..und in den schlimmsten Momenten ist die Liebe nicht da, um uns vor grausamen Dingen zu bewahren.
Langsam wurde ich wirklich wütend. Es völlig ernst meinend stand der etwas Jüngere, den ich nun schon seit 4 Jahren meinen Ehemann nannte, vor mir und blickte mich provozierend an. „Wiederhol das bitte nocheinmal und sag es mir diesmal ins Gesicht", forderte ich ihn gereizt auf; mein Blick verfinsterte sich, als er erneut seinen Mund öffnete und seine vorherigen Worte langsam wiederholte: „Ich.wü". Empört riss ich meine Augen auf: „Spinnst du? Wieso verdammt nochmal habe ich dich geheiratet?!". Ich beobachtete, wie er beinahe in Zeitlupe sein halbleeres Rotweinglas, welches noch immer auf dem von mir wundervoll gedeckten Tisch unseres Dinners stand, hob und ausholte, ehe es durch unsere Wohnung auf mich zuflug. Meinen Kopf verfehlte er um ein ganzes Stück; er war sowasvon betrunken. Das teure Glas, welches ich mit meinem Blick verfolgte, klatschte gegen die weiße Wand hinter mir, auf der sich nun unzählige, kleine rote Tropfen, die beinahe wie Blut aussahen, befanden. „Du kleiner...", weiter kam ich nicht, während ich mich schnell wieder zu ihm drehte. Ein weiteres Glas, diesmal meines, welches schon ausgetrunken war, verfehlte meinen Kopf diesmal nur um Millimeter und explodierte in einem Glasregen an der Spüle. Schnell griff ich nach einem Teller, der in der Spülmarschine darauf wartete, endlich ins Regal unserer Einbauküche geräumt zu werde, und pfefferte diesen durch den Raum zurück. Beinahe traf er ihn am Oberarm, doch er sprang schnell zur Seite. Ich hatte so gehofft, dass ich ihn damit verletzen würde. Nur noch von seiner Wut gesteuert lief er schließlich auf mich zu, zwischen uns befand sich bloß noch die Theke. Er wirbelte wild mit seinen Armen in dem Versuch, mir irgendwie Schaden zufügen zu können. Ich wehrte seine Schläge ab und sprang schnell außer Reichweite seiner Gliedmaßen. Puren Hass konnte ich in seinen Augen erkennen, während er um die kleine Theke lief, damit er einen erneuten Versuch starten konnte. Beinahe automatisch fand ich meine Hand neben der Spüle wieder und umgriff feste das Küchenmesser, mit welchem ich noch vor gut zweieinhalb Stunden die Zwiebeln geschnitten hatte. Es dauerte nicht lange, da stand ich neben ihm: „Was jetzt?", flüsterte ich, ohne noch wirklich Herr über meinen eigenen Körper zu sein. Ängstlich wich er zurück, denn obwohl er hacke dicht war, erkannte er die Gefahr, die gerade von mir ausging. „W-Was hast du vor?", stotterte er vor sich hin, während er auf das Messer, dass mittlerweile auf ihn gerichtet war, starrte. Ich begann zu Grinsen: „Wo ist denn jetzt dein ganzer Mut hin?". Diese Panik in seinen Augen machte mich verrückt und reizte mich beinahe noch mehr. Ich verringete den Abstand zwischen uns wieder, während er etwas wimmerte: „Du willst doch nicht wirklich...". „Du hast verloren, gib es zu!", rief ich voller Hass, während er schnell noch ein paar Schritte zurück trat. Diese holte ich sofort wieder auf und er versuchte weiterhin, rückwärts aus meinem Umfeld zu fliehen. Ich hielt es nicht mehr aus. Er hatte mir jeglichen Grund gegeben, ihn zu hassen, seine Worte von eben taten weh, der Streit entstand durch eine belanglose Sache. Aggressiv rammte ich ihm das Messer in die Brust, er zuckte zusammen. Wirklich bewusst, was ich tat, war ich mir noch immer nicht. Seine Augen wurden glasig und hektisch versuchte er mit weit geöffnetem Mund, Luft in seine, durch das Messer kaputte, Lunge zu bekommen, doch alles was seinen Mund verließ, waren erstickte Laute. Seine Beine zitterten, versuchten sich noch irgendwie aufrecht zu halten. Mein Blick folgte ihm, sah ihm weiterhin in die Augen, während er auf die Knie sackte. Immer lebloser starrte er mir bettelnd entgegen, mit diesen Augen, für die ich früher einmal alles gegeben hätte, um sie bloß noch einmal zu sehen. Das Blut färbte den Teppich um ihn herum rot und auch sein blass blaues Oberteil nahm Farbe an, als sein schließlich lebloser Körper auf dem Boden zusammenkrachte. Und als hätte jemand einen Schalter in meinem Kopf umgerissen, wurde mir klar, was ich getan soeben hatte. Tränen flossen mir plötzlich aus den Augen wie ein Wasserfall meine Wangen hinunter und ich sah zu dem Mann herab, dem ich das Leben aus dem Leib gesogen hatte. Ein stummer Schrei verließ meine Lippen und ich sah vor meinem inneren Auge all die wundervollen Momente, die wir in den vielen Jahren gemeinsam erlebt hatten, an mir vorbeirauschen.
Ich hatte ihn umgebracht.
Ich liebte ihn doch...
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Gedankennebel
Historia CortaDu liest gerne Kurzgeschichten mit verschiedensten Themen? Und das umgesetzt auf unterschiedlichster Art? Du interessierst dich für die abwechlungsreiche Mischung verschiedener Schreibstils, Inhalte und Genres? Dann ist dieses offizielle Buch vom Wa...