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Welcher Vollidiot kommt denn bitte auf die Idee das Besteck und meine Schulsachen in den gleichen Umzugskarton zu räumen? Schmerzerfüllt halte ich ein Taschentuch an meine Handinnenfläche. Das Blut lässt sich jedoch nicht wirklich stoppen. Na toll. Keinen Tag hier und schon wieder habe ich es geschafft mir in irgendeiner Form weh zu tun. Warum muss ich denn auch ausgerechnet in das scharfe Küchenmesser fassen? Eine Gabel hätte es  auch getan. Stattdessen ist mir die Klinge des Messers einmal quer durch die Hand gefahren. Und das meines Erachtens leider nicht nur oberflächlich. "Alex?", rufe ich durchs Haus, als ich ins Badezimmer gehe, um mir dort ein Handtuch zu holen, dass das Blut vorerst wohl besser aufhalten sollte, als das jetzt schon durchtränkte Tempo. "Ja?", entgegnet er von unten. Hört sich so an, als ist er in der Küche. Anstalten nach oben zu kommen macht er jedoch nicht. Naja, gibt ja auch kein Grund dafür, ich hab  ja bis jetzt lediglich seinen Namen gerufen. Aber wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet wohl zum Berg. In anderen Worten: ich stapfe, äußerst unmotiviert die Treppe nach unten und mache mich auf den Weg in die Küche.
"Was gibt's denn?", fragt der Notarzt, mit dem Rücken zu mir gerichtet, nachdem ich die Küche betreten habe. Anscheinend hat er mit dem Vorbereitungen für heute Abend bereits begonnen. 
"Ich hab mich geschnitten und des blutet irgendwie ziemlich stark. Kannst du dir das vielleicht kurz anschauen", teile ich ihm mit leiser Stimme mit. Dass ich kein Blut sehen kann, hat sich immer noch nicht geändert. Zumindest ab einer gewissen Menge wird es für mich sehr unangenehm. Da ist es manchmal schon sehr praktisch einen Arzt in der Nähe zu haben, der bei sowas keine  Probleme hat. Ich habe meinen Satz noch nicht mal zu Ende formuliert, da hat Alex auch schon das Salatbesteck aus den Händen gelegt und sich mir zugewandt. "Was ist denn passiert?", will er wissen, während er mir bedeutet mich auf einen der Küchenstühle zu setzen. Sobald ich sitze beginnt er auch schon damit meine Wunde zu inspizieren. Aus reinen Vorsichtsmaßnahmen schaue ich während er damit beschäftigt ist lieber in der Küche umher.  Ich will die Ausmaße meines Missgeschicks ungern so detailliert betrachten, wie er es tut.
"Irgendjemand ist auf die super Idee gekommen meine Schulsachen gemeinsam mit dem Scharfen Besteck in einer Umzugskiste zu verstauen", teile ich ihm mit einem genervten  Unterton mit. Von Alex kommt nur ein schmunzeln. "Ich versteh zwar trotzdem nicht, wie man es hinbekommt sich dann so zu verletzen, aber ich lass das mal so stehen" Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie er leicht grinsend den Kopf schüttelt. "kannst du deine Finger denn bewegen, spürst du alles?", kommt er relativ schnell wieder zum wesentlichen zurück. Ich nicke knapp. Darauf habe ich die ganze Zeit schon geachtet, ist ja nicht das erste mal, dass ich mir unabsichtlich so eine Schnittwunde verpasse. "Gut. Also ich geh mal nicht davon aus, dass man das nähen muss, hör zu ich mach dir einen Verband dran und dann hoffen wir mal, dass das gut verheilt, sonst muss man das vielleicht doch nochmal abchecken lassen", gibt er mir seine Diagnose. Ich kann mir ein leises Lachen bei seinem letzten Satz nicht verkneifen. "Nochmal abchecken lassen klingt gut, das sollte dann am besten ein Arzt machen", entgegne ich ironisch und blicke ihn grinsend an. Er verdreht daraufhin nur die Augen, schüttelt erneut schmunzelnd den Kopf. 

Ein paar Minuten und eine verbundene Hand später kann sich Alex dann endlich wieder seinem Salat zuwenden. "Ich würde dich ja fragen, was zu helfen, aber gibt es hier wirklich etwas, wo du dich nicht verletzen kannst?" Jaja, sehr lustig. "Ich mach hier weiter, du kannst ja  schonmal den Grill anmachen oder so", beschließe ich und übernehme seine Tätigkeit. Bei dem Bick auf die Uhr habe ich festgestellt, dass wir, unter anderem durch mich, doch etwas später dran  sind, als geplant. Aber selbst wenn es erst um sieben essen gibt.  Ich glaub nicht, dass Alex' Kollegen sauer deswegen sein werden. Obwohl ich dachte, dass Salate machen mit meiner Hand noch am besten funktionieren sollte, merke ich schon nach kurzer Zeit, dass das gar nicht so einfach ist, nur mit einer Hand. Dennoch habe ich es nach einer Weile irgendwann dann auch geschafft und kann die beiden Schüsseln nach draußen zu Alex bringen. Dieser hat in der Zwischenzeit schonmal Feuer gemacht und es geschafft den Tisch vorzubereiten. "Von wegen schönes Wetter genießen, ich finds gar nicht so warm hier", kommentiere ich die unerwartete Frische, die mich draußen empfangen hat. Bevor Alex überhaupt etwas darauf entgegnen kann, werden wir auch schon von dem Klingeln an der Haustür unterbrochen. Ich kann mir schon fast denken, wer hier fast zehn Minuten zu früh auftaucht. Als ich die Haustüre öffne, bestätigt sich mir diese Vermutung auch direkt. "Papa" "Hey Lou", begrüßt er mich mit einer kurzen Umarmung. So wie es aussieht ist er jedoch alleine gekommen. Naja, auch gut. Ich hab ihn zwar in den letzten Jahren öfters besucht, auch er ist uns mal besuchen gekommen, aber selbst da war Jamie dabei, also wirklich viel zeit mit ihm hatte ich nicht. Zudem meine Besuche auch immer sehr davon abhängig waren, wie viele Klassenarbeiten ich in diesem Monat hatte. Waren es zu viele hat mich Mama nämlich ungern gehen lassen. "Wie geht's dir? Wie fühlt es sich an endlich wieder in Köln zu sein?", fragt er, während wir nach draußen gehen. "Ist noch etwas komisch, aber bin eigentlich ganz froh wieder hier zu sein", entgegne ich. Den Teil, dass ich das Ganze doch in irgendeiner Weise ziemlich scheiße finde, lasse ich mal weg.  
Wirklich helfen dabei kann mir eh keiner, warum sollte ich es also erzählen?

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Nichtronja ist back

Man liest sich im nächsten Teil<3

ASDS// After the RainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt