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Ein Kribbeln durchfuhr mich. In keiner Weise deutete ich diese Aussage als etwas Sexuelles. Aber durchaus als etwas sehr Intimes.

Auch wenn er mich heute schon das eine oder andere Mal horny gemacht hat.

Wir begaben uns hinein und er führte mich in sein Zimmer. Es sah nicht sehr viel anders als meins aus. Die Farbnuancen waren dunkler, mehr dunkelblau als beige und creme.

Er ließ mich eintreten und folgte mir. Dann wies er mich mit einer höflichen Geste darauf hin auf den bequemen Sesseln Platz zu nehmen, der als einer von zwei den runden, glasigen Tisch in der Mitte von ihnen zierte. Es war direkt an der Glasfront, aus der man einen Blick auf das mittlerweile pechschwarze Meer werfen konnte.

Die Wellen waren aggressiv, sie überschlugen sich und wetteten gegeneinander.

Gleichzeitig war der Anblick dessen beruhigend.

Was ist bitte mit Riccardo passiert?

Wir setzten uns und bekamen Fingerfood ins Zimmer geliefert. Irgendwann wurden wir albern und lachten öfter als gewohnt miteinander. Es war sicher schon zwei oder drei Uhr nachts aber so gemütlich diese Sessel auch waren, mein Rücken und meine Beine machten das nicht länger mit.

Ich drehte und positionierte mich bald ständig auf dem Sessel und schließlich fiel es auch Riccardo auf.

"Zu unbequem?"

"Ich kann so nicht mehr sitzen ehrlich gesagt."

"Willst du...", er kratzte sich an den Kopf, "Du kannst die Beine ausstrecken. Benutz den Tisch einfach."

Öööööde.

Ich stand auf, dehnte meinen Rücken indem ich mich streckte und lief zu seinem Bett. Darauf ließ ich mich nieder und streifte die Sandalen von meinen Füßen. Ich lehnte mich zurück und wünschte mir insgeheim, dass ich seinen Geruch am Bezug aufnehmen würde.

Was völliger Quatsch war.

Wir waren gerade angekommen und alles roch nach frisch bezogenem Bett.

Ich schloss die Augen und faltete meine Hände ineinander. Platzierte sie unter meiner Brust. 

"Poi pendro l'altra stanza [ital.: Dann nehme ich das andere Zimmer]."

"No, no tomes el otro Habitación [span.: Nein, nimm nicht das andere Zimmer]."

"Was laberst du, Valencia? Bin ich jetzt auch noch Spanier geworden?"

"Bleib hier will ich sagen."

"Nur, wenn du es auf meiner Sprache sagst", das teuflische Schmunzeln begleitete seine Worte.

Ich schwieg.

"Gute Nacht, Valencia."

"Non lasciarmi sola stanotte [ital.: Lass mich heute Nacht nicht alleine]."

Ein paar Sekunden passierte nichts.

Die Matratze ließ kurz darauf nach und als Riccardo sich auf das Bett setzte, rutschte ich weiter zur Wand und drehte mich auf die Seite. Ich legte den Arm als Stütze unter meinem Kopf und er legte sich seitlich zu mir.

"Ich kenne deine sanfte Seite gar nicht, die ich seit einigen Tagen zu Gesicht bekomme", sagte ich leise.

Es war so prickelnd. So berauschend, nach all der Zeit Riccardos andere Seiten kennenzulernen, von denen ich dachte, sie würden nicht existieren.

Auch er sprach halb flüsternd zurück: "Ich kannte sie bis vor kurzem auch nicht."

Wir mussten kichern.

"Diese Seite gefällt mir. Das Beast ist also abgeschrieben?"

"Nein, es lebt. Und ich befürchte es artet bald aus, so lange wie ich es schon zurückhalten muss", er legte die Hand an meiner Hüfte und barg einen festen Griff.

Nicht. 

Auslaufen.

"Liebst du mich?", überwand ich mich ihn zu fragen.

In dem Moment sagte mein Unterbewusstsein praktisch: Bist du jetzt vollkommen behindert geword-

"So sanft ich auch bin, ich spreche nicht über Gefühle."

"Das heißt also ja."

"Was erwartest du noch alles von mir, Valencia?"

"Eine richtig kitschige Umgebung, ein Strauß Blumen und dich, der mir die Stirn küsst und mir sagt, was er für mich fühlt."

"Ernsthaft?"

"Nein, ich kann mit Blumen nicht umgehen."

Er grinste.

Aber da schwang so viel Liebe in seinen Augen mit.

Das konnte ich nur wissen, weil ich ihn schon wirklich seit einiger Zeit kannte.

"Wieso der Kuss vorhin?"

"Ehrliche Antwort?"

"Ja."

"Es überkam mich."

"Weil ich eine Fressattacke hatte?"

"Ich fand's...", er senkte den Kopf, "Irgendwie knuffig."

"Knuffig also, ja? Findest du meinen Bauch etwa auch knuffig?", witzelte ich.

Und dann schauten seine Augen drauf. Geradewegs auf meinen Bauch. Und er verweilte in seinen Gedanken, während sein Blick nicht wich.

Ich sagte nichts mehr, ich genoss seine Aufmerksamkeit auf meinem Bauch.

Dann merkte er, dass er offensichtlich verträumt dahin geschaut hatte. Er blinzelte ein paar Mal und schaute mich entschlossen an. Leise fragte er: "Darf ich dein Bauch sehen, Sonnenschein?"


R O M E R O II [Riccardo Mancini]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt