Die Gegenwart.
Valencias POV:
Julian rührte sich nicht. Er stand nur da, mit aufgerissenen Augen und konnte den Blick nicht von meinem Bauch lassen.
"Du bluffst", flüsterte er. Zu sehen, wie ihm die Blässe das Gesicht empor stieg, löste was in mir aus. Sowas passierte Julian nicht.
Niemals.
"Er soll mich töten, das wäre mir lieber, als mich in Stücke zu reißen. Dann habe ich es zumindest schneller hinter mir. Aber nicht einmal das möchte ich noch länger. Hier geht es nicht mehr um mich allein."
Julian war nicht mehr bei sich. Er hatte seine Stimme verloren.
"Du bist schwanger?"
Ich nickte mehrmals mit dem Kopf und Tränen sprießen mir aus den Augen.
"Riccardos Kind?"
Ich biss mir auf die Unterlippe und nickte hektisch weiter:
"Ich wollte...das Kind nicht. Nicht von einem Tyrann. Ich war stolz genug, diese Folter zu durchstehen. Stolz oder dumm! Aber ich kann das nicht. Mit jedem Tag bereue ich hier zu sein. Ich kann ihr das nicht antun! Sie hat es nicht verdient, nicht sie..."
Julian näherte sich mir und schaute auf: "Schwöre es und wehe, wenn du-"
"Ich schwöre es. Bei meiner verstorbenen Mutter."
"Valencia...Das- Du-Ich kann dir das nicht glauben..."
"Dann geh das Risiko ein", bat ich ihn.
Er schüttelte nur verängstigt den Kopf.
"Bitte, Julian..."
"Da sind wir wieder!", ich hörte Riccardo pfeifen und unweigerlich rutschte mir das Herz in die Hose.
Julian und ich zuckten gleichzeitig zusammen und ich blickte ihn zusammengekauert an. Julian rührte sich nicht, was Verwunderung in Riccardo auslöste. Er suchte nach dem vermeintlichen Wasser, als sein Blick auf die leere Flasche auf dem Boden fiel.
"Bedürfnis gestillt?"
"Ja, padrino."
"Dann zisch ab."
Aber er zischte nicht ab.
Viele Sekunden vergingen und Riccardo merkte, dass etwas nicht stimmte.
Was würde nun passieren? Würde Julian ihn mit der Wahrheit konfrontieren? Oder würde er eine taktische Entscheidung treffen, weil er genau wusste, wie er mit Riccardo umgehen musste?
Was war aber, wenn mein Geheimnis nichts in ihm auslösen würde? Und ich heute oder morgen draufgehen würde?
"Julian, che ti prende [ital.: Was ist mit dir los]?"
"Ich- ich..."
Riccardo stellte sich neben ihm.
"Lass dich von ihr nicht in den Bann ziehen. Sie ist wie eine verfluchte Hexe, die dich nicht mehr klar denken lässt. Auch ich war ihr verfallen", sprach der Pate auf seine rechte Hand ein.
Aber Julians Beine hatten sich in dem Boden unter ihnen verheddert und er weichte nicht von der Stelle, um Riccardo Platz zu machen.
"Jetzt verzieh dich, ich habe zu tun."
Julians Augen wanderten zu mir, nur knapp und heimlich sah ich dieses kurze Nicken und dann machte er auf den Absatz kehrt und rannte hinaus.
Was war das denn bitte?!
"Es gibt gewisse Seiten an ihm, die werde ich nie verstehen", pustete Riccardo.
Er holte die Säge hervor, die überhaupt nicht menschenfreundlich aussah. Ich hielt bei dem Anblick die Luft an und schüttelte bange den Kopf.
"Sezieren hat sich in meine letzten Jahren der Quälerei als die schmerzhafteste Methode ergeben."
"R-Rick, komm schon...", ich zwang mich, die Tränen zurückzuhalten.
"Aber nicht zu viel, schließlich wartet ächzende Säure auf dich. Das steht noch auf meiner To-Do-Liste."
Meine Lippen zitterten im Takte seiner Stimme.
"Ich flehe dich an..."
"Oh, ich bitte darum."
"Ich tue alles was du willst."
"Dann gebe dich dem hin, was dich erwartet."
"Bitte....bitte-", schon näherte er sich mir mit der Säge und ich bewegte mich hektisch vor und zurück, mehr schaffte ich auch nicht.
"Stillhalten, Sonnenschein."
"Nein!", schrie ich und wenn ich gekonnt hätte, hätte ich sicher um mich herum geboxt.
"Ich liebe, dich so zu sehen", er grinste breit und seine Augen warfen ein verräterisches Funkeln ab.
"Aufhören!", kreischte ich, als er die Klingen auf meine verdreckte und eingerissene Haut ansetzte.
Er zog mit der Zunge über die Kanten seiner Zähne. Es war wie die größte innerliche Befriedigung für ihn, mich schreien zu hören.
Ich schloss die Augen feste.
"Gott, vergib ihm", richtete ich die Worte nach oben.
Langsam, quälend langsam, schnitten die Klingen meine Haut und zwangen sie dazu, sich der Schärfe hinzugeben und Platz zu machen.
Dann hörte ich das Entsichern einer Waffe.
Die Klingen rührten sich keinen Milimeter weiter.
Es war mucksmäuschenstill.
Meine Augen zerknitterten, aber ich öffnete sie wieder.
Riccardo stand da, die Klinge immer noch in seiner Hand.
Und hinter ihm Julian, der eine Waffe an Riccardos Kopf hielt.
"Wenn du dich auch nur ein kleines bisschen bewegst, bin ich gezwungen, dir diese Kugel in den Kopf zu jagen, padrino."
"Was?! Julian?! Bist du völlig verrückt geworden?, brüllte Riccardo entsetzt.
"Ich wiederhole mich nicht noch einmal. Los, mach Valencia frei."
"Wie?! Niemals!"
"Wenn du das nicht tust, wirst du es bereuen, Riccardo. Verlass dich darauf."
"Leg die scheiß Waffe zurück!", Riccardo warf die Säge in eine Ecke, "Hör nicht auf diese Schlampe, sie-"
Ein dumpfer Schlag, Julian hatte die Pistole gegen seinen Kopf geschmettert und Riccardo klappte bewusstlos zur Seite.
Gleichzeitig quiekte ich verängstigt auf.
Oh.
Mein.
Gott.
"Shh", Julian legte den Finger an seinem Mund an, "Du musst jetzt ganz ruhig bleiben", er holte einen Schlüssel hervor, stellte sich auf den Hocker und begann in Windeseile meine Fesseln zu lösen, "Unter dieser Stimmungslage würde Riccardo sich wahrscheinlich selbst erschießen, wenn er erfahren würde, dass du schwanger bist. Gleichzeitig muss ich überhaupt erst sicher gehen, dass es sich um sein Kind handelt. Und bevor wir eine Lösung für das alles finden, werde ich uns Zeit verschaffen."
Bevor meine Hände befreit waren und ich beinahe zu Boden fiel, fing er mich auf und half mir, mich behutsam aufzustellen. Ich taumelte, so schwach war ich.
"Was hast du vor?", hauchte ich weggetreten und suchte nach einem Halt.
Er griff nach meinem Arm, legte sich diesen um die Schulter und blickte mich entschlossen an.
"Verschwinden wir von hier."
Lesenacht beendet.
Hasst mich nicht.
Aber immerhin waren es jetzt einige Kapitel, besser als unsere erste gemeinsame Lesenacht (mit nur drei lappigen Kapiteln). Mk
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R O M E R O II [Riccardo Mancini]
RomanceRegelmäßige Updates! Teil 1: R O M E R O I [Riccardo Mancini] Teil 2: R O M E R O II [Riccardo Mancini] 🛑 Achtung, Spoiler-Alarm! Stop here 🛑 Valencia ist von der Bildfläche verschwunden, Riccardo ruht nicht, bis er sich rächt, und zwar mit ni...