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Riccardos POV:

"Nicht aufzufinden? Nicht aufzufinden?! Erschieß dich, bevor ich es tue!", brüllte ich ihn an und warf den Eisbeutel, den mir kurz zuvor ein Mann gab, nämlich wegen der scheiß Beule an meiner Stirn, weit weit weg. Die Beule hatte ich Julian - oder eher seiner verdammten Knarre, die er mir an den Kopf hielt - zu verdanken.

Mein Anhänger zuckte zusammen und mit einer abwertenden Geste schlug ich ihn die Flucht.

Ich massierte meine Schläfen, während ich auf den langen Arbeitstisch aus Buche vor mir starrte. Valencias Zeugs waren hier verteilt. Unter anderem ihre Waffe.

Andrès erschien im Türrahmen.

"Ascoltami fratello [ital.: Hör mir zu, Bruder], hier geht es nicht um irgendeinen lästigen Gauner, um einen Verbrecher, oder um einen deiner gewöhnlichen Männer. Hier geht es um Julian. Den Typen findest du nur, wenn er will, dass du ihn findest. Suchen ergibt keinen Sinn, die Sache scheint aussichtslos zu sein."

Wie ein wildgewordener Affe, ging mein Brustkorb auf und ab, ich hatte die Hände zu Fäusten geballt, während mein Mund vor Wut schäumte.

"Hier ist gar nichts aussichtslos. Valencia jage ich um die ganze Welt, ehe sie nicht an meinen eigenen Händen stirbt. Sag mir lieber, Bruder, war es überhaupt jemals die richtige Entscheidung, unser Vertrauen in Julian gesetzt zu haben?"

"Natürlich", Andrès näherte sich mir, "Ich vertraue diesem Typen blind."

"Ha!", ich schlug ihm mehrmals und nicht gerade sanft gegen den Oberarm, "Du drehst jetzt auch noch durch. Herzlichen Glückwunsch!"

"Riccardo, du solltest dich auf die Suche machen, aber du hast praktisch keine andere Wahl, als die beiden anhören zu müssen. Es könnte tausend Gründe geben, weshalb Julian abgehauen ist, statt es vorgezogen zu haben, mit dir zu reden."

"Und keiner dieser Gründe rechtfertigt sein verficktes Verschwinden. Ich will endlich wissen, wo sie sind. Apropos - Hat Mia geplaudert?"

"Nope", er schüttelte den Kopf.

"Nix?"

"Gar nix."

"Na, super", ich klatschte spöttisch in die Hände.

"Bruder, ich verstehe was du durchmachst. Wir sind auf deiner Seite und-"

"Nein seid ihr nicht."

"Was?"

"Ihr seid nicht auf meiner Seite. Ihr seid höchstens auf Julians Seite. Und weil ihr ihm vertraut, in dem, was er tut, seid ihr für mich auch auf Valencias Seite", ich griff nach der metallischen Waffe mit den Initialen V.R. drauf und wandte mich von ihm ab.

"Riccardo. Komm schon, man!", er warf die Arme in die Luft.

Ich ignorierte ihn, als er etwas sagte, was mich zum stehenbleiben veranlasste. Mitten in der Tür. 

"Du sagtest du würdest Valencia quer durch die ganze Welt jagen. Wäre ich sie, würde ich dann vermutlich den für mich sichersten Ort vorziehen. Um mich dann vor dir zu schützen." 

Und ich begriff.

Ich verstand, was er mir mitteilen wollte.

Aber ich war das alles leid. Ich hatte keine Lust mehr, durchzudrehen. Ich wollte die Sache jetzt einfach nur noch beenden. Wahrscheinlich würde ich Valencia nicht einmal mehr quälen. Hauptsache ich würde ihr das Leben nehmen. Die Sache sollte endlich erledigt sein.

"Ich werde heute Nacht noch abreisen."

"Und wohin geht's?", fragte mich Andrès vorsichtig.

"Nach Valencia-City. Ich weiß, dass sie dort sein wird", ich hob den Arm mit der Knarre von Valencia in die Luft und wackelte sie, ohne mich zu ihm umzudrehen, "Die Dame möchte bestimmt ihre Waffe zurück haben."

R O M E R O II [Riccardo Mancini]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt