"Fremde Welt" von @Yuko_Inuzuka

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»In letzter Zeit regnet es oft«, spricht er seine Gedanken leise aus, während er durch das Panoramafenster blickt, welches nur in seiner Lieblingsbibliothek zu finden ist.

»Hilf uns!«

Ein Anblick, der ihn jedes Mal beruhigt und gleichzeitig fasziniert. Die Regentropfen plätschern ruhig vor sich her, einige von ihnen treffen auf das Fensterglas, beginnen ein Rennen, verschmelzen mit anderen Tropfen, werden zu eins.

»Bitte...!«

Von dem Wetterspiel irgendwann wieder losgerissen, setzt er seine Bewegung fort, peilt einen Tisch an, lässt sich nieder. Das Buch aufgeschlagen, vergräbt seine Nase in dieses.

»Wir brauchen dich!«

»Wo bin ich?«, murmelt er, als er sich das nächste Mal wieder umschaut. »Das ist ja gar nicht mein Tisch«, kommentiert er als er hinunterschaut. Besser gesagt, gibt es keinen Tisch mehr und keine Bibliothek. Nur sattes Grün. »War ich nicht eben in einer Bibliothek?«,

»Bibliothek? Hier gibt es nichts, was sich so nennt«, erklingt plötzlich eine Stimme aus dem Nichts, woraufhin er seinen Kopf in die Richtung der Stimme lenkt und einer ihm vollkommen unbekannten und sogleich viel zu vertrauten Person ins Gesicht blickt, wobei er kurz zu den Ohren schaut, wo ihm sogleich ausfällt, dass dies keine menschlichen Ohren sein können. Ein Elf? Bilde ich mir das ein?

»Wer bist du?«, wendet er sich sogleich an seinen Gegenüber, welcher nur leicht kichert.

»Das spielt keine Rolle, hör zu, was ich dir zu sagen habe. Eigentlich dürften wir uns gar nicht begegnen, wir leben in vollkommen verschiedenen Welten und Zeiten. Aber es ist ernst«, fängt der andere Junge mit seinen Erklärungen an, während sein schwarzhaariger Gegenüber über die Situation grübelt, wobei das Gesicht reine Gleichgültigkeit zeigt. Das, was innerlich passiert, soll schließlich im Inneren des Bücherwurms bleiben.

»Verschiedene Welten und Zeiten?«, hakt er lieber noch einmal nach, geht somit sicher alles richtig verstanden zu haben, obwohl er eigentlich gar nichts versteht. Er weiß nicht, wieso er an diesem Ort ist, warum eine unbekannte und zugleich seltsam bekannte Person zu ihm spricht, wie er die Situation einschätzen soll.

»Glaubst du an Magie?«, fragt die seltsame Person, woraufhin der Bücherwurm diese nur verwirrt anschaut. »Ich habe viele Bücher gelesen, wo sie eine Rolle spielt. Aber so, wie sie in diesen definiert wird, glaube ich nicht, dass sie in dieser Form existiert, aber vielleicht in einer anderen«, antwortet er, stellt somit klar, dass er durchaus in einer Form an Magie glaubt, aber in keiner, die man aus all den Fantasy-Büchern kennt.

»Magie gibt es. Zwar nicht in euerer Welt, aber in unserer. Doch eure Welt versucht, an unsere ranzukommen und ihr die Magie zu entreißen. Wenn das passiert, bricht eine Katastrophe aus. Unsere Welten dürfen niemals aufeinandertreffen, das würde ein Ungleichgewicht im Universum erschaffen. Trotzdem versucht es dein Volk immer wieder«, erklärt der Gegenüber des Schwarzhaarigen. Magie soll also wirklich existieren.

»Warum erzählst du mir das?«, »Weil du sie aufhalten musst. Ich kann sonst kein anderen mit dieser Aufgabe betreuen. Andere würden viel zu viel hinterfragen. Außerdem gibt es noch andere Gründe, die aber nicht zwingend offengelegt werden sollten«, erklärt der andere Junge, woraufhin der Bücherwurm nur nickt. Viel machen kann er sowieso nicht.

»Was soll ich machen?«, »Schließe die Augen, ich zeige es dir, dann wirst du wissen, was zu tun ist«, antwortet der andere Junge, woraufhin der Schwarzhaarige leicht nickt und kurz darauf die Augen tatsächlich schließt. Statt dem saftigen Grün von eben, zeigt sich nur noch die tiefe Dunkelheit. Allerdings kann er sich nicht lange darauf konzentrieren, denn im nächsten Moment spürt er, dass etwas seine Lippen berührt und kurz darauf überfluten hefige Wellen an fremden Erinnerungen seine Gedanken.

Angst, Verzweiflung, zerstörte Hoffnung.

Der Himmel getaucht in einem blutrot,

auf der einen Seite:

die Machtbegierigen Menschen,

auf der Anderen:

die sanftmütigen Freunde der Natur

und

in der Mitte wütet ein dunkler Schwaden

unkontrollierbarer Energie.

Die Elfen wissen nicht, wie es um sie geschieht.

Die Menschen gieren nur nach Macht,

versuchen, das Unkontrollierbare zu kontrollieren.

Doch sind sich durch den Kontakt

Selbst dem eigenen Abgrund geweiht.

»Was war das?«, »Die Welt, wie sie sein wird, wenn die Menschen nicht verstehen, dass sie Raum und Zeit in Ruhe lassen sollen. Ich habe sie dir gezeigt«, »Mit einem Kuss?«, »So funktioniert es am besten«, erklärt der Weißhaarige, worauf der Schwarzhaarige erneut nickt. Er kann es schließlich nur hinnehmen, rückgängig lässt sich das Geschehene sowieso nicht mehr machen. So viel steht fest.

»Aber wie soll ich sie aufhalten?«, »Du wirst schon einen Weg finden. Meine Zeit ist auch schon abgelaufen, ich kann nicht länger in diesem Stadium bleiben«, meint der Weißhaarige, was den Schwarzhaarigen nur noch mehr verwirrt. »Warte, sag mir wenigstens, wer du bist!«, verlangt der Schwarzhaarige, was den Weißhaarigen nur lächeln lässt. »Das wirst du noch früh genug erfahren.«

Danach wird alles dunkel und schwummerig und plötzlich verschwindet die schöne Landschaft, wird stattdessen durch pure Dunkelheit ersetzt.

»Menschen aufhalten? Wie soll das möglich sein?», murmelt er, als er das nächste Mal wieder die Augen öffnet und sich die Stirn reibt, den Blick nach unten gesenkt. »Oh, ich bin ja wieder in der Bibliothek«, kommentiert er als er den Tisch und sein darauf liegendes Buch wieder sieht. »Was war das überhaupt wieder für ein komischer Traum?«

In der letzten Zeit tauchen diese Art von Träumen häufiger auf, fast schon, als seien es Visionen, wobei er eigentlich nicht an solche Dinge glaubt. Stattdessen fängt er so langsam selbst an zu glauben, er lese zu viel von den Fantasy-Geschichten, obwohl er immer gegen diese Behauptungen war. Im Herzen ist er dies immer noch, aber sein Verstand kann sich all diese Zufälle und Phänomene sonst nicht anders vorstellen.

Er packt schließlich seine Sachen zusammen und tritt den Heimweg an. Obwohl es draußen regnet, meistert er den Weg, betritt das Haus, stellt alles ab, zieht sich um, geht in das Band und macht sich fertig.

Als er dabei das nächste Mal in einen Spiegel schaut, weiß er, warum das Gesicht ihm so bekannt vorkam. Es war sein Ebenbild mit weißen Haaren und spitzen Ohren. Sein Ebenbild aus einer anderen Welt, einer anderen Zeit.


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