"Lichtblick" von @Millamilch

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Es ist widerlich, wie der Tod die schlechtesten Seiten der Menschen zum Vorschein bringt. Kälte beseelte den Raum. Verkrampft umschloss ich die Hand meiner Schwester mit meiner und würde sie nie loslassen wollen. Ein liebes Kind voller Lebensfreude war sie gewesen und nun riss man sie mit aller Gewalt von mir.
Der Kalte und unberührte Blick meiner Mutter brannte sich in meine Netzhaut und meine Welt zerbrach in zausend Scherben. Das kleine Herz in meiner Brust erkannte ihre Boshaftigkeit, doch zu spät.
Ein Kind, dessen Welt in seiner kleinen Hand lag, kalt und leblos. Meine Augen geschwollen vom vielen Weinen, mein Hals trocken und meine Stimme heiser und trostlos. Zerstört blieb ich allein zurück.
Ein gutes Kind war sie gewesen. Gut in der Schule, machte was man ihr sagte und war immer höflich zu allen gewesen. Sie war meine Welt gewesen, mein Licht in dieser trostlosen Welt, die Hand, die sich mir entgegenstreckte, wenn ich am Boden lag.

Ihr goldenes Haar legte sich gelockt und strahlend schön über die Schultern auf ihre blasse Haut, sie war wunderschön, selbst im Tode.
Ich hatte ihr beim sterben zugesehen, denn wenn meine Welt die Welt verließ, musste ich ihr bis zum Schluss, meine Kraft geben.
Die Frau die ich und sie, meine Welt, Jahrelang als Mutter betitelten, zeigte im Tode ihr wahres Gesicht.

Ihre Arroganz und die liebe die sie nicht für uns empfand, offenbarte sich in dem Moment als meine Welt mich verließ.
Mein selbst stieß sie, die meine Mutter war, mit aller Ignoranz in ein tiefes Loch, der Trauer, des Schmerzes und der Angst. Ein Loch, so tief, dass ich nie aus ihm herauskommen würde. Mein Leben wurde dunkel und trist, ein jeder Funke Hoffnung war mit meiner Welt gestorben und alles was mir blieb war ein dünner Faden der hinauf, aus dem Loch hinausführte.

Diesen dünnen Faden, hattest du, meine Welt, aus all deiner Liebe gesponnen. All deine Liebe begann die Dunkelheit um mich zu vertreiben. Ein grelles Licht von Himmels Wegen bot sich mir auf und deutete auf den dünnen Faden vor mir.
Der Faden, der so dünn und instabil wirkte, bildete die Rettung meiner Selbst und einen Ausweg. Einen Weg, zu dir.
Ein Weg der zurück in deine Arme, zurück in meine Welt führte.

Mein Körper war schwach, doch die Liebe zu dir, stärkte meinen Geist. Den labilen Faden ergriff ich ganz sachte und mit aller Vorsicht.
Der dünne Faden, drückte meine Luft ab und verursachte einen schrecklichen Schmerz, der mir unmissverständlich von diesem Weg abraten wollte.
Doch von oben herab blicktest du auf mich und stärktes den Faden noch weiter. Ich wusste, du würdest mich nicht fallen lassen.

Ich wusste, dass du das Ziel bist, das mich all den Schmerz ertragen ließ.
Mit jedem Meter hinauf, wich die Dunkelheit ein Stück weiter und das Licht nahm mich in sich auf, doch er Schmerz wurde stärker.
Deine Hand streckte sich mir entgegen und der Schmerz, all die Trauer, all die Angst, wichen von mir. Mein Körper wurde Taub und nur das Gefühl des Glückes blieb zurück.
Deine Arme umschlossen mich und Tränen bahnten sich ihren Weg über meine Wangen, doch es waren keine Tränen der Trauer, es waren Tränen der Erlösung.

Meine Welt war zurück, mein Glück und das Gefühl endlich wieder dort zu sein, wo ich hingehöre.
Ohne einen Funken des Bedauerns, blickte ich hinunter.
Ein letztes Mal zurück, zurück auf das was nun vergangen war.
Meine Mutter, die falsche Frau. Ein Monster. Niemals würde ich vergeben können.
Was sie tat, war ihres Todes Ursache, was sie getan hatte, stieß mich in dieses Loch.
...
Und nun saß sie dort. Kniend vor dem Ort, an dem mein selbst, seinen letzten Atemzug nahm. Ein straffes Seil, dass geschwungen um einen der instabilen Deckenbalken hing. Für mich war es der dünne Faden gewesen, mein letzter Lichtblick.
Die letzte und einzige Chance, das Glück wieder zu finden.
Am Ende des Seils, hing ich. Mein lebloser Körper blieb mit all dem Schmerz in dieser Welt zurück und mein Geist... Mein Geist ergriff die Hand meiner Welt und schritt dem Glück entgegen.

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