will, Valencia. Als dich", und mit diesen letzten Worten schob er sanft den Ring meinen Finger empor. Dann lehnte er sich vor und küsste mich zärtlich und intensiv.


Bad news: Es gibt nur noch 3 Kapitel.

Good news: Ich poste sie jetzt alle! MK




R O M E R O II [Riccardo Mancini]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt